DFB-Gegner:Italien sucht den neuen Balotelli

DFB-Gegner: Torjubel gegen Spanien: Lorenzo Insigne (links) und Federico Bernadeschi.

Torjubel gegen Spanien: Lorenzo Insigne (links) und Federico Bernadeschi.

(Foto: AP)

Nationalcoach Conte braucht einen Angst einflößenden Stürmer für die Europameisterschaft - er hat nur keinen.

Von Martin Schneider

Na klar, Luca Toni spielt noch. Mittlerweile kickt er bei Hellas Verona, aktuell Letzter der Serie A und das sind eigentlich keine guten Bedingungen für einen Stürmer. Mit mittlerweile 38 Jahren ist er sogar noch ein Jahr älter als das Altersphänomen Claudio Pizarro aus der Bundesliga. Und ja, Luca Toni schraubt immer noch am Ohr. Fünf Saisontore hat er, je eins gegen den AC Mailand und Lazio Rom. Auf Youtube gibt es ein Video seiner Tore, jemand hat es mit "Forever Young" hinterlegt.

Für die italienische Nationalmannschaft ist Luca Toni trotzdem kein Thema mehr. Einer muss ja die Tore schießen, aber diese Spieler heißen nun nicht mehr Toni, sondern Zaza, Éder, Pellè oder Okaka. Manche dieser neuen italienischen Offensivkräfte, die Italiens Nationaltrainer Antonio Conte für das Kräftemessen gegen Deutschland nominiert hat, sind noch nicht mal jung, sondern an die 30 Jahre alt. Was kann dieser italienische Sturm?

Einst fertigte Balotelli Deutschland alleine ab

Italien ist natürlich das Land des Catenaccio, des Abwehrriegels, aber die Azzuri hatten über Jahrzehnte auch ganz wunderbare Stürmer hervorgebracht, denn mit einem 0:0 kann man halt auch nicht gewinnen. Roberto Baggio, Alessandro del Piero, Christian Vieri oder Filippo Inzaghi sind ja nur die aktuellsten Namen der langen und ruhmreichen italienischen Stürmer-Historie. Bayern-Fans etwa müssten am Ende dieser Aufzählung immer noch kurz zusammenzucken.

2006 wurde Italien mit einem Luca Toni Weltmeister und beim letzten Finale, bei der EM 2012 stand auch noch ein gewisser Mario Balotelli im Kader. Der schoss Deutschland bekanntlich im Halbfinale alleine ab, lieferte ein ikonisches Foto ohne Trikot und verabschiedete sich dann von der internationalen Bühne, weil sein abnormes fußballerisches Talent mit dem Charakter eines Frühpubertierenden zusammenkam.

Nun ist Balotelli keine Option mehr. Ciro Immobile ist der letzte halbwegs prominente Name, er war ja mit 22 Toren vor zwei Jahren Torschützenkönig der Serie A. Aber nach seinem unglücklichen Ausflug nach Dortmund ("Die Deutschen sind kalt. Niemand hat mich zum Essen eingeladen.") ist er nun über Sevilla wieder in Italien beim FC Turin gelandet und muss erst wieder beweisen, dass er an seine alte Form herankommt.

Wenn man die verbleibende Offensiv-Reihe der Italiener dann mal durchgeht, landet man etwa bei Antonio Candreva, Rechtsaußen bei Lazio Rom und nicht nur deshalb auffällig, weil im Verein die Rückennummer 87 trägt. Candreva ist ein Dribbler, wendig, schnell, dreht sich gerne um die eigene Achse. Dabei ist er mit seinen 1,81 Metern trotzdem erstaunlich robust gebaut. Sein Lieblingstrick: Mit Tempo auf den Gegenspieler zu, den Ball rechts vorbeilegen und links vorbeilaufen. Vom Potenzial ist er vielleicht die beste Offensiv-Option von Conte. Sein Nachteil ist seine Torquote. In 36 Länderspielen hat er ganze drei Treffer erzielt.

Contes Probleme im Sturmzentrum

Candrevas Pendant auf der linken Seite ist Lorenzo Isigne vom SSC Neapel. Er ist auch ein Techniker, aber mit 1,63 Metern sehr viel kleiner als Candreva. Wo der Römer durchbrechen kann, muss Insigne drumherum spielen, allerdings ist er dabei kaum weniger erfolgreich. Und Insigne ist torgefährlicher. Mit elf Saisontoren ist er zweitbester italienischer Schütze der Serie A, er traf auch beim 1:1 im Test gegen Spanien am vergangenen Donnerstag.

Auf den Außenpositionen hat Conte mit diesen zwei Optionen und dem talentierten Federico Bernadeschi vom AC Florenz weniger Probleme als im Sturmzentrum. Dort könnte gegen Deutschland Simone Zaza beginnen. Zaza ist auf dem Papier Mittelstürmer bei Juventus Turin, kommt dort aber nicht an Mario Mandzukic und Alvaro Morata vorbei. Als er in der Liga gegen den FC Genua mal vergleichsweise früh im Spiel eingewechselt wurde, grätschte er einen Gegenspieler in einer ungefährlichen Situation mit gestrecktem Bein von hinten um - Rot. Saisontore: vier.

El Shaarawy, der Pharao

Neben Zaza könnte Stephan El Shaarawy seine Chance bekommen, nachdem ihn Conte gegen Spanien 90 Minuten lang auf der Bank ließ. El Shaarawy nennen sie "Den Pharao", weil sein Vater Ägypter ist und weil Selbstbewusstsein offenbar keins seiner Probleme ist. Gennaro Gattuso sei mal wütend auf ihn gewesen, weil er sich in der Kabine die Augenbrauen trimmte, erzählte Shaarawy in einem Interview. Beim AC Mailand galt er als Riesen-Talent, nach einem Ausflug auf Leihbasis zu Monaco, wo sie ihn nicht verpflichten wollten, ist er nun beim AS Rom gelandet. Dort immerhin spielt und trifft er wieder.

Éder, ein eingebürgerter 29-jähriger Brasilianer, kompakte Statur (1,78 Meter) und bei Inter Mailand mit 15 Toren bester italienischer Stürmer der Serie A, hat seine Chance von Beginn an schon gegen Spanien bekommen, ebenso wie Graziano Pellè (30 Jahre alt, FC Southampton). Übrig bleibt im großen Kader von Antonio Conte (27 Spieler für zwei Testspiele) noch Stefano Okaka, Mittelstürmer vom RSC Anderlecht und mit 26 Jahren auch kein Talent mit Entwicklungspotenzial mehr.

Die großen Namen sind bei Italien im Sturm nicht mehr da. Aber man muss Antonio Conte lassen, dass er alle verfügbaren Optionen testet. Wäre Joachim Löw genauso experimentierfreudig wie Conte, müsste er noch Alexander Meier, Sandro Wagner und Pierre-Michel Lasogga nachnominieren. Aber im Gegensatz zu seinem italienischen Kollegen hat er ja einen Mario Gomez. Und Conte würde wahrscheinlich auch nicht so viele Stürmer ausprobieren, wenn er noch Baggio, del Piero, Vieri oder Inzaghi hätte.

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