DFB-Elf:Joachim Löws Problem mit der Bank

Germany v England - International Friendly

Teile der deutschen Bank: Jonathan Tah, Shkodran Mustafi, Mario Götze, Marc-André ter Stegen und Christoph Kramer.

(Foto: Lars Baron/Getty Images)

Aus der zweiten Reihe der Nationalelf drängt sich keiner auf. Die nächste Generation stünde schon bereit.

Kommentar von Thomas Hummel

Mario Götze spielt am Dienstag gegen Italien von Anfang an und man darf wirklich gespannt sein, wie er das hinkriegt. Das ganze Land scheint auf den Hochbegabten zu blicken, der es einst mit seinem Volleyschuss von Rio in den Freudentaumel schoss. Das Schicksal dieses Jungen interessiert viele. Vor allem jetzt, wo es so gar nicht läuft. Wo sich seine weitere Karriere entscheidet.

Götze ist gerade mal 23 - und macht seine schwerste Zeit durch. Beim FC Bayern kommt er nicht mehr zum Zug, Pep Guardiola scheint ihn abgeschrieben zu haben. Und da soll er nun ausgerechnet in München der Fußballnation wieder Optimismus einhauchen?

Wie soll eine Rotation gegen Italien aussehen?

Bundestrainer Joachim Löw hat ihm den Startelf-Einsatz am Dienstag öffentlich versprochen. Doch nicht erst die paar Minuten gegen England, als Götze am Ende eingewechselt wurde und auch nichts mehr tun konnte gegen die Engländer, machten deutlich, dass er zurzeit eher ein Problemfall ist. Das einzig Gute für ihn: Er ist nicht der einzige.

Auch bei André Schürrle, sein Vorlagengeber von Rio, läuft es seit Monaten mäßig. Und was Lukas Podolski da vorne trieb, daran erinnert sich am Tag danach auch keiner mehr. Er war schlicht nicht zu sehen. Auf der Bank saßen ferner Julian Draxler, Karim Bellarabi und Kevin Volland, die in der Bundesliga nur selten überaus positiv auffallen. Ebenso Christoph Kramer oder Sebastian Rudy. Wie soll das nur aussehen, sollte Löw gegen Italien am Dienstag wie geplant rotieren?

Löw kritisierte selbst die Phase, in der es ganz gut lief

Schon gegen England haben allein die guten Auftritte einiger weniger das Gesamtgebilde lange gestützt. Allen voran Toni Kroos und Sami Khedira. Auch Mesut Özil, Mario Gomez und die Innenverteidiger Mats Hummels und Antonio Rüdiger. Doch mit den Auswechslungen begann die Qualität stark zu schwinden.

Bundestrainer Löw ging hinterher ungewohnt scharf mit seiner Mannschaft ins Gericht. Dabei kritisierte er indes die Phase, als es noch ganz gut lief. Von Anfang hätte seine Mannschaft Schwierigkeiten im Spielaufbau gehabt. Das stimmt zwar, doch im Vergleich zum Ende war hier ja noch alles in Ordnung gewesen.

Die nächste Generation stünde bereit

Klar, im Juni redet niemand mehr von diesen März-Spielen, die deutsche Mannschaften gerne mal verlieren. Man denke an das 1:4 damals in Florenz vor der WM 2006. Oder das 0:1 gegen Argentinien vor der WM 2010, als Diego Maradona einen gewissen Thomas Müller für einen Balljungen hielt. Dennoch waren diese Spiele bisweilen als sogenannte Weckrufe wichtig.

Da ist die sogenannte zweite Reihe, in der sich nun wirklich keiner aufdrängt. Sogar Spieler äußerten die Hoffnung auf die Rückkehr von Jérôme Boateng oder Ilkay Gündogan, ohne die es wohl in Frankreich nicht geht. Entweder einige erleben im Rest der Saison noch einen mächtigen Aufschwung. Oder Löws Trainerteam müsste darüber nachdenken, ob es nicht besser wäre, wie die Engländer gleich auf die nächste Generation zu setzen. Die ja schon bereit steht mit Leroy Sané, Julian Weigl oder Joshua Kimmich. Mit Leon Goretzka, Mahmoud Dahoud und Timo Werner.

Vielleicht muss Joachim Löw selbst raus aus dem Testspielmodus

Was aber seit der WM noch viel mehr auffällt, ist ein gewisser Stimmungswandel. Hatte man jahrelang den Eindruck, es gebe keine größere Freude als zur Nationalmannschaft zu reisen und sei es zu einem Kick gegen das Fürstentum San Marino, so wirken heute viele eher belästigt durch die zusätzlichen Termine. Ausgedrückt durch den ehrlichen Thomas Müller mit seinem "Testspielmodus". Er verschwieg dabei, dass die Mannschaft auch Pflichtspiele verloren hat in Polen und in Irland und der Modus dabei nicht viel anders aussah.

Schon viele Mannschaften sind nach einem großen Sieg in ein Loch gefallen. Die Rücktritte von Miroslav Klose, Per Mertesacker und vor allem von Philipp Lahm haben in Qualität und Moral nicht gut getan. Joachim Löw vertraut da voll und ganz den vier Wochen Vorbereitung vor dem Turnier, in denen er schon so einiges bewegt hat. Wobei er sich auch selbst fragen muss, ob es klug war, die EM 2016 lange Zeit als Zwischenziel zu benennen auf dem Weg zur Titelverteidigung 2018.

Vielleicht muss auch Joachim Löw selbst langsam aber sicher aus dem Testspielmodus heraus finden.

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