DFB-Elf in der Einzelkritik:Toni Kroos übertreibt es

Toni Kroos gibt den künstlerischen Chef-Organisator, Jérôme Boateng tritt auf als Mr. Cool und Mats Hummels spielt mit einer Franz-Beckenbauer-Haltung. Die DFB-Elf beim 1:1 gegen Irland in der Einzelkritik.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

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Manuel Neuer

Deutschland - Irland

Quelle: dpa

Vom Gelsenkirchener Publikum ist der Torwart alles gewöhnt: Leidenschaftliche Zuneigung und mindestens ebenso leidenschaftliche Ablehnung, nachdem er sich einem anderen Klub angeschlossen hat. Die durchschnittlich freundliche Gleichgültigkeit, mit der er diesmal empfangen wurde, war sicherlich neu für ihn. Wie die Zuschauer auf den Rängen konnte sich auch Neuer die Partie in aller Ruhe ansehen. Den einzigen Ball, den er in der ersten Halbzeit erobern musste, holte er hinter dem Tor hervor, um einen Abstoß auszuführen. Kurz vor Schluss ließ ihn ein irischer Angriff aufschrecken - die Mitspieler registrierten dankbar, dass er nicht eingeschlafen war und den Ball zur Ecke klärte. Beim Gegentor machtlos.

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Antonio Rüdiger

Deutschland - Irland

Quelle: dpa

Führte sich beeindruckend ein in der Schalker Arena - mit einem Gewaltschuss, der beim Abfeuern so laut knallte wie ein kubischer Kanonenschlag. Das Publikum raunte ehrfürchtig, der Ball flog allerdings kilometerweit vorbei. In seiner Kerndisziplin als Außenverteidiger sorgte Rüdiger nur gelegentlich für Aufsehen, einmal hätte er fast ein Kopfballtor erzielt, ein anderes Mal ließ ihn sein Gegenspieler James McClean an der Linie stehen, als ob Rüdiger nur ein Außenverteidiger in Verkleidung wäre - was er ja auch ist.

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Jérôme Boateng

-

Quelle: AP

Darf sich allmählich mit dem Titel Mr. Cool schmücken. Faszinierend präzises Timing in den Zweikämpfen, die ihm nicht mehr Mühe zu bereiten schienen, als einen Brief in den Postkasten zu werfen. In der Rolle als zuhinterst postierte Abwehrinstanz abgeklärt wie ein Alt-Nationalspieler. Gelegentlich nahm er einen Hackentrick ins Programm, der das Publikum erfreute. Es lag auch nicht an Boatengs Spieleröffnung, dass die Deutschen sich schwer taten, das grüne Dickicht am irischen Strafraum zu durchdringen - seine Pässe fanden meistens den geeigneten Adressaten.

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Mats Hummels

Deutschland - Irland

Quelle: dpa

Des Öfteren in der Franz-Beckenbauer-Haltung zu besichtigen. Schleppte regelmäßig den Ball durch ein meist menschenleeres Mittelfeld in die Offensive, um ihn dann gewinnbringend bei einem Mitspieler abzuliefern. Das gelang nicht immer. Auch seinen langen, flachen Zuspielen in die Zwischenräume war relativ selten ein günstiges Resultat beschieden. In der Abwehr weitgehend zuverlässig, sah beim Gegentor aber unglücklich aus.

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Erik Durm

-

Quelle: AP

Nach seinem Auftritt in Polen urteilten nicht wenige Kritiker, er solle noch ein paar Jährchen in die Lehre gehen, bevor er sich zum nächsten Länderspiel einfinden möge. Diese Kenner hielten möglicherweise in der fünften Minute beschämt den Atem an, als Durm aus 25 Metern einen Weitschuss auf die Reise schickte, der an der Latte landete. Als Verteidiger war der Dortmunder zunächst ebenso unterfordert wie als Flügelflitzer. Seine Seite wurde sowohl von den Iren wie von den Mitspielern weitgehend gemieden.

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Matthias Ginter

Germany v Republic of Ireland - EURO 2016 Qualifier

Quelle: Bongarts/Getty Images

Musste zur zweiten Halbzeit Podolski Platz machen. Hätte der Stadionsprecher die Zuschauer nicht über diesen Vorgang informiert, wäre ihnen Ginters Abwesenheit möglicherweise nicht aufgefallen. Er kam im defensiven Mittelfeld weder als kompetente Sicherheitskraft noch als Aufbauspieler zur Geltung. Das lag aber vor allem am Spielverlauf und an der Rollenzuteilung - ein originär defensiver Mittelfeldspieler wurde schlicht nicht benötigt.

