DFB-Elf:Blitztherapie kuriert den Weltmeister

Beim 4:1-Sieg gegen Italien erfüllen die Nationalspieler mit Eleganz und Leidenschaft die Forderung des Bundestrainers. Und zeigen Kombinationen aus der Feinkostabteilung.

Aus dem Stadion von Claudio Catuogno

Raus aus dem Testspielmodus! Zurück zur Wettkampf-Mentalität! So hatte Joachim Löw sich das vorgestellt für das Länderspiel am Dienstagabend gegen Italien. Und tatsächlich sprach ja einiges dafür, dass ihm dieser Wunsch erfüllt werden würde. Das in letzter Minute verdaddelte 2:3 vom Samstag gegen England trug ebenso zur allgemeinen Körperspannung bei wie die DFB-Bilanz gegen die berüchtigten Taktiker von der anderen Seite der Alpen: Seit 1995, seit fast 21 Jahren also, hatte keine deutsche Nationalelf mehr gegen Italien gewinnen können. Auch so eine Bilanz schärft die Sinne.

Und wie: Am Ende stand da tatsächlich ein 4:1 auf der Anzeigetafel in der Münchner Arena. Kein ganz ungewohntes Ergebnis zwischen Italia und Germania. Aber diesmal tatsächlich: für die Deutschen.

Und das, obwohl ja auch "La Mannschaft", wie die DFB-Elf mit Blick auf die nahende EM in Frankreich neuerdings vermarktet wird, irgendwie mitbekommen haben muss, dass es sich bei dem Kick formal um genau das handelte: um ein Testspiel. Noch dazu wählte Löw eine Startelf, die als "La Testspiel-Mannschaft" nicht falsch beschrieben wäre. Dass man etwa eine Dreierkette in der Besetzung Hummels-Mustafi-Rüdiger sobald wiedersehen wird, ist unwahrscheinlich. Dazu ein Wolfsburger (Draxler) und ein Hoffenheimer (Rudy) in der Startelf - da war jetzt nicht automatisch das ganz große Selbstvertrauen am Ball.

Und das gleiche Manko durfte man dem Münchner Bankangestellten Mario Götze zuschreiben, dessen Startelf-Einsatz von allen DFB-Verantwortlichen als derart alternativlos angekündigt wurde, dass die therapeutischen Gründe offensichtlich waren. Von Pep Guardiola in München missachtet, von Jogi Löw in München gestreichelt, das war der Plan.

Dass er aufging, lag allerdings auch an einer kolossalen Fehleinschätzung des Bundestrainers. Italien sei "noch mal ein anderes Kaliber" als England, hatte Löw gemutmaßt. Er meinte: ein größeres Kaliber. Doch dann wurde Italien, um im Bild zu bleiben, noch nicht mal als Schreckschusspistole in München vorstellig. Quasi: im totalen Testspielmodus. Falls die Deutschen im Sommer, wie es das EM-Tableau vorsieht, schon im Viertelfinale wieder auf die Squadra von Antonio Conte treffen, sollten sie sich jedenfalls nicht allzu sicher fühlen. Noch mal 4:1 dürfte es nicht ausgehen.

Aber man kann ja immer nur den Gegner schlagen, der einem auf dem Rasen gegenüber steht. Konkret bewerten kann man nur die Gegenwart. Und da bleibt festzuhalten, dass der Ball meist schon ziemlich locker durchs deutsche Mittelfeld lief - das war allerdings auch der einzige Mannschaftsteil, der nominell in Bestbesetzung antrat. Mesut Özil und Toni Kroos agierten diesmal ungewohnt defensiv (wegen der unpässlichen Sechser Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira), schräg davor - ungewohnt zentral - war der erstmals als Kapitän aufgebotene Thomas Müller postiert. Und die drei brachten bisweilen Kombinationen hervor wie aus der Feinkostabteilung.

Brillante Schusstechnik von Kroos

Deutschland - Italien

DFB-Elf: Freude gegen Italien

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Özils erster Versuch nach einem Konter wurde noch abgeblockt (9.). Aber nach gut zwanzig Minuten brachte das Miteinander der Drei schon die Führung: Özil hoch und rechts raus auf Müller, Müller flach und scharf rein in die Mitte - und weil noch das Bein des Italieners Bonucci dazwischen gerät, landet der Ball bei Kroos. Der setzt ihn mit brillanter Schusstechnik genau neben den Pfosten.

Die gefährlichste Aktion der Gäste blieb eine italienisch-spanische Co-Produktion, als nämlich ein Spieler des AS Rom, Antonio Rüdiger, den Torwart des FC Barcelona, Marc André ter Stegen, zu einer arg schlampigen Fußabwehr nahe der eigenen Torlinie animierte (37.). Zwei deutsche Nationalspieler. Echte Italiener waren mal wieder nicht in der Nähe. Dann folgte auch schon das 2:0: ein unkonventioneller Lupfer von Müller, genau zwischen mehreren desorientieren Italienern hindurch - und Mario Götze genau auf den Kopf (45.). So viel Blitztherapie war selten.

Die Deutschen hatten in ihren sieglosen 21 Jahren gegen Italien eine Menge denkwürdige Niederlagen im Programm. Unvergessen das 1:4 in Florenz, wenige Wochen vor der WM 2006, das Jürgen Klinsmann beinahe eine Aussprache vor dem Bundestags-Sportausschuss eingebracht hätte. Dann das 0:2 nach Verlängerung im Heim-Turnier, im Halbfinale von Dortmund. Und schließlich das Halbfinale bei der EM 2012, das 1:2 in Warschau, das Joachim Löws Image arg ankratzte und ihn zum Abschied von mancher liebgewonnenen Ideologie bewegte. Der WM-Titel 2014 war gewissermaßen auch dieser Niederlage gegen Italien zu verdanken.

Aber diesmal war einfach alles anders. Vor allem Italien. Das 3:0 für Germania bereitete Draxler über seine linke Seite vor, seine feine Hereingabe verwertete Jonas Hector (59.). Und nachdem Rudy im Strafraum von Italiens Torwart Buffon von den Beinen geholt worden war, erhöhte Özil per Strafstoß auf 4:0. Das 4:1 erzielte der eingewechselte Stephan El Shaarawy, abgefälscht von Rüdiger, über den machtlosen ter Stegen hinweg (83.).

Die Mannschaft müsse "liefern" - auch das war eine der knackigen Ansagen des DFB-Stabs gewesen. Liefern, das klang ein bisschen nach Pizzabote. Sie hat dann tatsächlich geliefert. Dass sie ohne viel Gegenverkehr auf der Überholspur unterwegs war, kann man ihr ja nicht vorwerfen.

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