DFB-Auswahl:Netter Herr Torjäger

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Tut mir leid, ich schon wieder: Nils Petersen spannt sich nach einem seiner fünf Treffer gegen Fidschis Torwart Simione Tamanisau den Ball unter den Arm und läuft zurück zum Anstoßpunkt. (Foto: Eugenio Savio/AP)

Überraschend hat Horst Hrubesch den Stürmer Nils Petersen für Olympia nominiert - gegen Fidschi traf er fünfmal.

Von Thomas Kistner, Belo Horizonte/München

Schon nach seinem ersten Tor gegen Fidschi verzichtete Nils Petersen auf einen ausgiebigen Jubel. Er klemmte sich den Ball unter seinen rechten Arm und lief ruhig zurück, nach dem zweiten Tor lächelte er zumindest. Und nach den weiteren Treffern drehte er sich erneut ohne Feierlichkeiten zügig um. Am Ende stand es 10:0 für Deutschland am Mittwoch in Belo Horizonte, die Hälfte der Tore hatte Petersen erzielt. Klar, er freue sich: "So ein Spiel ist für jeden Stürmer ein Geschenk", sagte er. Bejubelt hatte er aber keines der Tore. Der 27-Jährige und damit Älteste im Team von Horst Hrubesch ging beispielhaft voran - am Ort des denkwürdigen 7:1-Halbfinal-Sieges der deutschen Elf bei der Weltmeisterschaft 2014 gegen Brasilien. Er agierte so respektvoll wie vor zwei Jahren seine Vorgänger, die damals weltweit Anerkennung dafür bekamen.

Beim Stürmer des Bundesliga-Aufsteigers SC Freiburg war es mit dieser Anerkennung in den vergangenen Jahren allerdings etwas anders. D er nette Herr Petersen - das war eher ein Vorwurf an den Stürmer, der nun nach seinen fünf Treffern gemeinsam mit dem Teamkollegen Serge Gnabry die Torschützenliste des Fußballturniers anführt. Zu nett sei er gewesen als junger Kicker beim FC Bayern, hieß es, wo er nach neun Bundesliga-Partien und zwei Toren nur ein Jahr blieb. Nach zwei mittelmäßigen Jahren in Bremen fand er sein Glück beim SC Freiburg, wo er trotz Bundesliga-Angeboten für die zweite Liga zusagte. SC-Coach Christian Streich stellt daher Petersens "hohe Sozialintelligenz" heraus. Das klingt besser als "nett".

Unter Streich blüht Petersen auf: Mit 21 Treffern schoss er den SC zurück in die Bundesliga und sich selbst in die Olympia-Auswahl. Obwohl er bis heute kein A-Länderspiel absolviert hat. Mit seiner Berufung als einer der drei Über-23-Jährigen hatte kaum jemand gerechnet. Während Lars Stindl, Alex Meier und vorübergehend gar Philipp Lahm gehandelt wurden, nominierte Hrubesch Petersen - der wie einst sein Trainer einer viel diskutierten, weil fast ausgestorbenen, deutschen Spezies angehört: der des Strafraumstürmers.

Hrubesch, der bei seinem letzten Turnier endgültig den Status als netter Onkel in der Mannschaft erreicht hat, dürfte Petersen also auch ein bisschen an sich selbst erinnern. Der Mittelstürmer Hrubesch schaffte es ja auch erst als knapp 29-Jähriger erstmals in die A-Nationalelf.

Und zu Gegnern können Hrubesch und Petersen, beide übrigens mit 1,88 Metern gleich groß, ja auch böser sein - wie Petersen nach der Partie gegen Fidschi und vor dem Olympia-Viertelfinale gegen Portugal am Samstag (18 Uhr MESZ) unterstrich: "Deutschland hat mit Portugal noch eine Rechnung offen. Wie ich den Trainer kenne, ist er ein bisschen heiß darauf, die Schmach vergessen zu machen" - eine Anspielung auf das 0:5 im Halbfinale der U 21-EM im vorigen Jahr. Die deftige Niederlage wurmt Hrubesch immer noch. Damals verzichtete er auf einen Strafraumstürmer und schickte den beweglichen Kevin Volland aufs Feld. Nun sieht die Taktik anders aus: Ein Zentralstürmer wird spielen - entweder Davie Selke von RB Leipzig oder eben Petersen, der selbstbewusst betont, dass er sich nun "ins Rampenlicht gespielt" habe. Echte Stürmertore werden auch benötigt, da der torgefährliche Kapitän Leon Goretzka vom FC Schalke wegen einer Schulterverletzung abreisen musste.

Vielleicht bemerkt ja auch ein Freiburger Vorgänger das neue Selbstbewusstsein des Nils Petersen: Bundestrainer Joachim Löw, der sich nach der Europameisterschaft auf der Suche nach Mittelstürmern befindet.

© SZ vom 12.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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