DFB-Elf beim Confed Cup:Löws kleiner Konflikt

  • Die junge DFB-Elf merkt, dass sie beim Confed Cup mehr als konkurrenzfähig ist.
  • Joachim Löw plant die Aufstellung gegen Kamerun deswegen mit einem Hintergedanken. Es geht nicht mehr vor allem ums Experimentieren.

Von Martin Schneider, Sotschi

Joachim Löw ist eine globale Institution. Das hat nie jemand ernsthaft bezweifelt, aber es wurde einem nochmal bewusst, als auf der Pressekonferenz an der Schwarzmeerküste ein Reporter des brasilianischen Medienkonglomerats Globo fragte, wie Joachim Löw denn die Entwicklung des brasilianischen Fußballs nach "diesem Halbfinale" sehe. Löw musste grinsen, um dann die Entwicklung in Brasilien artig zu loben. Neu aufgestellt nach der 1:7-Demütigung gegen die DFB-Elf, bessere Ergebnisse, immer Mitfavorit bei einem Turnier, sagte der Bundestrainer sinngemäß. Der Reporter schien zufrieden zu sein.

Dem Bundestrainer sah man bei all seiner löwschen Entspanntheit am Tag vor dem letzten Gruppenspiel gegen Kamerun nicht an, dass da ein kleiner Konflikt heraufzieht unter der strahlenden Sonne von Sotschi. Löw hat ja unendlich oft betont, dass dieses Turnier zum Experimentieren da ist. Gewinnen, so die Aussage vor dem Auftaktspiel gegen Australien, sei nicht der Maßstab von allem. Nun hat er aber eine Mannschaft im Teamhotel sitzen, die gegen Chile endgültig gemerkt hat, dass sie trotz ihrer wenigen Länderspiele mehr als konkurrenzfähig ist. Wenn man gegen Vidal und Sanchez bestehen kann, warum soll dann nicht auch der Pokal drin sein?

Einige Spieler haben noch keine Minute absolviert

Spieler wie Leon Goretzka, Timo Werner oder Joshua Kimmich haben selbst bei diesem Turnier auf dem Platz eine Körpersprache wie junge Wölfe auf der Jagd, nun kommt ihr Ehrgeiz auch abseits des Platzes durch. "Wir gehen rein, um zu gewinnen", sagte Goretzka auf der Pressekonferenz zum Spiel gegen den Afrikameister. Kimmich ärgerte sich schon zuvor, dass sie Chile nicht geschlagen haben. Der Bundestrainer hat nun aber versprochen, dass hier jeder mal irgendwie zum Einsatz kommen soll. Was tun? Seine Hunde an die Leine legen? Alles für den Erfolg oder alles für die Ausbildung?

Denn das Weiterkommen ist zwar wahrscheinlich, aber noch nicht sicher. Und Kamerun ist ein Gegner, der Widerstand leisten kann. "Es wird das laufintensivste und körperlich anstrengendste Spiel", sagte Löw. Also kein Gegner, den man im Vorbeigehen wegfrühstückt. Aber was tun mit Spielern wie Kerem Demirbay, Amin Younes, Marvin Plattenhardt, Benjamin Henrichs oder Kevin Trapp, die noch keine Minute gespielt haben?

Younes habe gegen San Marino gespielt, Trapp gegen Dänemark im Tor gestanden, erklärte Löw und rechnete das WM-Qualifikationsspiel und das Freundschaftsspiel einfach in den Komplex "Confed Cup" mit ein. Ob aber Trapp zum Beispiel nach Leno und ter Stegen seine Einsatzzeit gegen Kamerun bekommen wird, da wollte sich Löw im Gegensatz zu den anderen beiden Partien, als er den Torhüter lange vorher bekannt gab, nicht festlegen. Er hat schon auch gesehen, dass ter Stegen gegen Chile vor allem mit dem Ball am Fuß sehr gut gespielt hat.

"Es könnte sein, dass Plattenhardt spielt"

Antonio Rüdiger, der werde gegen Kamerun spielen, sagte Löw dagegen. Rüdiger ist der schnellste Abwehrspieler und Kamerun hat schnelle Stürmer, das biete sich an. "Es könnte sein, dass Julian Draxler oder auch Jonas Hector mal pausieren und zum Beispiel Marvin Plattenhardt spielt", sagte Löw dann im Gegensatz zur Personalie Rüdiger bewusst im Konjunktiv. Plattenhardt könnte von dem Umstand profitieren, dass Emre Can im Training umgeknickt ist. Wie schlimm das sei, konnte Löw nicht sagen, aber der Spieler musste die Einheit abbrechen. Da Löw mit Sebastian Rudy und Can eigentlich nur zwei richtige Sechser hat, könnte Kimmich in die Mitte rücken und seine Position als Rechtsverteidiger für den Berliner Plattenhardt frei werden.

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird auch Timo Werner sein Startelfdebüt geben. Löw verriet, dass er schon gegen Chile überlegte, offensiv zu wechseln, sich dann aber dagegen entschied. Drei bis fünf Veränderungen im Vergleich zur Aufstellung gegen Chile seien denkbar. Das "absolute Ziel", sei aber das Halbfinale. Dafür würde ein Unentschieden genügen, auch eine Niederlage mit einem Tor Unterschied könnte noch reichen, falls Australien nicht gegen Chile gewinnt. Beim Confed Cup zählt bei Punktgleichheit zunächst das Torverhältnis, dann erst der direkte Vergleich.

Der Bundestrainer rechnet jedenfalls mit zwei weiteren Spielen, er plane die Aufstellung gegen Kamerun mit dem Hintergedanken, dass das Turnier danach nicht zu Ende ist. Wer im Halbfinale dann der Gegner sein könnte, das sei ihm egal. Er wollte nur Gastgeber Russland von Herzen das Weiterkommen wünschen. "Ich weiß selber, was es bedeutet, als Heimnation ins Halbfinale vorzudringen", sagte Löw. 2005 war er als Co-Trainer von Jürgen Klinsmann in Deutschland beim Confed Cup dabei. Die Russen haben das Weiterkommen am Samstag gegen Mexiko (1:2) jedoch verpasst.

Wenn die deutsche Mannschaft Gruppensieger werden würde, könnte sie in Sotschi bleiben und würde sich einen Flug nach Kasan ersparen. Dafür muss sie allerdings einen höheren Sieg einfahren als Chile gegen Australien. Goretzka will den Aufenthalt in Sotschi unbedingt verlängern. "Insgesamt ist es nicht das Verkehrteste der Welt, wenn man beim Essen aufs Meer gucken kann", sagte der Schalker.

Langes Gespräch mit Goretzka

Mit Goretzka, verriet Löw außerdem, habe er vor der Reise nach Russland ein längeres Vier-Augen-Gespräch über dessen Zukunft geführt. Man habe über verschiedene Szenarien gesprochen und Löw habe ihm seine Gedanken mitgeteilt. Welche Gedanken das waren, das sagte Löw natürlich nicht, aber man kann sich auch so denken, worum es bei einem Spieler geht, dessen Berater unlängst länger an der Säbener Straße in München weilte. Und da die Meinung des Bundestrainers von Rio bis Gelsenkirchen geschätzt wird, können sie auf Schalke nur hoffen, dass Löw in ihrem Sinne beraten hat.

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