DFB-Frauen:Ermahnung durch Steffi Jones

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Trotz des 2:1 gegen Italien kritisiert die Bundestrainerin die schlechte Chancenverwertung ihrer Spielerinnen. Sollte sich diese nicht verbessern, werde es schwierig mit dem großen EM-Ziel.

Von Anna Dreher, Tilburg

Als fast alle im Stadion sich fragten, wer sich denn nun den Ball nehmen würde, wusste auch Steffi Jones keine Antwort auf diese Frage. Die Trainerin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft stand am Seitenrand und schaute gespannt auf den Platz. Dzsenifer Marozsan, die Spielführerin und Spielmacherin? Sie hätte den Elfmeter im zweiten Gruppenspiel der Europameisterschaft gegen Italien durchaus geschossen. "Aber ich habe Babett angeschaut und sofort dieses Feuer in ihren Augen gesehen", sagte Marozsan. "Da wusste ich: Sie muss schießen! Und sie hat sich den Ball dann auch als Erste genommen."

Fasste sich ein Herz und verwandelte ihren Elfmeter zum 2:1-Endstand für die deutsche Auswahl gegen Italien: Verteidigerin Babett Peter. (Foto: Tobias Schwarz/AFP)

In der 67. Minute legte sich also Babett Peter den Ball auf dem Elfmeterpunkt zurecht. Jones wollte erst gar nicht hinsehen. Sie drehte sich zur Tribüne, angespannt, bis sie jemanden im Publikum entdeckte, mit einem Grinsen die Augen verdrehte und andeutete, doch bitte beide Daumen zu drücken. Wer auch immer da gesessen hatte: Das Daumendrücken zeigte Wirkung - Peter traf und Deutschland gewann im Stadion Willem II in Tilburg 2:1 (1:1) gegen Italien. "Ich war froh darüber, dass Babett geschossen hat. Sie ist der Fels in der Brandung", sagte Jones später erleichtert.

Italiens Torhüterin bekommt den Ball nicht zu fassen

Dass die 44-Jährige sich nicht entspannt hatte zurücklehnen können, lag an der Nervosität, von der ihre Mannschaft zunächst souveräne Mannschaft am Ende doch befallen wurde. Aber es lag auch am Gegner. Die Italienerinnen gaben den Druck des Tabellenletzten von Beginn an weiter. Vor allem Barbara Bonansea auf der linken Seite und Angreiferin Ilaria Mauro bereiteten der deutschen Defensive Probleme. Dass das Team von Jones trotzdem in Führung gehen konnte, lag an der Überlegenheit im Kombinationsspiel - und an Italiens Torhüterin. Für Laura Giuliani, zuletzt Ersatztorhüterin beim SC Freiburg, war es das erste EM-Spiel, beim 1:2 gegen Russland hatte noch Chiara Marchitelli zwischen den Pfosten gestanden. "Ich wollte ihr eine Chance geben, auch wenn sie eine schwere Saison hatte", sagte Italiens Trainer Antonio Cabrini, der 1982 mit Italien gegen Deutschland Weltmeister geworden war: "Aber ja, sie hat beim ersten Tor einen Fehler gemacht."

Die Führung zum 1:0 durch einen Kopfball von Josephine Henning war begünstigt durch einen Fehler der fahrigen italienischen Torfrau Laura Giuliani. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Nach Flanke von Marozsan bekam Giuliani den Ball nicht zu fassen, stattdessen lenke sie ihn um zu Josephine Henning, die mit der Stirn das 1:0 (19.) erzielen konnte. "In dem Moment war alles wie in Zeitlupe", sagte die erste deutsche Torschützin bei dieser EM, da das erste Duell gegen Schweden eine Nullnummer gewesen war: "Ich hab nur gedacht: Jetzt verkack das bloß nicht."

"Wir waren eben alle einen Schritt zu spät."

Doch für Beruhigung sorgte der Treffer nicht. Zwar blieb Giuliani im Zentrum des Spiels, immer wieder gab es Szenen, in denen die 24-Jährige den Ball soeben noch übers Tor lenken konnte, da die Deutschen ihre Chancen verschwendeten. "Das bringt einen schon in Rage. Ich dachte, nach dem 1:0 werden wir ruhiger", sagte Jones, "aber dann vertändeln wir in Überzahl den Ball und bekommen einen Konter. Da müssen die Spielerinnen besser reagieren, sonst wird es schwer, unser Ziel zu erreichen."

Bekam für ihre Unsportlichkeit nach einem Foul gegen Anja Mittag die Gelb-Rote Karte: die Italienierin Elisa Bartoli. (Foto: Getty Images)

Gegen Italien veränderte Jones ihre Startaufstellung auf vier Positionen. Statt Carolin Simon, Anna Blässe, der verletzten Svenja Huth und Lina Magull kamen Isabel Kerschowski, Leonie Maier, Mandy Islacker und Linda Dallmann zum Einsatz. Letztere beeindruckte im rechten Mittelfeld bei ihrer EM-Premiere und wurde zur besten Spielerin des Abends gewählt. Dass Italien die Durchlässigkeit der deutschen Abwehr nach einem Konter ausnutzte, konnte aber auch sie nicht verhindern. In der 29. Minute rannte Bonansea auf der linken Seite Kristin Demann davon, spielte den Ball in die Mitte an Henning vorbei zu Mauro, die sich problemlos an Babett Peter vorbei davon stehlen konnte und zum 1:1 ausglich. "Ich konnte gar nicht schlafen letzte Nacht", sagte Henning am Tag danach: "Ich bin noch mal in die Lobby, da saß noch einer aus unserem Team am Laptop und wir haben uns die Szene angeschaut. Wir waren schon dran, aber eben alle einen Schritt zu spät."

Letztes Vorrundenspiel am Dienstag gegen Russland

Die Halbzeitpause, sagte Jones, sei dann genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen. Sie stellte ihr System von 4-4-2 auf 4-3-3 um, was die Chancenverwertung aber auch nicht verbesserte, obwohl ihr Team es an diesem Abend 24 Mal versuchte. Elisa Bartoli musste in der 69. Minute mit Gelb-Rot vom Platz, nachdem sie Anja Mittag erst gefoult und ihr dann die Faust gegen den Kopf gedrückt hatte. Aber auch diesen Vorteil wusste die deutsche Nationalmannschaft nicht effektiv zu nutzen. In der Schlussphase drohte Italien doch noch zu punkten. Dass der Squadra Azzurra dies nicht gelang, lag vor allem an Almuth Schult im Tor, die ihren Job an diesem Abend besser machte als Giuliani.

Deutschland ist nun punktgleich hinter Schweden, das Russland 2:0 besiegen konnte, Zweiter in der Gruppe B. Die Mannschaft muss am Dienstag (20.45 Uhr; live im ZDF) in der letzten Vorrunden-Begegnung gegen die Russinnen zumindest unentschieden spielen, um das Viertelfinale sicher zu erreichen. "Russland wird genauso körperbetont und defensiv kompakt spielen wie Italien", sagte Steffi Jones und lächelte fordernd. "Die Spielerinnen können dann zeigen, dass sie es besser machen können als in den ersten beiden Gruppenspielen - vor allem zielstrebiger."

© SZ vom 23.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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