DFB-Neuling Shkodran Mustafi:Robuster Verteidiger mit taktischer Raffinesse

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Teschnisch beschlagen: Abwehrspieler Shkodran Mustafi (Foto: dpa)

In der Bundesliga hat er nie gespielt. Und dennoch nominiert der Bundestrainer Shkodran Mustafi nicht nur für die WM nach, sondern schickt ihn im ersten Spiel gleich aufs Feld. Dem 22-Jährigen geht das selbst alles ein bisschen zu schnell.

Von Thomas Hummel, Salvador

Historisch gesehen drängt sich eine Frage rund um Shkodran Mustafi auf: Ist er mehr ein Däne, oder eher ein Huth?

Mustafi hat mit den Dänen gemein, dass er mehr oder minder direkt aus dem Urlaub zu einem Fußballturnier abgezogen wurde. 1992 waren die Dynamit-Dänen verspätet zur EM gereist und gewannen anschließend das ganze Spektakel. Vor knapp zwei Wochen bereitete sich der 22-jährige Mustafi auf einen Ibiza-Urlaub mit Kumpels vor, als das Telefon klingelte. Joachim Löw war dran und wies ihn an, wegen der Verletzung von Marco Reus noch am selben Tag nach Frankfurt zu kommen, wo am Abend der DFB-Tross nach Brasilien fliegen würde.

Die Geschichte, dass Mustafi in diesem Moment in einer Auto-Werkstatt in der nordhessischen Stadt Bebra stand, hat sich herumgesprochen. Er brachte den Wagen zu seinen Eltern, packte die Sachen und folgte dem Ruf des Bundestrainers. Hoffnung auf einen Einsatz? Eher gering.

Da kommt nun Robert Huth ins Spiel. Die beiden deutschen Abwehrspieler haben gemein, dass sie früh in ihrer Karriere ins Ausland gingen. Schon im Jugendalter wechselten sie nach England, Robert Huth spielt heute noch dort, Mustafi heuerte bald bei Sampdoria Genua an. Was beide zu einer besonders seltenen Spezies werden lässt: Sie sind zwei von nur fünf deutschen Fußballern, die ein WM-Spiel für den DFB bestritten, ohne vorher ein Bundesliga-Spiel absolviert zu haben.

Denn Shkodran Mustafi ist nicht nur nachnominiert worden. Er stand beim ersten Gruppenspiel in Salvador da Bahia sogleich auf dem Platz. Als nach 73 Minuten gegen Portugal Mats Hummels vom Platz humpelte, rief ihn Löw herbei und versah ihn mit dem Auftrag, die rechte Abwehrseite zu schützen. Jérôme Boateng rückte in die Mitte. Er erfüllte des Trainers Wunsch mit Vernunft und Klasse, Portugiesen ließ er nicht passieren. Nicht einmal Cristiano Ronaldo, wobei der in der Schlussphase mehr beleidigt als motiviert mitspielte.

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Nach dem Duschen stand ein glücklicher und sehr freundlicher WM-Neuling im Keller der Arena Fonte Nova: "Vor einer Woche war ich noch fast auf dem Weg in den Urlaub und jetzt habe ich mein erstes WM-Spiel hinter mir. Das muss man erst einmal verdauen", erklärte er. Für ihn sei gerade ein Traum in Erfüllung gegangen. Ein Traum, der am Samstag gegen Ghana eine Fortsetzung erfahren könnte. Die neuesten Meldungen um Mats Hummels lassen darauf schließen, dass die Muskelverletzung bis dahin eher nicht ausgestanden ist. Demnach würde Boateng wieder zum Innenverteidiger und die Position rechts hinten wäre vakant.

Entscheidet sich das deutsche Trainerteam gegen die Afrikaner nicht für die offensive Variante Kevin Großkreutz, dürfte Mustafi zu seinem zweiten Einsatz kommen.

Als er im März zum Testspiel gegen Chile zum ersten Mal nominiert worden war, hatten sich selbst intensive Beobachter der Szene erstaunt angesehen. Shkodran wer? Aus Bebra war Mustafi bereits mit 14 Jahren ins Internat des Hamburger SV umgezogen, das er drei Jahre später in Richtung FC Everton verließ. 2012 folgte der Wechsel nach Genua, wo er mit Sampdoria erst den Aufstieg in die Serie A schaffte, um sich dann in der Abwehr als feste Kraft zu etablieren. Er durchlief indes alle Jugend-Nationalmannschaften des DFB, der Verband hatte ihn nicht vergessen.

Mustafi spricht nun davon, dass er ob seiner Abenteuer früher gereift sei als andere in seinem Alter. Dass er in England das robuste Spiel und in Italien die taktischen Feinheiten gelernt habe. Der Sohn albanischer Eltern spricht inzwischen vier Sprachen und dürfte mit den ungewohnten Verhältnissen in Brasiliens Nordosten gut klarkommen.

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In dem seltsamen Testkick gegen Polen in Hamburg, als alle Spieler aus München, Dortmund, London und Madrid fehlten, machte er sein erstes Länderspiel. Die deutschen Fans lernten einen Spieler kennen, der mit Übersicht verteidigt und das eigene Spiel eröffnet, der aber auch einige Fehlpässe bot. Als er später als einer von drei Streichkandidaten aus dem Trainingslager in Südtirol abreisen musste, war das keine Überraschung. Schon eher seine Rückkehr, hatten doch viele nach der Verletzung des Offensivmannes Reus mit Kevin Volland gerechnet.

Da die Trainer allerdings ihren Abwehrplan radikal umstellten, gerät Mustafi plötzlich in den Fokus. Löw hat sich zumindest für das erste WM-Spiel von offensiven Außenverteidigern verabschiedet, hat zur Absicherung des eigenen Tores auch auf Außen gelernte Innenverteidiger aufgeboten. Das ging gegen Portugal hervorragend auf. Angesichts dessen, dass Favoriten wie Brasilien, Argentinien oder die Niederlande erheblichen Wert auf eine robuste Abwehr legen, könnte sich das zum Trend der WM auswachsen - für Mustafi eine gute Nachricht.

Mats Hummels wirkte wenig überrascht vom Auftritt des Kollegen: "Das passiert ja häufiger, dass jemand kommt, mit dem man nicht gerechnet hat", sagte er. Um anzukündigen: "Und der dann vielleicht sogar ein Finale entscheidet." Womit aus dem hessischen Kind albanischer Einwanderer aus Italien endgültig ein Däne werden würde.

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