DFB-Krisentreffen:Klinsmanns Klimagipfel

Der wichtigste Tagesordnungspunkt auf dem Fußball-Krisentreffen war, ein neues Klima zu beschließen. Acht Monate vor der WM wird der ehemalige Mittelstürmer Klinsmann wohl lernen müssen, dass Fußball ein Mannschaftssport ist.

Christof Kneer

Manchmal sind es die kleinen Nachrichten, in denen sich das große Ganze versteckt. So berichtete die Nachrichtenagentur AP am Dienstag von einer Umfrage, wonach 57 Prozent aller Deutschen Jürgen Klinsmann für den richtigen Bundestrainer halten.

Wenig später aber machte der Sport-Informations-Dienst öffentlich, dass der Trainer Bernd Schuster Interesse an der Position des deutschen Bundestrainers bekundet habe. Noch etwas später hielt es die Deutsche Presse-Agentur für meldenswert, dass der Manager Uli Hoeneß den "Krisengipfel um die deutsche Fußball-Nationalelf vorzeitig verlassen" habe.

Es ist selten ein gutes Zeichen, wenn solche Marginalien plötzlich in den Nachrichtenstand erhoben werden, es ist dann meistens Gefahr im Verzug. In der Tat war es eine Art Eskalationsvermeidungstreffen, das gestern in Frankfurt stattgefunden hat; der in Kalifornien lebende und eigens eingeflogene Bundestrainer Klinsmann und die aus allen Winkeln der Republik angereisten führenden Vertreter der Bundesligaklubs einigten sich dann am Ende auf...ja worauf eigentlich?

Die Wohnsitz- und die Fitnessfrage

Es zählt zu den Eigenheiten dieser bizarren Bundestrainer-Debatte, dass sie nicht mit einfachen Beschlüssen abzuschließen ist. Nach den jüngsten Länderspiel-Pleiten hatten sich so viele atmosphärische Störungen angestaut, dass dieses Treffen zu einem Klimagipfel geworden ist - wichtigster Tagesordnungspunkt war, ein neues Klima zu beschließen. Es galt, eine Eiszeit in ein überwiegend heiter umzudeuten.

Von "einer sehr emotionalen Diskussion", also einem reinigenden Gewitter, berichtete Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef des FCBayern, und die Wucht der Debatte gipfelte am Ende in der Neuordnung der Kommunikationsstrukturen und der Gründung eines Arbeitskreises. Das klingt harmlos, bedeutet aber, dass Klinsmann sich künftig mit einem Gremium konfrontiert sieht, in dem auch sein schärfster Kritiker, Bayern-Manager Uli Hoeneß, sitzen wird.

Es ist in der Tat einiges schief gelaufen zuletzt, und wer diese ausufernde Debatte verstehen will, muss sich auf die Kernfragen konzentrieren: die Wohnsitz- und die Fitnessfrage. Der Liga gefällt es nicht, dass der Bundestrainer seine Radikalreformen von Kalifornien aus in Auftrag gibt.

Dabei ging es in Wahrheit nie um seinen Wohnsitz, eher um seine Präsenz; also vor allem darum, wie oft er in Deutschlands Bundesligastadien zu sehen ist. Schließlich verfügt er über keine eingespielte Mannschaft - er muss das Spielerpuzzle erst noch zusammenfügen.

Eine Mannschaft, kein Projekt

Und die mächtige Liga möchte schon gerne mitgenommen werden auf dem Weg zu der mit Erwartungen schon heute überfrachteten WM 2006. Vieles spricht ja dafür, dass Klinsmann Recht hat mit seiner Fundamentalkritik am Fitnesszustand vieler deutscher Nationalspieler. Verständlich ist aber auch, dass sich die Ligatrainer durch Pauschalvorwürfe aus Übersee in ihrer Berufsehre gekränkt fühlen.

Es hat einen gewissen Charme, dass Klinsmann sich als Projektleiter versteht, aber das Problem ist wohl, dass er sein Projekt am liebsten von allen Zwängen abkoppeln würde. So ist die Nationalelf zuletzt immer mehr ein Insidergeschäft von Jürgen Klinsmann geworden. Acht Monate vor der WM wird der ehemalige Mittelstürmer nun wohl lernen müssen, dass Fußball ein Mannschaftssport ist.

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