DFB-Elf gegen Polen:Endlich auf der Pole Position

Germany v Poland - EURO 2016 Qualifier

Es müllert gegen Polen: Thomas Müller trifft zum 1:0.

(Foto: Dennis Grombkowski/Getty Images)
  • Im Schlüsselspiel um die Tabellenführung gewinnt die deutsche Nationalelf 3:1 gegen Polen - und macht einen großen Schritt in Richtung Fußball-EM.
  • Zweimal Götze und Müller treffen, nur Robert Lewandowski nervt den Weltmeister.
  • Hier geht es zur Tabelle.

Von Philipp Selldorf, Frankfurt

Bevor der italienische Schiedsrichter Nicola Rizzoli die Partie eröffnete, machten sich Zweifel breit, ob die deutsche Nationalmannschaft tatsächlich ein Heimspiel hätte. Die halbe polnische Nation schien sich auf den Weg ins Frankfurter Stadion gemacht zu haben. Die vielen in rot und weiß gehüllten Besucher aus dem Nachbarland fielen durch große Sorglosigkeit und Siegesgewissheit auf und bestätigten die These des Bundestrainers Joachim Löw, dass sich das Fußball-Land Polen in Anbetracht der Tabellenführung in der Gruppe D im Zustand einer "kleinen Euphorie" befindet. Beziehungsweise: befand.

Denn nach dem hart erarbeiteten, aber nach einer couragierten Vorstellung verdienten 3:1-Sieg des DFB-Teams hat der Weltmeister nun wieder die Pole Position im Wettbewerb übernommen. Das diskrete Bangen um den Startplatz bei der EM darf somit erst mal eingestellt werden, zumal da im fernen Kaukasus Georgien mit dem 1:0-Sieg gegen Schottland Schützenhilfe leistete. Die Tabelle liest sich aus deutscher Sicht nun wieder wesentlich freundlicher - die "gewisse Drucksituation", die Löw hinterher einräumte, hat sich erst mal erledigt. Die Reise zum Spiel in Glasgow am Montag (20.45/RTL) lässt sich nun etwas beruhigter angehen.

Die polnische Mannschaft startete tatsächlich mit einem Schwung in die Partie, als ob Frankfurt an der Weichsel liegen würde. Das hatten die Deutschen offenbar nicht erwartet, Löw hatte einen defensiv orientierten Gegner angekündigt, nun wirkten seine Leute fast eingeschüchtert. Die erste gelungene Angriffsaktion nach sechs Minuten - ein Schussversuch von Bellarabi nach Vorarbeit von Boateng und Hector - gab ihnen wieder mehr Sicherheit, zumal da die Szene den Deutschen einen Weg zum polnischen Tor wies, den sie in der folgenden Zeit fast schon schematisch zu nutzen wussten.

Götze krönt sein Solo

Eine Schlüsselrolle kam dabei dem Kölner Verteidiger Hector zu, der regelmäßig wie ein Linksaußen die Linie entlang stürmte, um hinter die polnische Deckung zu stoßen. Man habe "bewusst ein hohes Risiko eingehen wolle auf den Außenpositionen", erklärte Löw hinterher, und das zahlte sich schon bald aus: Nach einem Doppelpass mit Bellarabi nahm Hector im Strafraum Kurs Richtung Grundlinie und legte den Ball im rechten Moment in die Mitte, wo Müller ein herrlich freies Tor vorfand - 1:0 (12.

). Die linke Angriffsseite bildete auch danach die Hauptstraße in den polnischen Strafraum, der Länderspiel-Debütant Emre Can musste sich rechts ein wenig vergessen vorkommen. So fiel das Rampenlicht wieder auf sein Pendant Hector, der als Vorbereiter auch am 2:0 seinen Anteil hatte. Die Ovationen gingen aber an den Torschützen Mario Götze, der mit einem Flachschuss ins Eck sein dynamisches Solo krönte (19.).

Neuer rettet die Pausenführung

Was sollte jetzt noch schiefgehen, dachten da wohl die meisten Besucher, da sich die deutsche Mannschaft in eine Euphorie steigerte, die man kaum noch als klein bezeichnen konnte. Götze drehte auf, als ob auf einmal all sein schwerer Bayern-Verdruss verflogen wäre, Bellarabi wirbelte, Müller wühlte, Boateng verteidigte tief in der polnischen Hälfte nach vorn. Das alles sah gut aus. Aber es sah auch so aus, als wären die Deutschen vielleicht etwas zu begeistert von sich.

"Die Polen hatten eigentlich nur eine Chance, wenn wir die Bälle verloren haben", bemerkte der Bundestrainer. Und das Problem war, dass seine Spieler nun in häufigerer Frequenz genau dies taten.

Plötzlich trugen die Polen einen Konter über die nun auch von Can vergessene rechte Seite vor, den Lewandowski mit einem herrlichen Flugkopfball nach ebenso herrlicher Außenristflanke von Grosicki zum 1:2 vollendete (36.). Dass den jetzt arg ungeordneten Gastgebern vor der Pause der Ausgleich erspart blieb, verdankten sie erstens Manuel Neuer, der einen Gewaltschuss des enteilten Lewandowski abwehrte, und zweitens dem fürsorglich postierten Götze, der kurz darauf Lewandowskis Kopfball den Weg ins Tor versperrte.

Großer Aufwand bis zum Schluss

Neuer zeigte für die Aussetzer der Kollegen noch das meiste Verständnis: "Es war klar, dass Fehler passieren, da braucht man halt einen Torwart." Der Torschütze Müller hingegen geißelte sich explizit selbst dafür, dass er "gleich zwei Mal die Polen bedient" habe in der zweiten Hälfte, in der sich das farbige Geschehen aus den Schlussminuten der ersten fortsetzte. Beide Mannschaften forcierten die Offensive, die Deutschen umso mehr, als Gündogan den Platz des angeschlagenen Bellarabi übernahm. Der Dortmunder drängte sofort mit filigranen Tempodribblings in die Bildmitte, sein Steilpässchen auf Götze hätte fast das 3:1 gebracht. Fast - der Ball landete am Pfosten (57.). Die Deutschen boten das technisch feinere Spiel, die keineswegs eingeschüchterten Polen nahmen jedoch immer wieder den geradlinigen Weg nach vorn. Einer dieser schnellen Vorstöße gab Maczynski die Gelegenheit, Neuer eine weitere Faustparade abzuverlangen (62.). Einen Sturmlauf von Grosicki beendete Boateng mit zweifelhafter aber tolerierter Grätsche.

Die Deutschen schafften es allmählich, mit großem Aufwand die Spielhoheit zu gewinnen, die Spielkontrolle besaßen sie jedoch nicht. Zwar ergaben sich diverse Halbchancen für das energisch auf den dritten Treffer drängende DFB-Team, aber sie liefen ständig Gefahr, Lücken für polnische Konter zu öffnen. Erst ein Fehler des ansonsten guten Fabianski brachte Erleichterung. Einen Schuss von Müller lenkte der Torwart vor die Füße von Götze, der das Geschenk dankend annahm.

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