DFB-Niederlage gegen Argentinien:Abschied von Rio

Germany v Argentina - International Friendly

Sergio Agüero (re.): Erster Torschütze gegen den Weltmeister

(Foto: Bongarts/Getty Images)

52 Tage nach dem WM-Finale beendet das Wiedersehen mit Finalgegner Argentinien den deutschen Weltmeister-Rausch. André Schürrle und Mario Götze erzielen bei der 2:4-Niederlage die späten Anschlusstreffer - Rückkehrer Mario Gomez vergibt beste Gelegenheiten.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Rheinufer statt Copacabana, Altbier statt Caipirinha, Schunkellieder statt Samba. Die Rückkehr in den Alltag nach dem Rausch von Brasilien hätte trister kaum ausfallen können. Am Mittwochabend beendete die Nationalelf 52 Tage nach dem WM-Triumph von Rio exakt 9576 Kilometer nordöstlich in Düsseldorf ihre euphorische Phase. Kurioserweise hatte man lange vor der WM für dieses erste Spiel danach eine Partie mit jenen Argentiniern ausgemacht, die man am 13. Juli im Endspiel von Rio mit 1:0 besiegte.

"Das ist keine Revanche!", hatte der Bundestrainer Joachim Löw in den vergangenen Tagen betont - aber für die Gäste aus Südamerika war sie genau das dann halt doch ein bisschen. Die Argentinier führten die Partie beim Weltmeister jedenfalls leidenschaftlich und gewannen völlig verdient 4:2 (2:0).

"Eigentlich kann ich der Mannschaft keinen Vorwurf machen, so hat sie noch nie zusammen gespielt", sagte Bundestrainer Löw anschließend gnädig.

"Einige Spieler sind nicht in der Form." Von den 14 deutschen Spielern, die im WM-Finale aktiv mitgewirkt hatten, waren in Düsseldorf gleich sechs spielunfähig respektive spielunwillig. Außer den drei Ruheständlern Philipp Lahm, Per Mertesacker und Miroslav Klose schauten wegen Verletzung Jérôme Boateng (Knieschmerzen), Bastian Schweinsteiger (Sehnenreizung) und Mesut Özil (Knöchelprobleme) bloß zu. Auch Sami Khedira, in Rio beim Aufwärmen ausgefallen, musste die neuerliche Verabredung mit Argentinien wegen eines Muskelbündelrisses absagen. Mats Hummels, zuletzt ebenfalls angeschlagen, saß auf der Bank.

Marco Reus darf gestalten

Doch nicht nur dieser Sechs wegen bot Bundestrainer Joachim Löw eine stark veränderte Formation auf und brachte in Manuel Neuer, Benedikt Höwedes, Toni Kroos und Christoph Kramer zu Beginn nur vier Spieler aus der Startelf von Rio. Neu in der Viererabwehr standen diesmal die drei Dortmunder Kevin Großkreutz, Mattias Ginter und Erik Durm. Im Mittelfeld brachte Löw auf den Flügeln André Schürrle (rechts) und Julian Draxler (links) sowie in der Spitze den zur WM nicht berücksichtigten Mario Gomez.

Zentrale Gestaltungsaufgaben durfte Marco Reus übernehmen. Der Dortmunder erfüllte damit die geradezu tragische Konstellation, im letzten Testspiel vor der WM in Mainz und im ersten danach in Düsseldorf mitgespielt, den zwischenzeitlichen brasilianischen Triumphzug wegen gerissener Bänder im Fuß aber versäumt zu haben. "Die WM zu verpassen und den Titel", hatte Reus gesagt, "das hat doppelt wehgetan." Aus Pragmatismus verkneift er sich ab sofort allerdings weitere Wehmut.

Letztere Haltung war auch den argentinischen Fußballern anzumerken. Der neue Nationaltrainer Gerardo Martino half ihnen dabei, indem er gesagt hatte: "Ich allein habe nun die Last dieses Landes zu tragen." In Düsseldorf bot er zu Beginn acht Final-Mitwirkende von Rio auf.

