DFB-Gegner:Slowakei bricht in die Fußball-Moderne auf

Marek Hamsik

Marek Hamsik vom SSC Neapel ist einer der wichtigsten Spieler in der slowakischen Nationalmannschaft.

(Foto: dpa)
  • Die deutsche Nationalmannschaft trifft im ersten Vorbereitungsspiel auf die Europameisterschaft in Frankreich auf die Slowakei.
  • Der Ex-Hoffenheimer Tomislav Maric kennt den slowakischen Fußball von seinem Engagement bei Dunajska Streda.
  • Er weiß, dass der slowakische Fußball erst noch in der Moderne ankommen muss.

Von Benedikt Warmbrunn

Tomislav Maric hat in seiner Karriere schon einiges erlebt, die Perspektive, aus der er den Fußballbetrieb noch nicht gesehen hat, muss wohl erst noch gefunden werden. Er war Stürmer, zum Ende seiner Karriere entwickelte er dabei eine Vorliebe für exotische Klubs (Urawa Red Diamonds in Japan sowie den damaligen Drittligisten TSG Hoffenheim). Er war Co-Trainer in Hoffenheim. Er war Scout und Assistenztrainer beim VfB Stuttgart, wo sie ja viel zu lange die Perspektive pflegten, dass sie selbst schon ganz genau wissen, wie das läuft. Den Fußballbranchenkenner Maric konnte also nicht mehr viel überraschen. Dann wechselte er in die Slowakei.

"Ich war Scout, Videoanalyst, Psychologe, Manager - und Trainer"

Als Maric im Januar 2015 zu Dunajska Streda kam, wusste auch er nicht, worauf er sich einlassen würde. Er wusste nur, dass er sich erneut ein exotisches Projekt ausgesucht hatte. Er ahnte, dass der Klub nicht ganz so professionell aufgestellt sein würde wie die TSG Hoffenheim, vielleicht nicht einmal so professionell wie der VfB Stuttgart.

Aber er ahnte nicht, dass er in ein Entwicklungsland des Fußballs gehen würde. Ein Land, in dem Maric sofort die Begeisterung der Menschen für das Spiel spürte, in dem die Menschen über alles reden wollen. Nur im Verein fehlten ihm Ansprechpartner, die in Deutschland und dem Rest der entwickelten Fußballwelt zum Standardpersonal gehören. "Ich war Scout, Videoanalyst, Psychologe, Manager - und Trainer war ich eben irgendwie auch noch", sagt Maric.

TSG Hoffenheim Training Session

Tomislav Maric war als Spieler und Trainer lange in Deutschland aktiv, zum Beispiel als Stürmer des damaligen Drittligisten TSG Hoffenheim.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty)

Dunajska Streda, erzählt der 43-Jährige, sei vom Anspruch und den Ambitionen her zu vergleichen mit Hoffenheim, ein Verein also, der viele nationale Talente an sich bindet, der für gute infrastrukturelle Bedingungen sorgen will. Allerdings steht der Verein wie auch das Land erst ganz am Anfang eines Aufbruchs. Maric zum Beispiel kam bei einem Verein an, der einst zweimal Werner Lorant beschäftigt hatte. Und der in vielen Punkten noch in den Zeiten des Werner-Lorant-Fußballs hängen geblieben war - so wie große Teile der gesamten Fußballnation. Und so kam Maric auch als ein Missionar der Moderne.

Maric ist über träge Entwicklung schockiert

Eine seiner ersten Maßnahmen war es, den Funktionären zu erklären, dass eine medizinische Abteilung mindestens so wichtig sei wie das Trainerteam - dass es sehr wohl entscheidend sei, ob ein Spieler drei Tage ausfällt oder eben doch zwei Wochen. Nach langen Diskussionen stellte der Verein einen Physiotherapeuten an. Bei Spielen, zu denen das Team weniger als zwei Stunden Fahrtzeit für die Anreise benötigte, mussten die Spieler direkt ins Stadion fahren, auch wenn sie dann beim Anpfiff müde Beine hatten.

Selbst nach langen Diskussionen wollten die Vereinsbosse keinen Hotelaufenthalt zahlen. Bis vor Kurzem sammelte Maric seine Mannschaft zudem vor jedem Training mit einem Kleinbus ein, dann ging es zu einem Rasenplatz in der Nähe, dorthin, wo eben gerade frei war; inzwischen hat der Klub drei Rasenplätze und, eine Besonderheit in der Slowakei, einen Kunstrasenplatz.

Dennoch war Maric schockiert, wie träge sich die Dinge entwickelten, nicht nur in seinem Klub. "Die Leute, die im slowakischen Fußball Verantwortung haben, haben oft Angst vor Veränderung", sagt Maric. Er hat oft gespürt, wie skeptisch die Funktionäre Neuerungen gegenüber waren, dass sie lieber weiter in ihren einfach gestrickten, dafür aber vertrauten Strukturen denken wollten. Nachdem er das Team, dass er in Abstiegsgefahr übernommen hatte, in dieser Saison auf einen sicheren Mittelfeldplatz geführt hat, ist er daher zurückgetreten. Es reichte ihm mit den langen Diskussionen über Dinge, die er für Selbstverständlichkeiten hält. Er spürte, dass er ein Missionar war, dem die entscheidenden Anhänger fehlten.

Kader ist Ausdruck des Niveaus der slowakischen Liga

Bei der EM traut er der Slowakei dennoch eine gute Rolle zu, im Kader stehen zahlreiche international erfahrene Profis, allen voran Marek Hamsik vom SSC Neapel. Doch der Kader ist auch Ausdruck der Stärke der slowakischen Liga, nur fünf Spieler spielen in der Heimat, darunter Robert Vittek, der einst für den 1. FC Nürnberg stürmte und inzwischen 34 Jahre alt ist.

Dennoch, glaubt Maric, wird die Fußballnation langfristig von dieser Generation profitieren. "Viele Spieler werden aus dem Ausland zurück in die Slowakei kommen, und sie werden dafür sorgen, dass die Strukturen professioneller werden." Dann, ist er sich sicher, wird das Land nicht mehr lange nur eines sein, dass sich für Fußball begeistert. Sondern auch eines, das in der Moderne ankommen wird. Vielleicht kehrt dann auch er wieder zurück, Maric schließt das nicht aus. Er mag ja schließlich die etwas exotischeren Projekte.

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