DFB-Elf:So schnell wie ein Tyrannosaurus

Lesezeit: 4 min

Tempodribbler: Leroy Sané hat für die Partie gegen Aserbaidschan eine Startelfgarantie erhalten. (Foto: Action Images via Reuters)
  • Leon Goretzka und Leroy Sané erhalten gegen Aserbaidschan eine Chance in der Startelf.
  • Für Joachim Löw sind sie zwei Herausforderer, wie sie der Bundestrainer liebt. Doch ob sie auch bei der WM spielen, ist fraglich.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen und Tabellen in der WM-Qualifikation.

Von Martin Schneider, Mainz

Leroy Sané hat keine ungewöhnlich kurzen Arme. Auch nach intensivem Studium aktueller Bilder und Videos scheinen sie doch ziemlich normal lang zu sein. Er hat auch keine besonders große Klappe, keine Klauen, und auch wenn man gerade eine neue Wertschätzung des Alters im deutschen Fußball beobachten kann, dürfte man Sané nicht "prähistorisch" nennen. Trotzdem entschied der britische Boulevard, Leroy Sané mit einem Dinosaurier zu vergleichen.

Leroy Sané hat vor Kurzem den Geschwindigkeitsrekord der Liga gebrochen. Gut, die Messungen gibt es erst seit drei Jahren, aber gegen Chelsea maß das System bei einem Sané-Sprint ein Tempo von 35,48 Kilometern pro Stunde und das Blatt The Sun schrieb begeistert über den Deutschen bei Manchester City: "Damit ist er schneller als ein T-Rex".

Nun hat natürlich noch nie irgendwer gemessen, wie schnell ein Tyrannosaurus läuft, aber es ist eine Boulevard-Zeitung und ein T-Rex war vermutlich als Referenzgröße spektakulärer als, sagen wir, ein europäischer Dachs (bis zu 30 km/h). Die eigentliche Botschaft ist sowieso eine völlig andere, nämlich: Leroy Sané ist in England in den Schlagzeilen.

Und damit aus der Kreidezeit in die Gegenwart. Die deutsche Fußballnationalmannschaft spielt im abschließenden WM-Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan. Da das Team von Joachim Löw schon für das Turnier in Russland qualifiziert ist, geht es sportlich nur noch darum, ob die Mannschaft die perfekte Bilanz von zehn Siegen in zehn Spielen erreichen kann. Und darum, welche Spieler sich für das Turnier empfehlen können. Bundestrainer Joachim Löw hat nun in einer Pressekonferenz vor dem Spiel unter anderem zwei Spielern eine Startelfgarantie gegeben: Sané und Leon Goretzka.

Große Konkurrenz auf den offensiven Außenbahnen

Der Ex-Schalker und der Schalker befinden sich acht Monate vor der WM in einer ähnlichen Situation. Sie können sich ziemlich sicher sein, dass sie dem 23-Kader angehören werden (was angesichts der neuen Auswahl des Bundestrainers keine kleine Leistung ist); sie können sich aber trotz hervorragender Noten in jüngster Vergangenheit überhaupt nicht sicher sein, auch bei diesem Turnier zu spielen.

Goretzka war für viele der beste deutsche Spieler beim Confed-Cup-Sieg im Sommer, Sané sticht gerade unter der Regie von Pep Guardiola beim furios aufspielenden Manchester City hervor. Es gab Zeiten im deutschen Fußball, da wäre man mit solchen Referenzen eher Hoffnungsträger als Ersatzbank-Kandidat gewesen. Aber in dieser Mannschaft tummeln sich auf Sanés Position auf den Außenbahnen namentlich die Konkurrenten Julian Draxler, Serge Gnabry, der derzeit verletzte Marco Reus und je nach taktischer Formation auch Thomas Müller und Mesut Özil. Und einem Mario Götze, der ja in der jüngeren Vergangenheit das ein oder andere wichtige Tor für die Nationalelf geschossen hat, hat der Bundestrainer eine Rückkehr im November in Aussicht gestellt.

