DFB-Elf vor Test gegen Frankreich:Löws eigener Zeitgeist

Viele Stammkräfte verletzt oder außer Form, dennoch bleibt Bundestrainer Joachim Löw vor dem Länderspiel am Mittwoch gegen Frankreich gelassen. Für ihn ist die Partie eher ein soziales Ereignis denn eine sportliche Zwischenmeldung. Löw vertraut auf seine Fähigkeiten, in den Wochen vor der EM alle Probleme selbst lösen zu können.

Philipp Selldorf

Überall ist jetzt die Rede davon, dass die deutsche Nationalmannschaft mit dem Spiel gegen Frankreich am Mittwochabend in das Jahr der Europameisterschaft startet. Hier scheint es sich aber um einen weit verbreiteten Irrtum zu handeln. Es ist zwar eine Tatsache, dass die DFB-Elf in 102 Tagen beim Treffen mit Portugal ihr erstes Turnierspiel bestreitet. Doch in den Gedanken des Bundestrainers befindet sich die Mannschaft immer noch in der Zeitschleife, die auf die afrikanische WM 2010 folgte, weshalb er am Montag im Hotel in Bremen verdiente Spieler wie Cacau, Simon Rolfes und Christian Träsch empfing, die in ihren Vereinen schon lange keine länderspielreifen Verdienste mehr erworben haben.

Deutsche Nationalmannschaft - Pressekonferenz

Joachim Löw blickt gelassen in das EM-Jahr.

(Foto: dpa)

Joachim Löw nominierte jedoch nach seinem eigenen Zeitgeist: "Dieses Spiel gegen Frankreich", erläuterte er, "ist das Ende einer ganzen Reihe von Tests gegen hochkarätige Gegner." Der Termin im Weserstadion schließt also die anspruchsvolle Probenserie ab, in der die Deutschen Größen wie Uruguay, Brasilien und die Niederlande besiegten und damit zumindest schon beim französischen Nationalcoach Laurent Blanc einen Titel verdienten. Er findet, die Deutschen hätten "die beste Mannschaft der Welt".

Bewerbungen noch bis Mai

Löws Differenzierung zwischen Post-WM-Zyklus und akuter EM-Vorbereitung ist weniger eine Spitzfindigkeit als Ausdruck der Prioritäten, die er zu setzen pflegt. Er ist natürlich daran interessiert, dass seine Elf am Mittwoch gut aussieht: "Es gibt wichtige Erkenntnisse", sagt er, "aber wir werden uns nicht daran messen." Für den Trainer ist der kleine Klassiker gegen den Nachbarn eher ein soziales Ereignis und eine sportliche Zwischenmeldung.

Das Fehlen von Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski sowie die verletzungsbedingten Absagen von Philipp Lahm und Sven Bender rauben ihm nicht den Schlaf. Ernst wird es für Löw, wenn er seine Leute am 11. Mai zur Abreise in die Trainingslager auf Sardinien und in Südfrankreich begrüßt. Seitdem er vor der WM 2006 im Laufe des Genfer Trainingscamps mit gezielter Schulung die vormals morsche Abwehrreihe in eine solide Viererkette verwandelte, hat er ein unerschütterliches Vertrauen in seine didaktische Kunst. "Es geht darum, Spieler auf den Punkt genau für mehrere Spiele in Höchstform zu bringen", hob er in Bremen hervor.

Löw bleibt deswegen gelassen, wenn sich Spieler wie der Leverkusener André Schürrle im Kluballtag weit entfernt haben von ihren eigentlichen Begabungen. Formschwankungen hält er für "einen völlig normalen Werdegang und Vorgang". Es kümmert ihn auch nicht, wenn der FC Bayern, der Hoflieferant des Nationalteams, schlechte Zeiten erlebt wie in der vorigen Woche. Solche Aufregungen sind für ihn Überzeichnungen: "Ich habe das Gefühl, dass ich das jedes Jahr erlebe." Wenn die Bayern zwei Spiele verloren hätten, dann steckten sie angeblich "in einer unglaublichen Krise, die dann aber auch extrem schnell beendet ist, wenn sie ein gutes Spiel gemacht haben".

Spieler wie Mike Hanke oder Marko Marin, die diesmal nicht eingeladen wurden, aber noch auf die EM hoffen, brauchen ihre Wünsche also nicht zu begraben. "Die Tür ist nicht gänzlich zu", sagt Löw. Sie schließt erst im Mai. Wenn die EM beginnt.

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