DFB-Pokal, Achtelfinale:Wie bei Laurel und Hardy

Erneuter Slapstick-Abend im Schwabenland: Der FC Bayern gewinnt mit 6:3 beim VfB und liefert dank haarsträubender Stuttgarter Fehler erneut ein kurioses Spektakel - am Ende trifft sogar Ribéry per Kopf. Im Viertelfinale wartet jetzt ein Zweitligist.

Ein paar Komplimente haben die Fußballspieler des VfB Stuttgart noch mitbekommen für die Weihnachtsfeiertage, weil sie sich wirklich wieder bemüht hatten gegen den FC Bayern am Mittwoch bei ihrem letzten Einsatz vor der Winterpause im Pokal-Achtelfinale. Sie hatten wieder einen Lattentreffer, sie hatten zahlreiche weitere Chancen unter anderem einen Elfmeter, den Christian Gentner verschoss.

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Ob sie es selbst glauben konnten, was in dieser Partie alles passierte? Die Bayern-Spieler jubelten trotzdem über ihre sechs Treffer in Stuttgart.

(Foto: AFP)

Sie waren die aktivere Mannschaft gegen einen FC Bayern, der ein paar stade Tage zur Erholung gut gebrauchen kann. Und viele Tore gab es auch wieder, wie schon beim Bundesliga-Spiel beider Teams am Sonntag. Aber gewonnen haben eben wieder die Gäste aus München, und zwar seltsamerweise mit einem Ergebnis, das nach dem wilden 5:3 von vor drei Tagen die Fachwelt noch mehr verblüffte: 6:3 - nach einem grotesken Toreschießen, das die Abwehrschwächen aller Beteiligten gnadenlos offenlegte. Im Viertelfinale wartet auf die Bayern vielleicht sogar eine schwierigere Aufgabe, auch wenn es "nur" gegen einen Zweitligisten geht - das Los bescherte den Münchnern ein Auswärtsspiel bei Alemannia Aachen. Die Erinnerung an 2004, als man gegen Jan Schlaudraff & Co. ausschied, dürfte noch präsent sein.

Bizarre Abwehrfehler

Es liegt eine Chance darin, binnen weniger Tage auf den gleichen Gegner zu treffen, weil man gleich richtig machen kann, was beim ersten Versuch falsch lief. Und Bruno Labbadia, der neue Trainer des angeschlagenen VfB, schien diese Gelegenheit gleich packen zu wollen: Als Fehler hatte er es nach einer besseren zweiten Halbzeit vom Sonntag offensichtlich erkannt, bei der ersten Schicht gegen die Bayern Christian Gentner, Khalid Boulahrouz und Martin Harnik erst im Laufe des Spiels eingesetzt zu haben.

Gentner und Harnik waren die Stuttgarter Torschützen gewesen, Boulahrouz hatte den überforderten Ermin Bicakcic kompetent vertreten - da war es folgerichtig, dass Labbadia das Trio diesmal von Beginn an aufbot. Aber personelle Konsequenzen allein reichen eben nicht für das glückliche Ende einer Neuauflage, und Labbadia musste sich schon nach acht Minuten der Pokal-Partie fragen, ob er die falsche Sprache gewählt hatte bei seiner jüngsten Ansprache oder ob sein Personal taktische Vorgaben grundsätzlich ins Gegenteil übersetzt.

Statt die Zahl der Gegentore niedrig zu halten, wählten die Stuttgarter nämlich die Abwehrvariante, sich gleich in der Anfangsphase zwei einzufangen. Am Sonntag hatten sie wenigstens bis zur 31. Minute das Null-null gehalten. Diesmal staunten die VfB-Profis schon nach sechs Minuten darüber, wo so ein Ball überall im eigenen Tor einschlagen kann: links oben nämlich auch, nachdem Bayerns Andreas Ottl seine Freiheiten zu einem beherzten 25-Meter-Schuss genutzt hatte.

Und weil die Stuttgarter den Schmerz des frühen Rückstandes offenbar noch nicht richtig spürten, durfte nur wenige Augenblick später Thomas Müller von links in die Mitte flanken, wo Mario Gomez das nötige Durchsetzungsvermögen zeigte. 0:2. 8.Minute.

