DFB-Niederlage gegen USA:Erst Zauberer, dann Zauderer

Fussball Länderspiel Deutschland USA am 10 06 2015 in der Rhein Energie Arena in Köln Enttäuschun

Zum Haare raufen: in der zweiten Halbzeit spielte die deutsche Mannschaft lustlos und uninspiriert. Einzig Patrick Herrmann (links) überzeugte.

(Foto: imago/Thomas Frey)
  • Harmlos und lustlos spielte die DFB-Elf am Ende. Joachim Löw muss den Stil der Nationalmannschaft weiterentwickeln.
  • Helfen kann ihm dabei die Überraschung der USA-Partie: Patrick Herrmann.
  • Zum Ergebnis und Schema der Partie geht es hier.

Von Sebastian Fischer, Köln

Er hatte die wichtigste Aufgabe des Abends, sie zehrte an ihm. Er lief über den Rasen im Kölner Stadion, völlig erschöpft, keuchte, und irgendwann hatte er es geschafft. Der Junge, von dem hier die Rede ist, führte die Kolonne der Fahnenträger an, mit einem Sprint ins Stadion. Jetzt entrollten sie ihre Flaggen, die deutsche, die amerikanische und eine, auf der in fetten Lettern "Die Mannschaft" geschrieben stand. Dass es dem Deutschen Fußball-Bund eigentlich ausschließlich um Werbung für die eigene Marke ging am Mittwochabend, das war spätestens nach der Begrüßungschoreographie klar.

90 Minuten später winkte Mesut Özil ab. An der Leistung des Mittelfeldspielers vom FC Arsenal war der Spielverlauf der deutschen Niederlage gegen die USA abzulesen. Özil spielte eine Halbzeit lang wie ein inspirierter Zauberer, schickte Pässe in Gassen, die sich ehrfurchtsvoll öffneten, und ließ den Ball zwischen seinen Füßen tanzen. Die andere Halbzeit spielte er wie ein genervter Zauderer.

Die deutsche Mannschaft wirkte mit zunehmender Spieldauer immer müder und lustloser, bis kurz vor Schluss der Zweitliga-Fußballer Bobby Wood zum 2:1-Endstand für die Gäste traf. Özil winkte also ab, als hinter ihm die Amerikaner ihren Überraschungserfolg zu feiern begannen. Eine wegwerfende Geste, als wollte er sagen: Das habt ihr jetzt davon, dass ihr uns für sowas aus dem Urlaub holt.

Was der Fußball-Weltmeister im Jahr zwischen zwei Turnieren wirklich hatte von diesem Spiel zwischen zwei Saisons, was der sportliche Erkenntnisgewinn dieses Abends sein sollte, das war am späteren Abend noch die Frage. Es war durchaus überraschend, dass Joachim Löw auf diese Frage eine wichtige Antwort fand.

Die offensichtlichen Gründe für die Niederlage in einem Spiel mitten im Urlaub hatte der Bundestrainer schnell abgehandelt ("Manchmal fehlt mir bei manchen Spielern so'n bisschen au ich sag jetzt mal: Geilheit"). Länger sprach er dann über die tieferen Wahrheiten, die er aus der Begegnung ableiten konnte: darüber, wie sich seine Elf verändern muss. Dass sie sich gerade verändert, und dabei auch mal etwas schief gehen darf, das hatte ja das Spiel recht eindrücklich gezeigt.

Zum Beispiel mit der Aufstellung einer international kaum erfahrenen Abwehrreihe, die so noch nie zusammengespielt hat, die am Ende nicht nur kraftlos, sondern auch etwas naiv verteidigte, und die wohl kaum wieder zusammenspielen wird. "Die Jungen" - Rudy, Rüdiger, Mustafi, Hector - "müssen lernen", sagte Löw. Er gab zu: "Wir waren nicht immer Herr der Lage."

Das Umschalten und Kontern verloren

Doch nicht bloß die zu verschmerzende Niederlage gegen die USA ist Beleg des Wandels, in dem sich die DFB-Elf befindet. Sondern die Bilanz der gesamten Länderspielsaison, die am Samstag mit dem Europameisterschafts-Qualifikationsspiel gegen Gibraltar endet: von acht ernstzunehmenden Spielen, zwei gegen chancenlose Gibraltarer ausgenommen, hat Deutschland nur drei gewonnen.

Ähnlich wie der FC Barcelona seine Spielweise neu erfinden, vom sturen Tiki-Taka Abstand nehmen musste, um in diesem Jahr die Champions League zu gewinnen, muss auch die Nationalmannschaft ihren Stil weiterentwickeln. Also sprach Löw die unbequeme Wahrheit aus: "Wir sind eine Ballbesitzmannschaft geworden." Denn so gut ihm das gefällt, so erfolgreich dieses Rezept bei der WM in Brasilien war, so sehr herausragenden Technikern wie Özil oder Mario Götze diese Art von Fußball liegt: "Was wir verloren haben, war das blitzartige Umschalten, Konter zu fahren, die Bereitschaft, in die Tiefe zu gehen."

Löw hat für manche unverständlich lange gezögert, den Bundesligaspieler zu nominieren, der in der abgelaufenen Saison wohl so oft in die Tiefe gesprintet ist und so viele Konter gefahren hat wie kein anderer. Am Mittwoch durfte Patrick Herrmann dann endlich beweisen, dass er dazugehört. Hinterher war er der einzige Deutsche, der beim Gang durch die Katakomben ständig grinste. "Alles Weltklassefußballer hier", sagte er ehrfurchtsvoll und wirkte wie ein Teenager, der einen Abend mit der Nationalmannschaft bei einem Preisausschreiben gewonnen hatte. Doch auf dem Platz war der Gladbacher in der guten ersten Halbzeit der beste Spieler seines Teams gewesen, seine Vorlage zu Götzes 1:0 nach Dribbling an drei Amerikanern vorbei war der Beweis. "Mit Patrick Herrmann war ich sehr zufrieden", sagte Löw.

Herrmann und der spät eingewechselte Karim Bellarabi sind Spieler für den mit eingestreuten Kontern modifizierten Ballbesitzfußball, wie Löw ihn sich in Zukunft vorstellt, wie er ihn entwickeln muss, bevor im kommenden Jahr die EM beginnt. Schürrle, Götze und Özil können solche Spieler wieder werden, wenn man es von ihnen fordert. Der Kölner Lukas Podolski, das war vielleicht die traurigste Erkenntnis des Abends, wird es wohl nicht mehr. Das zeigte seine Leistung beim Heimspiel in Köln.

Allerdings, das sagte Löw zwar nicht, aber er meinte es doch: Die Betrachter sollten es dann auch nicht übertreiben mit ihren Schlüssen. Für das Spiel in Faro gegen Gibraltar nehme er "eigentlich relativ wenig" mit, sagte er. Sprach es, und ließ, bevor er verschwand, noch ein paar Fotos mit den schwarz-rot-gelb bemalten Fans schießen, die sich vorher an der Scheibe die Nase platt gedrückt hatten. Er wusste ja, was dem DFB an diesem Abend wichtig war.

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