DFB-Elf im EM-Finale:Hundertmal den Ball "rausgepöhlt"

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Jubelknäuel: Die deutsche Mannschaft freut sich über das 1:0.

(Foto: AFP)

Torschützin Dzsenifer Marozsán schläft schlecht, Abwehrspielerin Annike Krahn erklärt ihr Erfolgsrezept: Mit viel Wille und guter Defensivarbeit gewinnen Deutschlands Fußballerinnen das Halbfinale der Europameisterschaft gegen Schweden. Bei Gastgeber Schweden herrscht hingegen Leere.

Von Nicole Werner, Göteborg

"Es ist schon gut, wenn es so Leute gibt, die hinten die Drecksarbeit machen." Simone Laudehr meinte das nicht despektierlich. Sie wollte einfach die Arbeit der beiden Innenverteidigerinnen Saskia Bartusiak und Annike Krahn in den letzten Minuten des EM-Halbfinals gegen Schweden loben. Schön spielen war absolut nebensächlich. Bartusiak und Krahn mussten gegen die heranstürmenden Schwedinnen ausputzen, mit allen Mitteln.

Krahn selbst stammt aus dem Ruhrpott, sie hat dafür eine passende Vokabel: den Ball "rauspöhlen." Die deutsche Taktik funktionierte, die Fußballfrauen brachten das knappe 1:0 über die Zeit. Schwedens Verteidigerin Sara Thunebro stellte konsterniert fest: "Wir hatten mehr Torchancen, aber die Deutschen ein Tor. Deswegen haben sie den Sieg auch verdient."

Die schwedische Mannschaft lieferte ein hochengagiertes Spiel. Sie kam zu zahlreichen Gelegenheiten, folgerichtig wäre eigentlich die Verlängerung gewesen. Topstürmerin Lotta Schelin traf in der 62. Minute sogar mit einem Schuss ins Kreuzeck, stand jedoch um Zentimeter im Abseits.

Es folgten weitere turbulente Szenen. Erst ein Pfosten-, dann ein Lattentreffer, zudem wurde die deutsche Abwehrspielerin Leonie Maier im Strafraum angeschossen - eine Aktion, für die manche Schiedsrichter schon Handelfmeter gepfiffen haben. Auch Krahns rustikaler Einsatz gegen Kosovare Asllani Sekunden vor Abpfiff hätte einen Strafstoß nach sich ziehen können. "Am Ende war auch ein wenig Glück dabei, dass wir kein Tor kassiert haben", sagte DFB-Trainer Silvia Neid.

Neben der kämpfenden Defensive war Dzsenifer Marozsán die auffälligste deutsche Akteurin. Sie traf in der 33. Minute per eingesprungener Grätsche zum 1:0. "So ein Tor habe ich noch nie geschossen", sagte Marozsán am Morgen danach: "Deshalb bin ich auch sehr spät eingeschlafen. Die Emotionen waren hoch, die Szene noch im Kopf." Das Spiel war schnell, technisch und taktisch attraktiv, das Geschehen wechselte hin und her. Es wäre ein würdiges Finale gewesen. Nun spielt Deutschland am Sonntag das Finale dieses Turniers. (16 Uhr, Liveticker bei SZ.de).

Die Schwedinnen hatten binnen 90 Minuten erleben müssen, wie ein komplettes Stimmungsbild kippen kann. Die Gastgeberinnen waren als Mitfavorit ins Turnier gegangen, wenn nicht sogar als aussichtsreichstes Team. Nun war schon im Halbfinale Schluss, mal wieder gegen Deutschland.

"Es wird schwer, die Nacht zu überstehen"

Mittelfeldspielerin Nilla Fischer erklärte: "Es ist viel Leere in mir. Manchmal ist Fußball alles im Leben. Es wird schwer, die Nacht zu überstehen." Auch die erfahrene Trainerin Pia Sundhage sagte: "An manchen Tagen funktioniert es einfach nicht."

Mit schlingernden Taschen und hängenden Köpfen verließen die Schwedinnen die Kabine in Richtung Bus. "Tröstende Worte kann man da nicht finden, da bleibt nur, sie respektvoll abzuklatschen", sagte Bartusiak. Sie selbst kennt das Gefühl, als Gastgeber aus einem internationalen Turnier zu fliegen. Bei der Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland hat Silvia Neids Team das erleben müssen. Sogar schon eine Runde früher, im Viertelfinale gegen Japan.

Mehr als 16.000 Schweden verließen enttäuscht das ausverkaufte Gamla-Ullevi-Stadion. Auch in Göteborgs Innenstadt zerstoben die blau-gelben Menschentrauben geräuschlos in den Gassen.

Sundhage schaffte es trotzdem, tröstende Worte an ihre Spielerinnen und die Nation zu richten: "Eine großartige Reise ist zu Ende und ich möchte, dass sie für das Team und das Land fröhlich zu Ende geht."

Auch die deutsche Mannschaft hat ihre Taschen gepackt. Abfahrt 14:35 Uhr. Eine dreistündige Zugreise Richtung Stockholm. Ihr Ziel: das Finale in Solna.

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