DFB-Elf gegen Schottland:Cool geblieben im Gebrüll

DFB-Elf gegen Schottland: Darf wohl mit dem deutschen Team zur EM fahren: Bastian Schweinsteiger.

Darf wohl mit dem deutschen Team zur EM fahren: Bastian Schweinsteiger.

(Foto: AP)
  • Emotionale Schotten, zwei seltsame Gegentore: Davon lässt sich der Weltmeister beim 3:2 in Glasgow nicht irritieren.
  • Nach fast geschaffter EM-Qualifikation lobt Bundestrainer Löw, wie schnell seine Spieler lernen.
  • Hier geht es zur Tabelle der deutschen Gruppe.

Von Thomas Hummel, Glasgow

Bevor die letzten Zuschauer den Hampden Park verließen, klatschten sie. Es waren kaum mehr Spieler unten auf dem Feld. Dennoch klatschten sie. Es hatte damit begonnen, dass die deutschen Fans in der Kurve mit ihren Siegern feierten und die übliche Welle machten. Als das vorbei war, applaudierten die noch verbliebenen Schotten den deutschen Gästen. Was wiederum die deutschen Fans dazu anspornte, den Schotten zu applaudieren.

Ein Abend voller Emotionen und Kuriositäten endete in einer Szene der Freundschaft und des Respekts. Britischer Sportmanns-Geist eben.

Für Freunde des stimmungsvollen Fußballs ist eine Reise nach Glasgow etwas Besonderes. Diese schroffe Leidenschaft für das Spiel und den Gesang, die Hingabe der Anfeuerung. Schon bevor das Spiel in der Qualifikationsgruppe D zur Europameisterschaft begann, hatte sich für viele der Aufenthalt gelohnt. Gell, Thomas Müller, da kriegt man doch eine Gänsehaut? "Damit ich eine Gänsehaut bekomme, muss schon was anderes passieren", entgegnete er.

Schottland nervt die Weltmeister

Man will nun detailliert gar nicht mehr wissen, was bei Thomas Müller eine Gänsehaut auslöst. Ein in Teilen nerviges 3:2 in Schottland jedenfalls nicht. Auch nicht, wenn man damit die Teilnahme an der EM im kommenden Jahr praktisch sicher hat. Das traf die Stimmung in der Nationalmannschaft ganz gut. Die meisten sind ja schon rumgekommen in der Welt. Es blieb eher hängen, dass der Gegner mit sechs Verteidigern spielte und damit unverschämterweise fast noch Erfolg gehabt hätte. Da tut sich etwa Bundestrainer Joachim Löw seit jeher schwer, respektvollen Sportmanns-Geist zu zeigen.

"Es war nicht so einfach, weil wir gegen eine Mannschaft gespielt haben, die mit acht oder neun Spielern um den Sechzehner stand, nur mit langen Bällen operiert und auf Standards gehofft hat", urteilte er und sah dabei so aus, als würde er gerade auf etwas Saures beißen. Diese Art Fußball ist nichts für Joachim Löw, da können die Leute brüllen und jubeln wie sie wollen.

"Das ist normal, dass hier alle Zuschauer aufstehen und jeden Ball bejubeln, der ins Aus geht." Wenn dann auch noch zwei Tore für die eigene Mannschaft fallen, dann sorge das logischerweise für Stimmung. Seine Meinung zum Gegner war indes deutlich: "Im Grunde hatten die Schotten keine Chance."

Staunen über Schottlands Tore

Ungewöhnlich war, dass sich trotz der Chancenlosigkeit des Gegners ein aufregendes Fußballspiel entwickelte. Löw hatte im Vergleich zum Freitag gegen Polen den Passspieler İlkay Gündoğan zusätzlich ins Mittelfeld beordert, womit der Ball zumeist zwischen dessen Füßen und jenen von Toni Kroos, Bastian Schweinsteiger, Mesut Özil und all den anderen sicheren Passspielern hin und her lief. Die Schotten erstaunten zwar mit energischen Attacken, doch an die Kugel kamen sie höchst selten. Als dann Müller mit links einen seltsamen Schuss abfeuerte, der abgefälscht ins Tor kullerte, schien das Spiel praktisch entschieden (18.). Wie sollten diese Schotten ein Tor erzielen?

Sie erzielten dann sogar zwei. Vor dem ersten verursachte Emre Can einen unnötigen Freistoß, den Schuss von Shaun Maloney boxte Torwart Manuel Neuer seinem Vordermann Mats Hummels an die Brust (28.). Nachdem Müller noch einmal per Kopf getroffen hatte (34.), glich James McArthur mit einem Fernschuss zum zweiten Mal aus. Wieder war Neuer irritiert, Gündoğan hatte das Abseits aufgehoben (43.). "Das waren unglaubliche Situationen, das kann immer mal passieren", meinte Neuer. Die Zuschauer freuten sich darüber so sehr, dass sich wohl noch in den 50 Kilometer entfernten Highlands die Schafe über das Gebrüll wunderten. Auch Müller wunderte sich: "Schottland hat nicht viel fürs Spiel getan, aber es steht 2:2."

Hummels kritisiert die Erwartungshaltung

Doch es gehört zu dieser deutschen Mannschaft, dass sie sich von unvorhersehbaren Ereignissen nicht aus der Ruhe bringen lässt. "Das Wichtigste ist, cool zu bleiben und den Stil nicht zu verändern", erklärte Neuer. Genau das taten die Deutschen: Sie blieben cool und spielten weiter wie zuvor. Ein wunderbarer Angriff über Müller führte bald zur dritten Führung, Gündoğan traf zum 3:2 (54.). Den Gastgebern blieb ihr dritter Brüllmoment verwehrt.

Trotz des knappen Erfolgs fand sich nach dem Abpfiff niemand, der viel auszusetzen hatte. Einhellig meinten die Spieler, sie hätten sogar besser gespielt als beim furiosen 3:1 gegen Polen. Was insofern richtig war, weil ihnen diesmal kaum Fehlpässe unterliefen und der Gegner deshalb keine Konter laufen konnte. Gegen den Anspruch, der Weltmeister müsse doch in Glasgow federleichter gewinnen, wehrten sie sich ohnehin. "Es wird vieles so hingestellt, als wäre es immer einfach für uns, zu gewinnen. Ich finde die Erwartungshaltung fast schon arrogant", kritisierte Mats Hummels. Er erinnerte an die WM: "Da haben wir uns fünf von sieben Malen durchgebissen, und es wird im Nachhinein so getan, als sei es ganz locker von der Hand gegangen."

Innerhalb von vier Tagen haben sich die Deutschen nun wohl zur EM durchgebissen, die starken Polen und die widerspenstigen Schotten besiegt. Löw erklärte, er müsse der Mannschaft ein Kompliment machen. Und ging ins Detail. Das Trainerteam habe in dieser Woche drei, vier taktische Dinge angesprochen, die die Spieler verändern sollten. "Ich bin überrascht, wie schnell das umgesetzt wird", staunte der Fußballlehrer Löw.

Das sind eben die Sorgen eines Weltmeisters. So eine emotionale Atmosphäre im Stadion darf da keine Rolle spielen.

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