DFB-Elf gegen Polen:Warschau, war da was?

Als Weltmeistertrainer kehrt Joachim Löw an den Ort seiner schlimmsten Niederlage zurück. Der Halbfinalpleite von 2012 gegen Italien hat der Bundestrainer heute viel zu verdanken.

Von Boris Herrmann, Warschau

Warschau, war da mal was? Joachim Löw sagt, er habe gar nicht mehr daran gedacht, dass es hier passierte. Aber da er nun direkt darauf angesprochen wurde, ist es ihm natürlich wieder eingefallen. Im Warschauer Nationalstadion hat Löw einen der schwärzesten Tage seiner Amtszeit erlebt. 1:2 im EM-Halbfinale gegen Italien. Seine persönliche Stunde Null. "Ich muss zugeben, dass diese Niederlage Nachwirkungen hatte", sagte Löw nach einem kurzen Moment der inneren Einkehr.

Nachwirkungen, das klingt immer gleich so negativ. Zu negativ vielleicht.

Damals, Ende Juni 2012, hat Löw diese Stadt als geschlagener Mann verlassen. Als einer, von dem viele sagten, dass er es nicht kann. Für das EM-Qualifikationsspiel gegen Polen, das an diesem Samstag um 20.45 Uhr angepfiffen wird, kehrt er als gefeierter Weltmeistermacher zurück. Als einer, der in der Hotellobby fleißig Autogramme schreibt. Weil jeder gesehen hat, dass er es eben doch zu können scheint. Und man interpretiert nicht zu viel in diesen Löw hinein, wenn man sagt, dass die Schmach von Warschau in seinem Fall bis zum Triumph von Rio nachwirkte.

Er interpretiert das selber so. "Wir haben damals gegen Italien nicht mit unseren eigenen Waffen gekämpft, wir sind von unserer Linie abgewichen", sagte Löw am Freitag ungewohnt selbstkritisch. Es war das Bekenntnis eines Mannes, der das Happy end kennt. Der weiß, dass er den wichtigsten aller Pokale gewonnen hat, weil er in Brasilien eben nicht von seiner Linie abgewichen ist. Weil er aus Warschau gelernt hat.

Nach diesem kurzen Ausflug in die Vergangenheit hat sich Löw aber schnell wieder daran gemacht, die Gegenwart zu organisieren. Eine Gegenwart, die ihm durchaus ein paar Sorgen bereitet. "Wir werden auf einen aufsässigen Gegner treffen", ahnt Löw. Und: "Die Zuschauer werden am Samstag auch nicht ins Stadion kommen, um den Weltmeister zu feiern." Zumal das nächste Problem ist, dass dieser Weltmeister mit dem Weltmeister vom Weltmeistersommer nicht allzu viel zu tun haben wird.

Einige Spieler von damals haben bekanntlich ihre Karriere in der Nationalelf beendet, andere sind verletzt oder dauerverletzt (Mesut Özil). Löw hat deshalb nur 14 Feldspieler dabei. "Das hat einige Planungen über den Haufen geworfen", räumt er ein. Aber er will nicht quengeln, auch das ist ja eine Lehre von Warschau. Immerhin: Alle 14 angereisten Feldspieler sind nach Lage der Dinge einsatzfähig - also auch die zuletzt angeschlagenen André Schürrle und Julian Draxler. "Wir werden eine gute Mannschaft aufs Feld schicken können", verspricht Löw.

Spielt das "Gute-Laune-Urgestein"?

Ob Lukas Podolski ein Teil davon sein wird, hat Löw erwartungsgemäß noch nicht verraten, nur so viel: "Der Lukas hat bei uns scho' au immer die berechtigte Hoffnung, dass er von Anfang an spielen kann." Das wird der Lukas gerne hören, denn zuletzt sind diese Hoffnungen ja sowohl beim FC Arsenal als auch beim DFB überschaubar gewesen.

Bei der WM in Brasilien stand er nur 54 Minuten auf dem Platz. Und beim FC Arsenal wurde Podolski zuletzt so selten in der ersten Elf gebraucht, dass er bereits lautstark mit einem Abgang im Winter liebäugelt. Für den Moment ist aber festzustellen, dass sich die Erde immer weiterdreht und Podolski mit seinen 29 Jahren immer noch da ist.

Von der dpa wurde er gerade liebevoll als "Gute-Laune-Urgestein" bezeichnet, und in dieser Funktion übernahm er nach der Ankunft in Warschau auch gleich die Öffentlichkeitsarbeit für die Nationalmannschaft. Auf Deutsch und auf Polnisch, selbstredend.

"Es ist immer etwas Besonderes, in meinem Geburtsland zu spielen", sagte er mit einem Lächeln im Mundwinkel. Er hat sich diesen Satz schon tausend Mal sagen hören, aber er wird ihn zur Not noch tausend weitere Male sagen. Weil er weiß, dass es Nachwirkungen hätte, wenn er darauf verzichten würde. Er hat deshalb auch wieder artig von seiner Familie in Schlesien erzählt, die natürlich stolz auf ihn, den Weltmeister, sei (obwohl er nur 54 Minuten gespielt hat). Podolski formuliert es so: "Wenn ich ein Cousin von mir wäre, wäre ich auch stolz."

Allein wegen solcher Sätze ist es gut, dass er noch da ist.

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