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Toni Kroos

Deutschland - Irland

Quelle: dpa

Der Meister des öffnenden Pass-Spiels. Sein Zuspiel auf Draxler (15. Minute) erschloss einen Freiraum, der in Anbetracht der irischen Zehn-Mann-Deckung nicht vorstellbar war. Ein Meister des präzisen Fernschusses muss Kroos erst noch werden. Mit dem von Draxler prompt zurückgegebenem Ball wusste Kroos trotz frappierender Absenz von Gegenspielern nicht mehr anzufangen, als ihn kraftlos neben das Tor zu schieben. Besser schoss er nach 55 Minuten, als er nicht mehr wusste wohin mit der Kugel - David Forde rettete für Irland. Und noch besser in der 71. Minute, als er den Ball präzise ins Tor beförderte. Ansonsten wusste Kroos im Übrigen in den allermeisten Fällen, wohin er den Ball zu lenken hatte. Als Chef-Organisator wurde er ständig gesucht und meistens gefunden. Häufig übertrieb er es jedoch mit den kleinen, feinen Zuspielen.

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Karim Bellarabi

Deutschland - Irland

Quelle: dpa

Die Saisonentdeckung der Bundesliga machte sich auch im zweiten Einsatz für die DFB-Elf durch mutige Aktionen verdient. Sein spektakulärer Alleingang in der Anfangsphase ließ die Leute glauben, sie würden Zeuge eines großen Abends werden. Diese Verheißung hat Bellarabi ebenso wie der Rest der Mannschaft nicht erfüllen können. Dennoch hatte er keinen schlechten Auftritt, Bellarabi blieb präsent und ging dem deutschen Spiel nie verloren. Diesem zweiten Länderspiel werden sich noch einige weitere folgen.

9 / 12

Thomas Müller

Germany v Republic of Ireland - EURO 2016 Qualifier

Quelle: Bongarts/Getty Images

Ein weiterer unglücklicher Abend der unorthodoxen Offensivkraft - und das ist noch freundlich formuliert. Zwei, drei gelungenen Momenten standen etliche misslungene gegenüber - und einige Stürze im Strafraum.

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Mario Götze

Germany's Goetze kicks the ball next to Ireland's Quinn during their Euro 2016 Group D qualification soccer match in Gelsenkirchen

Quelle: REUTERS

In Warschau am vorigen Samstag in auffallender Weise ein Vorbild an Einsatz und Initiative. Auch in Gelsenkirchen war er fleißig unterwegs, er suchte Schneisen in die Spitze und ein paar Reservate, wo er seine kunstvollen Götze-Späße treiben konnte. Doch die Iren stellten sich zuverlässig quer.

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Julian Draxler

Deutschland - Irland

Quelle: dpa

Steckte voller Tatendrang und voll des guten Willens. Aber ein gutes Spiel ergab sich nicht aus all den prächtigen Vorsätzen, die ihn eher zu belasten als zu beschleunigen schienen. Versuchte es mit allen Mitteln: Tricksend, kämpfend, rennend, mit Sololäufen, Steilpässen und Distanzschüssen, doch der Ertrag blieb bescheiden. Als sich die Fehlerquote gefährlich häufte, musste er für Max Kruse Platz machen. Der Stadionsprecher erklärte die Auswechslung mit einer "leichten Verletzung", das Publikum applaudierte höflich.

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Einwechselspieler: Lukas Podolski, Max Kruse

Ireland's Wilson attacks Germany's Podolski during their Euro 2016 Group D qualification soccer match in Gelsenkirchen

Quelle: REUTERS

Lukas Podolski: Kam nach der Pause für Ginter. Begann schlimm - mit einem Fehlpass, der den Iren eine gute Chance beschert hätte, wenn sie nicht so irritiert gewesen wären über den krassen Fauxpas des Deutschen. Schon im Gegenangriff rehabilitierte sich Podolski mit einem einigermaßen gelungenen Solo.

Max Kruse: Kam für Draxler, sorgte nicht für Aufsehen.

© SZ.de/ska
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