DFB-Elf nach Testspiel:Topfavorit wider Willen

Training Nationalmannschaft

Hat wenig Grund, sich zu verstecken: Joachim Löw

(Foto: dpa)

So sehr Bundestrainer Joachim Löw intern und im eigenen Land die Erwartungen bremst: Die deutsche Nationalmannschaft fährt nächstes Jahr als Topfavorit zur Fußball-Weltmeisterschaft nach Brasilien. Trotz, oder gerade wegen der jüngsten Personalengpässe.

Ein Kommentar von Thomas Hummel

Luiz Felipe Scolari sagte zuletzt: Ein zweiter Platz für Brasilien bei der kommenden Weltmeisterschaft zu Hause - das werde nicht gut genug sein. Der Trainer der Seleção stellt sich dem Druck seiner Nation, weil er weiß, er kann sowieso nichts daran ändern: Er muss nächstes Jahr seine Mannschaft zum Titel führen! Alles andere wird zur nationalen Tragödie.

Joachim Löw sagt: Klar, wir wollen Weltmeister werden und werden alles dafür tun, um bestmöglich vorbereitet zum Turnier zu fahren. Aber der Respekt anderen Nationen gegenüber gebiete es, dass Deutschland nicht per se Platz eins beanspruchen kann.

Zwei Trainer, ein Ziel, zwei Herangehensweisen. Der Bundestrainer will den Druck nicht zu groß werden lassen auf ihn und sein Team. Er will in das WM-Jahr 2014 gehen mit der größtmöglichen Ruhe. Er wird akribisch arbeiten, alles ihm Mögliche unternehmen, damit seiner Mannschaft im kommenden Sommer der große Wurf gelingt. Aber wenn am Ende Brasilianer, Spanier oder Italiener wieder besser sein sollten, will er sich nicht den Vorwurf anhören müssen, er habe es mit dem besten Kader des Turniers wieder nicht geschafft. Denn das wird ja von vielen Ehemaligen und sogenannten Experten häufig ausgesprochen: Die DFB-Elf hat die besten Spieler, sie muss die WM gewinnen!

Halblang. Die WM beginnt in sieben Monaten, und gerade jetzt wird deutlich, was noch alles passieren kann. Sami Khedira, ein Stützpfeiler dieser Mannschaft, fällt ziemlich sicher nach seinem Kreuzbandriss aus. Bastian Schweinsteiger und Ilkay Gündogan, seine natürlichen Vertreter, sind mit komplizierten Blessuren länger im Krankenstand. Stürmer Miroslav Klose fehlte 2013 häufig und hat nur vier von zwölf Länderspielen bestritten. Mario Gomez gar nur zwei! Ganze 93 Minuten stand der Mittelstürmer auf dem Platz, in den Testspielen gegen Frankreich und Paraguay.

Dennoch und vielleicht gerade deshalb resümiert Löw, seine Mannschaft habe in diesem Jahr "einen Schritt nach vorne gemacht". Durch die vielen Ausfälle konnten sich andere präsentieren, Löw hat eine einmalige Auswahl an talentierten Fußballern im Kader.

In Italien hat die Mannschaft gezeigt, dass sie bei Bedarf ihr chronisches Defizit in der Defensive ablegen kann, gegen einen sehr starken Gegner waren die Deutschen insgesamt die Besseren und der "gefühlte Sieger", wie es Löw ausdrückte. Die Italiener reagierten verzückt, dass sie gegen die Nachbarn aus dem Norden wieder nicht verloren hatten. Über die Möglichkeit eines eigenen Sieges sprachen sie nicht einmal.

In London schickte der Bundestrainer, zum Teil aus der Not heraus, zum Teil gewollt, eine bessere Reservemannschaft aufs Feld. Diese ließ nur einen gefährlichen Torschuss der Gastgeber zu und hatte alles im Griff. Die englische Öffentlichkeit ist ob der Chancenlosigkeit ihrer Kicker völlig deprimiert und blickt ängstlich auf die WM: Was wird nur passieren, falls wir diesen Deutschen in Brasilien begegnen, sie mit ihrer besten Elf spielen und auch noch Ernst machen?

So sehr Joachim Löw intern und im eigenen Land die Erwartungen bremst, außerhalb des DFB-Einflussgebiets hat sich die Fußballwelt längst festgelegt: Der Trainer der deutschen Nationalmannschaft fährt nächstes Jahr nach Brasilien als Topfavorit. Da kann er sagen, was er will, das weiß er auch. Und das weiß auch Luiz Felipe Scolari.

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