Die Stuttgarter haben sich dann doch besonnen. Die eigenen Anhänger sind gerade aufgebracht genug wegen des 17. Platzes in der Bundesliga, und so zeigte sich bald, dass der VfB im Winter 2010 doch lernfähig ist. Labbadia wartete diesmal nicht bis zur 60. Minute wie am Sonntag mit den Auswechslungen im Sinne eines stärkeren Abwehrverbunds, sondern beorderte Cristian Molinaro schon nach einer guten halben Stunde vom Platz und betraute dessen Linksverteidigerposition Arthur Boka an.

Gleichzeitig erwies sich Boulahrouz auf der rechten Flanke als guter Gegner für Bayerns Edelfranzosen Franck Ribéry. Es war als hätten die Stuttgarter nach der achten Minute einen zweiten Anpfiff gehört, sie bestimmten nun das Spiel. Und kurz vor dem Halbzeitpfiff hatten sie aufgeholt gegen eine Münchner Defensive, in der Anatolij Timoschtschuk mit Nachdruck unter Beweis stellte, dass er als Innenverteidiger keine ideale Besetzung ist: VfB-Stürmer Pawel Pogrebnjak setzte sich als Doppeltorschütze in Szene (32., 45.+1).

Stuttgarter Horror

Das 2:2 war ein Zwischenstand, der auch zu dem Umstand passte, dass der FC Bayern fahrig beim Passspiel wirkte. Und dass Kapitän Mark van Bommel nach den Gerüchten über seinen bevorstehenden Abschied keine Bindung zum Spiel fand; van Bommel war aber offensichtlich angeschlagen und verließ nach einer knappen Stunde das Feld. Aber auf die Stuttgarter Abwehrschwäche war Verlass. Der VfB hätte längst führen können, als Kapitän Matthieu Delpierre hilflos über die aufgewühlte Grasnarbe rutschte und Miroslav Klose die Einladung zum 3:2 humorlos annahm (52.). VfB-Trainer Labbadia stellte traurig fest: "Wir haben zu viele Fehler gemacht, die müssen wir abstellen. Wir haben viel Arbeit vor uns."

Es war ein aufregendes Spiel, das auch noch eine farbige Komponente bekam, als Boulahrouz nach einem Einsatz gegen Bastian Schweinsteiger die Gelb-Rote Karte bekam (67.). Schweinsteiger versuchte, Schiedsrichter Florian Meyer milde zu stimmen, der blieb unnachgiebig. Aber die Unterzahl schreckte die Stuttgarter nicht. Gentner scheiterte an Bayern-Torwart Hansjörg Butt beim Elfmeter, den Butt selbst verschuldet hatte. Und trotzdem stand es ab der 77. Minute 3:3, weil Delpierre per Kopf traf. Und trotzdem verlor der VfB noch in der regulären Spielzeit, weil er wieder kein Mittel hatte gegen die halbraffinierten Angriffe des FC Bayern. Thomas Müller erzielte das 4:3 durch die Schoner von Torwart Sven Ulreich (81.).

Van Gaal irritiert

"Positiv ist, dass wir das Publikum mitgenommen haben", sagte Bruno Labbadia später, "nur so kann es in der Rückrunde gehen." Andererseits war die letzte Schlussphase schon wieder ein kleiner Horror für die Stuttgarter. Zur nächsten Niederlage kam die nächste Demütigung. Auch Delpierre sah Gelb-Rot, Klose, der schon in der ersten Halbzeit den an der Wade geprellten Gomez ersetzt hatte, und Ribéry legten nach.

Am Ende waren 17 Tore zusammengekommen in den beiden vorweihnachtlichen Treffen des VfB und des FC Bayern, selbst der erfahrene FC-Bayern-Trainer Louis van Gaal wirkte etwas irritiert: "Es ist unglaublich, in drei Tagen elf Tore zu schießen und sechs Tore zu bekommen." Und eine seltsame Wahrheit des Fußballs nahm Gestalt an. Es ist unterhaltsam, wenn zwei Teams ohne Abwehr spielen - mit gutem Fußball hat es wenig zu tun. Aber Laurel und Hardy hätten ihre wahre Freude.

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