DFB-Elf: Die Pfiffe der Fans:Verrat am eigenen Trainer

Die heftigen Unmutsäußerungen der Fans beim 1:1 gegen Finnland sind nicht nachvollziehbar. Sie schaden der deutschen Nationalelf und behindern Bundestrainer Joachim Löw.

Michael König

Der Deutsche Fußball-Bund hat sich in den vergangenen Jahren rührend um seine Anhänger gekümmert: Ein Fanklub wurde gegründet und ein Maskottchen erfunden - ein Adler namens Paule hüpft bei den Spielen der Nationalelf umher. Im Gegensatz zum WM-Löwen Goleo trägt Paule sogar eine Hose.

DFB-Elf: Die Pfiffe der Fans: Die deutsche Fußball-Nationalelf wurde im Spiel gegen Finnland von den Fans schon früh mit Pfiffen bedacht. Bundestrainer Jogi Löw kann das ganz und gar nicht recht gewesen sein.

Die deutsche Fußball-Nationalelf wurde im Spiel gegen Finnland von den Fans schon früh mit Pfiffen bedacht. Bundestrainer Jogi Löw kann das ganz und gar nicht recht gewesen sein.

(Foto: Foto: dpa)

Außerdem beschäftigt der DFB einen publikumsnahen Bundestrainer namens Jogi Löw, der es zur Werbefigur für Pflegeprodukte gebracht hat und dessen Kleidungsstil selbst von Experten auf diesem Gebiet bewundert wird. (An dieser Stelle sei an das großkarierte Sakko von Bundestrainer Uli Stielike erinnert, das 1998 in der Modewelt blankes Entsetzen auslöste.)

26 von 30 Punkten

Das Fanfreundlichste aber ist der Erfolg der Nationalelf unter der Leitung von Jogi Löw: In der WM-Qualifikation erreichte sie 26 von 30 möglichen Punkten und verlor kein einziges Mal. Dennoch wurde Löws Mannschaft am Mittwoch beim 1:1 gegen Finnland gnadenlos ausgepfiffen. Fair ist das nicht.

Weitere Videos finden Sie hier

Nach dem entscheidenden 1:0-Erfolg in Russland und der endgültigen WM-Qualifikation hatte Löw sein Team gegen Finnland ordentlich durcheinander gewirbelt: Mit Beck, Friedrich, Hitzlsperger, Trochowski, Gomez und Cacau bot er sechs neue Spieler auf, die zum Teil nur wenig Länderspielerfahrung besitzen (Beck, Cacau) und zum Teil in ihren Vereinen derzeit Krisen durchleben (Friedrich, Hitzlsperger, Gomez, Cacau).

Dass die Mannschaft in dieser Startaufstellung keinen Zauberfußball bieten würde, war zu erwarten. Löw nahm das in Kauf, weil es in der Partie ohnehin um nichts mehr ging. Im Übrigen hätte es wohl Kritik von Uli Hoeneß gegeben, hätte er Bastian Schweinsteiger und Miroslav Klose ohne Not über 90 Minuten eingesetzt und damit eine Verletzung der Bayern-Offensivkräfte riskiert.

Garantie inbegriffen

Die Fans in der Hamburger Arena benahmen sich jedoch so, als wäre im Ticketpreis die Garantie auf ein Spitzenspiel inbegriffen. Nach 20 Minuten waren die ersten Pfiffe zu hören. Nach 40 Minuten bekamen die Spieler schließlich ein Konzert geboten, das mit dem Attribut "gellend" nur unzureichend beschrieben wäre.

Selbst die Diplomaten unter den Nationalspielern fanden deshalb nach Spielende deutliche Worte: "Die Pfiffe kamen sehr früh, das hilft natürlich nicht", sagte etwa Andreas Beck. Thomas Hitzlsperger assistierte: "Die Ungeduld der Leute hat es nicht einfacher gemacht."

Torwart René Adler fand die Reaktion "unangebracht" und Kapitän Michael Ballack, nicht eben als Sensibelchen bekannt, gab zu: "Natürlich tut das jedem Spieler weh, das ist für mich auch unverständlich." Man habe sich in der ganzen WM-Qualifikation hervorragend präsentiert und "viel mehr Applaus und viel mehr Geduld" verdient gehabt.

"Das ist schon kurios"

Vollends absurd wurde die Reaktion der Fans, als in der ersten Halbzeit mehrfach die La Ola durch das Stadion schwappte - jeweils nur wenige Minuten nach den Anfeindungen. "Die eine Hälfte des Stadions pfeift, die andere Hälfte feiert. Das ist schon kurios", sagte Heiko Westermann, der sich als Spieler des FC Schalke 04 mit irrationalen Fanreaktionen auskennt.

Dass aus den Helden von Moskau in weniger als einer Halbzeit die Buhmänner von Hamburg wurden, lässt Böses erahnen für die Testspiele gegen Chile (in Köln) und Ägypten (auf Schalke) im November. Löw muss dort ebenfalls experimentieren. Spieler auf ihre WM-Tauglichkeit zu prüfen, das ist sein Job. Ihn dabei auszupfeifen, ist Verrat am eigenen Trainer.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: