DFB nach Terroranschlägen:"Man darf denen nicht den Triumph gönnen"

Trotz der Terroranschläge tritt Frankreich am Dienstag gegen England an. Auch das Spiel der DFB-Elf gegen die Niederlande findet wohl statt, eine Entscheidung fällt am Sonntag.

Das Testspiel von EM-Gastgeber Frankreich am kommenden Dienstag im Londoner Wembley-Stadion gegen England soll trotz der Terrorattacken von Paris ausgetragen werden. Das berichtete die Sportzeitung L'Équipe mit Berufung auf den Französischen Fußballverband FFF. Nur im Falle einer konträren Entscheidung der Sicherheitsbehörden müsste die Partie ausfallen.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hatte nach der Rückkehr aus Paris angekündigt, am Sonntag eine Entscheidung über die Austragung seines Heimspiels gegen die Niederlande am Dienstag in Hannover treffen zu wollen. Die Verbandsführung wollte auch die Entscheidung der französischen Funktionärskollegen abwarten. Es ist zu erwarten, dass sie den eigenen Entscheidungsprozess beeinflusst. Die Interimsspitze mit Reinhard Rauball und Rainer Koch hatte sich bereits am Samstagvormittag für ein Festhalten an dem Spiel ausgesprochen.

Nach den Terroranschlägen in Paris war die deutsche Nationalmannschaft am Samstagmorgen aus Frankreich abgereist. Um kurz nach neun Uhr startete die Sondermaschine LH 343 mit der deutschen Delegation nach Frankfurt/Main. Das Flugzeug war extra aus Frankfurt gekommen und stand auf dem Flughafen Charles de Gaulle auf einer Außenposition weit weg vom Terminal. Polizeiwagen und zwei Beamte mit Maschinenpistolen waren neben der Maschine postiert. Um kurz vor 10 Uhr Ortszeit landete die Mannschaft in Frankfurt.

Nach den grauenvollen Ereignissen am Freitagabend war das Team gar nicht mehr ins Hotel zurückgekehrt. Die Mannschaft verharrte die Nacht auf Samstag im Stadion im Vorort Saint-Denis. "Das Wohlbefinden in der Stadt ist nach dem heutigen Tag nicht besonders groß", sagte Teammanager Oliver Bierhoff nach dem überschatteten Länderspiel gegen den EM-Gastgeber dem ARD-Hörfunk.

Termine für Sonntag abgesagt

Eigentlich wollte die DFB-Delegation am Sonntagmittag mit dem Ziel Hannover abreisen. Für Sonntag wurden alle Termine abgesagt, die Spieler fuhren über das Wochenende entgegen der ursprünglichen Planung nach Hause zu ihren Familien.

Rauball sprach sich gegen eine Absage des Testländerspiels aus. "Es gibt noch keine Entscheidung, aber ich bin dafür, dass gespielt wird", sagte er am Samstagmorgen der Deutschen Presse-Agentur und ergänzte: "Man darf denen, die uns das angetan haben, nicht den Triumph gönnen."

Bierhoff sprach nach der Partie von großer Betroffenheit. "Der Sport ist jetzt total im Hintergrund", sagte er nach dem 0:2. Der Freitag hatte für die deutschen Weltmeister um Kapitän Bastian Schweinsteiger bereits nach einer Bombendrohung gegen das Teamhotel mit einem "großen Schrecken" (Bierhoff) begonnen. Die DFB-Delegation stand nach den Anschlägen "in enger Kooperation" mit den einheimischen Behörden, dem französischen Fußball-Verband und den deutschen Sicherheitskräften vor Ort, sagte der DFB-Sicherheitsbeauftragte Hendrik Große Lefert in der ARD, die das Spiel live übertragen hatte.

Die deutschen Spieler seien "alle angespannt", berichtete Große Lefert. Erste Reaktionen von Akteuren gab es in der Nacht über die sozialen Netzwerke. "Was ist das für eine kranke Welt", schrieb Weltmeister Toni Kroos, der von Bundestrainer Joachim Löw zur Schonung nicht für die letzten zwei Länderspiele des Jahres nominiert worden war. Lukas Podolski schrieb "prayforparis" ("Bete für Paris") neben einem Friedenszeichen, in das der Eiffelturm eingefügt war.

Bestürzung bei Bundesliga-Klubs

Die Bundesliga-Klubs reagierten mit großer Bestürzung. "Unsere Gedanken sind bei den Opfern der Anschläge in Paris und ihren Angehörigen. #PrayforParis", schrieb der deutsche Meister FC Bayern München am Samstagmorgen im Kurznachrichtendienst Twitter. "Ergebnis unwichtig. An alle in #Paris: Passt bitte auf Euch auf. Unsere Gedanken sind bei den Opfern", twitterte Borussia Dortmund. Während des Freundschaftsspiels waren in dem mit fast 80 000 Zuschauern gefüllten Endspielstadion für die Europameisterschaft 2016 drei Detonationen im Umfeld der Arena zu hören gewesen. Es gab dabei vier Tote, darunter nach Medienberichten auch Selbstmordattentäter.

"Es wird von Extremisten oder gewissen Personen die Möglichkeit gesucht, Aufmerksamkeit zu bekommen", sagte Bierhoff. Die Tore zur Arena waren während des Spiels zur Sicherheit vorübergehend geschlossen worden. "Wir sind alle erschüttert und schockiert", erklärte Bundestrainer Löw unmittelbar nach dem Spielende.

Ob die Partie gegen die Niederlande zum Jahresabschluss wie geplant stattfindet, war eine der vielen unbeantworteten Fragen in den Stunden nach den Anschlägen, in denen das Entsetzen und die Trauer über die vielen Opfer auch im DFB-Quartier deutlich im Vordergrund standen. Eine Delegation um Bundestrainer Löw und Teammanager Bierhoff wird schon in vier Wochen wieder in Paris erwartet. Dann sollen in der französischen Hauptstadt die Vorrundengruppen für die EM vom 10. Juni bis 10. Juli 2016 ausgelost werden. Eine Reaktion der Europäischen Fußball-Union (Uefa), die das Turnier ausrichtet, gab es in den ersten Stunden nach der Anschlagsserie im Finalort nicht.

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