DFB-Pokal: Aachen - Bayern:Grimmige Gewinner

Verkehrte Welt in Aachen: Die Bayern fegen die Alemannia-Buben mit 4:0 vom Platz und dennoch überwiegt hinterher der Ärger - vor allem bei Trainer van Gaal. Auch Franck Ribéry bereitet neue Sorgen.

Marcel Burkhardt, Aachen

Bastian Schweinsteiger machte den Anfang; er kam mit gesenktem, seltsam starren Blick aus der Umkleidekabine, den Kopf eingezogen, so als fürchtete er, dass gleich von irgendwoher etwas auf ihn einschlagen könnte. Einmal ganz kurz nur schaute er auf, visierte den Mannschaftsbus an, in dem er kurz darauf als erster Spieler des FC Bayern verschwand.

Alemannia Aachen v Bayern Muenchen - DFB Cup

Wirkt da was nach? Sportdirektor Christian Nerlinger und Trainer Louis van Gaal.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Zwar hatte Schweinsteiger mit seiner Mannschaft die Jungspunde aus Aachen mit 4:0 geschlagen und damit dem Pokalschreckgespenst Alemannia das Laken vom Kopf gezogen, doch statt sich aufs Halbfinale des DFB-Pokals zu freuen, haderte der neue Anführer im Mittelfeld des Rekordpokalsiegers mit sich und seinem Spiel.

Zu viele seiner Pässe waren in den 90 Fußballminuten nicht bei den Mitspielern angekommen, Schweinsteiger verlor überraschend häufig Zweikämpfe, im offensiven Mittelfeld trumpfte der 26-Jährige nicht in der Chefrolle auf, sondern wirkte vor allem in der ersten Halbzeit unkonzentriert. Nach Fehlpässen hob er einige Male die Hände zum Himmel oder schlug sich selbst derb auf die Schenkel. Dazu dieser geschmerzte Gesichtsausdruck. Klare Botschaft: Mist, es läuft nicht! Schweinsteigers Wunsch, sich nach dem Spiel schnell zurückzuziehen, war halbwegs verständlich.

Ein fast irritierend komisches Schauspiel gaben einige seiner Kollegen ab, die nach ihrem Erfolg so grimmig dreinschauten, als wären sie auf dem Aachener Tivoli gerade schwer gedemütigt worden - Abwehrspieler Holger Badstuber etwa, Torvorbereiter Luiz Gustavo oder auch Torschütze Arjen Robben. Hing es vielleicht mit dem fluchtartigen Abschied ihres alten Anführers Mark van Bommel zusammen? "Ich bin natürlich sehr traurig, dass er gegangen ist", gab Robben zu. "Aber für ihn geht es weiter und für uns geht es weiter - so ist das."

Der gefühlige Profi: Das Vergangene muss man schnell abhaken und sich auf die nächsten Aufgaben konzentrieren. Ein klein bisschen Freude wäre aber dennoch drin gewesen, oder? Immerhin hatten die Bayern mal wieder diesen ungeheuren Dampfkesseldruck ausgehalten - und können weiter von der nächsten Pokalfete träumen. Außerdem hatten sie gezeigt, dass sie auch ohne ihren kernigen, zupackenden, aber nun mal nach Mailand abgewanderten Spielführer Mark van Bommel gut Fußball spielen können.

Sie hatten eines dieser Alles-oder-nichts-Spiele für sich entschieden - recht souverän sogar, durch weitgehend intaktes, kompaktes Mannschaftsspiel mit Toren von Mario Gomez (26. Minute), Thomas Müller (75./80.) und dem eingewechselten Arjen Robben (88.). Nebenbei hatten sie ihrem geschätzten Trainer Louis van Gaal einen netten Abend beschert, nachdem ihm der Ärger mit Sportdirektor Christian Nerlinger und Vereinspräsident Uli Hoeneß doch zuvor so einige Energie genommen hatte, wie er jüngst bekannte.

