DFB-Affäre:Niersbach ist umstrittener denn je

1. FSV Mainz 05 v VfL Wolfsburg - Bundesliga

Wolfgang Niersbach beim Bundesligaspiel Mainz gegen Wolfsburg am vergangenen Samstag

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Zwei wichtige Gremien des DFB tagen wegen der Affäre um die WM-Vergabe: das Präsidium und die Chefs aller Landesverbände.
  • Ein Hauptthema wird die Frage nach Wolfgang Niersbachs Wissensstand bezüglich der Überweisung an die Fifa sein.
  • Frühere Aussagen des DFB-Präsidenten zu der Affäre scheinen nicht korrekt zu sein.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Wolfgang Niersbach hat sich zur Ablenkung das Terrain gewählt, auf dem er sich am wohlsten fühlt: das Fußballstadion. Am Samstag hat sich der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) beim Bundesliga-Spiel zwischen Mainz und dem VfL Wolfsburg (2:0) auf der Tribüne gezeigt, zwischendurch teilte er der ARD mit, dass er selbstverständlich zum Länderspiel der Deutschen in Frankreich am Freitag reisen möchte.

Niersbach geht fest davon aus, dass er im Amt bleibt. Trotz der Steuerermittlungen gegen ihn, trotz der vielen Fragen rund um die Sommermärchen-Affäre und jene ominöse Zahlung von 6,7 Millionen Euro.

An diesem Montag kommen in der Frankfurter Zentrale des DFB zwei wichtige Gremien zusammen. Um 14.30 Uhr tagt das Präsidium, zwei Stunden später ist ein Treffen mit den Chefs aller Landesverbände angesetzt. Niersbach soll sich erklären. Ursprünglich waren beide Termine nur vereinbart worden, damit alle Teilnehmer auf den neuesten Stand kommen können, niemand rechnete mit einer Revolution, die Niersbach aus dem Amt jagt. Aber nun könnte doch eine Dynamik einsetzen.

Das wird besprochen

Einer der Kernpunkte in dieser komplexen Affäre ist die Frage, seit wann Niersbach als Mitglied des WM-Organisationskomitees 2006 (OK) die Umstände jener Überweisungen über 6,7 Millionen Euro kannte. Vor allem: Seit wann wusste er, dass sich hinter einer Transaktion im April 2005 vom DFB auf ein Konto des Fußball-Weltverbandes Fifa kein Beitrag zum WM-Kulturprogramm verbarg, sondern die Rückzahlung eines angeblichen Darlehens des französischen Geschäftsmannes Robert Louis-Dreyfus?

Zum Start der WM-Affäre vor wenigen Wochen lautete Niersbachs Antwort: Sommer 2015. Seit Längerem aber schon scheint klar zu sein, dass diese Auskunft - vorsichtig formuliert - kaum zu halten ist. Niersbachs früherer OK-Kollege Horst R. Schmidt teilte mit, er habe die anderen Mitglieder nach einem Anruf schon im Herbst 2004 "zeitnah" über Dreyfus' Ansprüche informiert. Theo Zwanziger, damals auch im OK, erklärte ebenso, dass Niersbach die Hintergründe schon länger bekannt gewesen seien. Der Spiegel zitierte bereits vor drei Wochen ein Papier von 2004, auf dem Niersbachs Handschrift im Zusammenhang mit dem Darlehen zu lesen sei. Der DFB widersprach der Aussage nicht.

An diesem Wochenende präsentierte das Hamburger Magazin nun das Faksimile des Papiers - und direkt daneben zum Vergleich Niersbachs Schriftzug aus anderen Dokumenten. Die Ähnlichkeit ist frappierend. An der Sache ändert das nicht viel, es ist ein weiterer Hinweis, dass der DFB-Chef wohl die Unwahrheit gesagt hat. Aber den Widerspruch zu Niersbachs Aussagen noch mal in gedruckter Form zu sehen, erzürnt manche im Verband schon.

Sitzung birgt Konfliktpotenzial

Sie halten es nicht mehr für ausgemacht, dass die Sitzungen so ruhig über die Bühne gehen wie ursprünglich gedacht. Andere hingegen nehmen Niersbach in Schutz. "Ich glaube, dass Wolfgang Niersbach der Mann ist, der dem deutschen Fußball so viel durch sein Netzwerk bringt. Wir sollten vorsichtig sein, so gegen diesen Mann zu schießen", sagte am Samstag Harald Strutz, Präsident des FSV Mainz und einer von vier Vertretern der Deutschen Fußball Liga (DFL) im DFB-Präsidium. Wolfsburgs Manager Klaus Allofs ging sogar so weit zu sagen, er lege für Niersbach seine Hand ins Feuer.

Allerdings droht Niersbach und dem DFB noch von anderer Seite Ungemach. Nach dem Aufkommen der Affäre hatte der Verband die Kanzlei Freshfields als externen Aufklärer eingesetzt. Doch an deren Arbeit gibt es Kritik: So kam heraus, dass Freshfields-Frontmann Christian Duve und der Büroleiter von Niersbach bis Sommer gemeinsam im Vorstand des Rotary-Clubs saßen. Ex-Funktionär Zwanziger, der sich in der Affäre ohnehin als Einzelkämpfer gegen den Rest der deutschen Fußballfunktionärswelt sieht, war irritiert über diese Verbindung - auch darüber, dass ihm das vor seinem Gespräch mit Freshfields nicht mitgeteilt worden war.

Nun berichtet der Spiegel, dass Vertreter der Kanzlei früher ausgerechnet für Mohammed bin Hammam tätig gewesen seien, jenen lebenslang gesperrten katarischen Fifa-Funktionär, der im Verdacht steht, 2002 die zehn Millionen Schweizer Franken aus dem Darlehen von Dreyfus erhalten zu haben. Zudem hätten diese Freshfields-Leute später in Katar lukrative Aufträge bekommen. Die Kanzlei teilte auf Anfrage mit, es gebe "kein Mandat" für Bin Hammam, und in Katar keine Mandate, "die einen Interessenkonflikt begründen".

Auch ein Vertrag des früheren OK-Mitgliedes und langjährigen Beckenbauer-Vertrauten Fedor Radmann wirft neue Fragen über das Gebaren der deutschen WM-Macher auf. Nach Recherchen der Bild unterschrieb er 2004 eine Vereinbarung mit dem Rechtevermarkter Infront - der Firma, an der Louis-Dreyfus damals die meisten Anteile hielt. Radmann sei demnach für den Kontakt zu Fußballvereinen und -verbänden zuständig gewesen. Das Unternehmen bestätigte dem Blatt diesen Vertrag, der Radmann mehr als eine halbe Million Euro eingebracht und kurz nach der WM 2006 geendet haben soll.

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