Di María demütigt früh

Das Düsseldorfer Publikum vermisste vor allem Superstar Lionel Messi, den die Adduktoren zwicken. Den Argentiniern selbst aber war Messis Absenz ziemlich egal. Der neu in die Elf gerückte Außenstürmer Ángel di María demütigte nämlich gleich in der 20. Minute zum ersten Mal den Weltmeister samt seiner Ruhrgebiets-Innenverteidigung (Ginter aus Dortmund, Höwedes aus Schalke) mit einer lässig dahingeschlenzten Außenrist-Flanke, die der Stürmer Sergio Agüero unbehelligt ins Gehäuse des Welttorhüters Neuer drückte.

Eine solch treffliche Chancenverwertung hätten sich die Argentinier 52 Tage früher gewünscht. Ihren damaligen glücklosen Part übernahm in Düsseldorf für Deutschland der Stürmer Gomez, dem in der ersten Halbzeit drei sehr erhebliche Chancen missrieten. Nachher klang der Stürmer so, als habe ein anderer die Gelegenheiten ausgelassen: "Man darf keine Sekunde unwach sein, wir haben drei große Chancen und machen kein Tor", sagte. Vielleicht stand er auf dem Feld ja neben sich. Fünf Minuten vor der Pause wurde langsam augenfällig, dass die Südamerikaner das scheinbar so belanglose Lustspiel doch ganz gerne zur mentalen Rehabilitation hernahmen. Rechtsverteidiger Pablo Zabaleta jagte in der 40. Minute mit einem Steilpass entlang der rechten Linie erneut Di María nach vorne, der mit seiner Flanke diesmal den neu in die Elf gerückten Erik Lamela erreichte. Lamela setzte den Ball volley unter die Latte des deutschen Tors.

Da verstummte das zuvor weltmeisterlich lärmende Publikum erstmals in Ehrfurcht. Und auch die triumphalen Töne aus den Lautsprechern, mit denen die Deutschen nach der Pause zurück aufs Feld begleitet wurden, halfen nicht zur Wende. Im Gegenteil. Keine zwei Minuten waren gespielt, da musste der eingewechselte Torwart Roman Weidenfeller schon den Ball aus dem Tor holen. Federico Fernandez hatte in der einen Freistoß per Kopf ins deutsche Tor gesetzt, den - natürlich - Di María getreten hatte. Und nur drei Minuten später brachte Di María schon wieder einen Ball in den Strafraum, den ausnahmsweise nicht mal mehr ein Kollege verwerten musste. Diesmal lupfte der überragende Spieler von Manchester United, im WM- Finale verletzt, die Kugel über Weidenfeller hinweg direkt zum 4:0 ins Tor (50.). Nun pfiffen Teile des Publikums bereits.

Von der akuten Furcht vor einer Demütigung plötzlich berührt, linderte Schürrle die Beschwerden des Weltmeisters alsbald ein bisschen, indem er in der 52. Minute das 1:4 markierte. Mit den eingewechselten Thomas Müller und Mario Götze übernahm das deutsche Team fortan die Spielgestaltung. Reus traf in der 77. Minute nur den Pfosten. Götze verkürzte eine Minute später auf 2:4.

Immerhin.

Nach dem Spiel brachte der früh für Draxler eingewechselte Lukas Podolski auf den Punkt, was offenbar viele dachten: "Das wichtigere Spiel ist das am Sonntag gegen Schottland." Joachim Löw bestätigte: "Am Sonntag geht es für uns los." Und für diese Partie hat er offenbar wichtige Erkenntnisse gewonnen. Er verriet so viel: "Ich muss den ein oder anderen Spieler nachnominieren. Ich glaube, dass Mats Hummels nicht ganz fit wird, Jérôme Boateng ja."

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