Zeigte sich wenigstens der Bayern-Trainer "happy", ein klein bisschen als "Feierbiest"? Weit gefehlt! Der anhaltende Bayern-Zwist scheint den Niederländer schwer zu bekümmern. Selbst harmlose Fragen zum Spiel beantwortete er mit eingefrorener Miene, mitunter grollend, giftig. Hatten die Bayern ihren schönen Pokalerfolg an diesem Abend nicht auch zum Großteil den Glanzparaden ihres jungen Torwarts Thomas Kraft zu verdanken, der etwa gegen Aachens Abwehrrecken Tobias Feisthammel grandios pariert und so in der 60. Spielminute den Ausgleich verhindert hatte?

Van Gaal verwies nur auf eine vorangegangene "falsche Orientierung" des Torwarts, die diese Großchance überhaupt erst ermöglicht habe. "Über diesen Fehler werde ich morgen mit ihm sprechen."

Schlagzeile: "Fliegt van Gaal?"

Der Trainer fühlt sich zunehmend bedrängt in diesen Tagen. "Fliegt van Gaal?", diese Schlagzeile hatte er in einem Boulevardblatt lesen müssen. "Fliegt van Gaal?" - er rief es laut in den Raum hinein. "Schade, dass diese Frage gestellt wird", beklagte der oft als unnahbarer Einzelkämpfer charakterisierte Erfolgstrainer - und der 59-Jährige klang überraschend verletzlich dabei.

Irgendwie passend, dass nach dem Aachen-Spiel auch weitere Informationen zum Gesundheitszustand von Franck Ribéry durchsickerten. Und zwar keine guten. Der Mittelfeldmann falle wegen seiner Bänderdehnung im Knie noch drei weitere Wochen aus, wusste zumindest das bereits erwähnte Boulevardblatt. Somit sei Ribéry womöglich erst zum Champions-League-Spiel bei Inter Mailand (23. Februar) wieder fit.

Vielleicht haben van Gaal wenigstens die sportlichen Gegner aus Aachen ein bisschen friedlicher gestimmt. Die hätten zwar nach einem nicht gegebenen klaren Elfmeter in der ersten Halbzeit guten Grund gehabt, zu klagen. Stattdessen bekannte Alemannia-Trainer Peter Hyballa, 35, in fast schwärmerischem Ton: "Wir haben ehrlichen, engagierten Fußball gespielt und gegen eine absolute Spitzenmannschaft mit einem absoluten Spitzentrainer verloren." Alles "Topleute", ganz gewiss keine "Pfeifen", setzte Hyballa nach und schaute hinüber zu van Gaal, dem das wohlgetan haben dürfte, auch wenn er sich nichts anmerken ließ.

Am Ende dieses Pokalabends spielten die Akteure also mit vertauschten Rollen, denn neben grimmigen Gewinnern gab es fast freudige, in jedem Fall mehr als faire Verlierer. Aachen-Manager Eric Meijer, der den Bayern vor dem Spiel noch ein "Waterloo" angedroht hatte, schaute später ganz entspannt und kein bisschen frustriert drein. "Heute haben Bubis gegen Männer verloren", meinte er. Und dass das nun niemand in den falschen Hals bekommt, am wenigsten natürlich die sehr jungen Spieler in seinem Alemannia-Spielertross, schob er nach: "Unsere Buben waren dran an den Bayern, haben sie richtig gefordert - ich bin deshalb stolz auf unsere Truppe."

Und wenn das schon die Bayern-Bosse nicht so recht machen wollten, lobte Meijer auch noch den einen oder anderen Spieler aus dem Süden. "Wir hatten eben Pech, dass der Thomas Kraft heute so sensationell hält und die Bayern im Sturm so eine hohe Qualität haben."

Ein Stockwerk höher unternahmen die Leute der Alemannia derweil noch einen letzten Versuch, Bayern-Trainer Louis van Gaal aufzumuntern, als sie ihm zum Abschied den zuckersüßen Satz mitgaben: "Wir gönnen den Bayern das Gefühl, dass sie den Tivoli auch mal mit einem Sieg verlassen." Ganz gewiss ein schöner Ehrentreffer für Louis van Gaal.

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