Goretzka muss seinen Standort-Nachteil wett machen

Auf Goretzkas Positionen als Achter oder Zehner kommen noch der uneingeschränkt gesetzte Toni Kroos hinzu, außerdem tastet sich der lange verletzte Ilkay Gündogan gerade wieder heran, der Platzhirsch Sami Khedira wird zurückkehren, und Sebastian Rudy hinterlässt auch keinen schlechten Eindruck.

DFB-Gegner Aserbaidschan
:Die Schläger von Baku

Beim deutschen Gegner Aserbaidschan wird Jawid Hüseynow auflaufen, obwohl er noch im Gefängnis sitzen müsste. Es geht um den mysteriösen Tod eines Journalisten. Auch der DFB wird nun aktiv.

Von Martin Schneider

Goretzka scheint diese Situation mehr als bewusst zu sein. Schon während des Confed Cups sprach er von seinen Ambitionen als Führungsspieler, in der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Aserbaidschan saß er neben Joachim Löw und erklärte, dass er in die Chef-Rolle "hineinwachsen" will. "Ich denke, im Laufe der vergangenen Saison ist mir das bei Schalke ganz gut gelungen. Das hat der Trainer auch dieses Jahr bestätigt, in dem er mich zum Vize-Kapitän ernannt hat", betonte er. Er kann sich ja ausrechnen, dass Löw sich bei der Aufstellung möglicherweise irgendwann zwischen der Autorität Khedira und ihm entscheiden muss. Da will er zumindest mal für alle deutlich gesagt haben, dass er zu Hause immerhin der Vize-Chef ist.

Goretzka hat sich dazu entschieden, in dieser Saison noch bei Schalke zu spielen. Man kann über Schalke ja vieles sagen, aber ein internationaler Spitzenklub ist es schon seit einiger Zeit nicht mehr; beim letzten Spiel auf großer Bühne, dem 4:3-Sieg gegen Real Madrid, machte ein 19-jähriger namens Leroy Sané international auf sich aufmerksam. Vor einer Woche, beim Bundesligaspiel gegen Leverkusen (1:1), hat sich der Chefscout des FC Barcelona Goretzka genauer angeschaut und in der Bild-Zeitung konnte man dann lesen, dass er zwar fand, dass dieser Bursche ein sehr guter Spieler sei - aber für Barcelona sei es noch "zu früh". Diese Standort-Nachteile muss Goretzka irgendwie ausgleichen.

Sanés große Zeit könnte schon im Frühjahr kommen

Von Sané hört man solche Chef-Ansagen nicht - sie wären auch unglaubwürdig. Er kann nicht über die Führungsspieler-Schiene kommen, er ist sowieso nicht der größte Redner. Dafür hat er die Bühne Europa, um sich zu präsentieren und eine Mannschaft um sich herum, die im Schatten von Paris Saint-Germain im Sommer für bescheidene 250 Millionen Euro verstärkt wurde und in Guardiola einen Trainer, der dem Vernehmen nach ein bisschen was von Fußball versteht. Sané kann damit rechnen, dass sich die Debatte um Stammplätze in der Nationalelf zu seinen Gunsten verschiebt, wenn er im Frühjahr in der Champions League wirbelt und der ein oder andere Konkurrent gleichzeitig auf dem Sofa sitzen muss.

Für Joachim Löw ist diese Situation ein Segen. Goretzka und Sané sind die Art von Herausforderer, die er sich wünscht und deren Fehlen er bei anderen Positionen (Außenverteidiger!) ausdauernd beklagt. Und für Goretzka und Sané spricht, dass Löw in seiner Analyse der Europameisterschaft 2016 zu dem Ergebnis gekommen ist, vielleicht ein bisschen zu loyal zu manchen etablierten Kräften gewesen zu sein.

© SZ vom 08.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

WM 2018
:Es wird Tränen bei den Nationalspielern geben

Der Bundestrainer hat für die WM einen personellen Reichtum wie nie zuvor. Doch das macht die Sache schwierig. Ein Schweinsteiger-Irrtum darf Joachim Löw diesmal nicht passieren.

Kommentar von Philipp Selldorf

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: