DFB-Aufgebot gegen Frankreich:Konservativ ins Jahr der großen Chance

Bundestrainer Joachim Löw vertraut seinem gewachsenen Kader. Das Aufgebot für das Länderspiel gegen Frankreich gerät so konservativ, dass Löw sogar weiter auf den Stuttgarter Cacau setzt. Kandidaten wie den zuletzt groß aufspielenden Mike Hanke oder Jan Schlaudraff bleibt die Warteschlange.

Jörg Marwedel, Berlin

Kürzlich hat sich Joachim Löw über Oliver Bierhoff beklagt. Der Teammanager der Nationalelf sitze ihm ständig "mit seiner Organisationsmanie im Nacken", erzählte er dem Monatsmagazin 11Freunde schmunzelnd. Bierhoff wolle sogar schon wissen, gegen wen die DFB-Elf 2013 und 2014 Testspiele bestreiten möchte. Bierhoffs Organisationsmanie hat sich aktuell aber ausgezahlt. Es gibt wohl keinen besseren Testrivalen am 29. Februar in Bremen als Frankreich.

DFB-Pressekonferenz - Löw

"Wir wollen das Turnier gewinnen": Bundestrainer Joachim Löw auf der DFB-Pressekonferenz.

(Foto: dpa)

Einerseits, weil bei der Europameisterschaft vom 8. Juni bis 1. Juli in Polen und der Ukraine mit den Niederlanden, Portugal und Dänemark Gruppen-Gegner von ähnlichem Kaliber warten. Andererseits, weil Löw und Bierhoff überzeugt sind, dass selbst eine Niederlage gegen einen starken Rivalen die Vorbereitung nicht stören würde. Man müsse sich während der Vorbereitung "nicht am Tagesgeschäft messen", sagte Löw und verwies auf die Niederlagen vor der WM 2006 gegen Italien (1:4) und vor der WM 2010 gegen Argentinien (0:1), als die Mannschaft danach Turniere spielte, die Deutschland in einen Rausch versetzten.

Es ist wohl kein Zufall, dass Joachim Löw sein erstes Länderspiel-Aufgebot im EM-Jahr 2012 am Mittwoch im Glaspalast eines Autohauses in der Hauptstadt Berlin verkündete. Denn die "sehr, sehr hohen Erwartungen" sind bei ihm nicht geringer als bei Millionen Deutschen: "Es ist das Jahr der großen Chance", erklärte der gut gelaunte Bundestrainer, "wir wollen das Turnier gewinnen."

Zufall ist es auch nicht, dass in dem 22-köpfigen Aufgebot keine Überraschungen zu finden sind. Dass die Verletzten Mario Götze, Bastian Schweinsteiger, Lukas Podolski und Per Mertesacker fehlen, war klar. Aber abgesehen davon, dass diese vier Spieler wahrscheinlich rechtzeitig für das in rund 100 Tagen beginnende Turnier fit werden, macht sich Löw nicht mehr so viele Gedanken darüber, wer sie ersetzen könnte.

Anders als früher gibt es auf jeder Position mindestens eine erstklassige Alternative für Löws "Was ist wenn"-Strategie. Toni Kroos, André Schürrle und Mats Hummels haben schon bewiesen, dass sie auch Spieler wie Schweinsteiger oder Mertesacker ersetzen können. Andere Kandidaten aus dem etwa 30 Profis umfassenden erweiterten Kreis müssen sich hingegen weiter in die Warteschlange stellen, für den Fall, dass sich noch jemand verletzt oder einer völlig außer Form gerät - und sie doch noch durch "die Tür gehen können, die nicht ganz geschlossen ist", wie Löw sagt.

Erstmals mit beiden Benders

Das gilt sowohl für die zuletzt groß aufspielenden Gladbacher Mike Hanke und Patrick Herrmann (der sich aber jüngst das Schlüsselbein brach) wie auch für Hannovers Jan Schlaudraff (mit 28 eigentlich zu alt fürs juvenile Team). Mehr Zeit hätte das Schalker Talent Julian Draxler, aber auch die jungen Torhüter Marc-André ter Stegen (Gladbach) und Bernd Leno (Leverkusen) hat Löw erwähnt.

DFB-Pressekonferenz - Löw

Wenig Lust auf Experimente: Bundestrainer Joachim Löw.

(Foto: dpa)

Löws Aufgebot ist trotz seines modernen Fußballs so konservativ, dass er sogar weiter auf Cacau setzt, der in Stuttgart derzeit die Ersatzbank drückt, aber "in der Nationalelf immer zeigte, dass mit ihm zu rechnen ist". So ist die erstmalige gemeinsame Nominierung des Zwillingspaares Lars und Sven Bender im Mittelfeld das einzige Neue. Löw nennt sie "sehr zielorientiert".

Der Bundestrainer weiß, dass die erfolgreiche Phase nach der WM 2010 auch eine Tücke hat. Man habe "große Sprünge gemacht , wir können uns inzwischen spielerisch mit den besten Teams der Welt messen", sagte er; deshalb leide man aber ein wenig unter der "Last der guten Tat, weil nun die Fallhöhe etwas höher" sei als früher. Allerdings sei er sicher, "dass unsere Spieler relativ schwindelfrei sind".

Ob die während der Qualifikation verlustpunktfreie Mannschaft diese Schwindelfreiheit schon gegen Frankreich im Testlauf bestätigen kann, wird spannend, denn Löw zählt die Franzosen neben Spanien, Italien und Portugal zu den Titelkandidaten. Über die Aufstellung hat Löw noch keine konkreten Überlegungen angestellt. Selbst die angedachte Variante, den Werder-Keeper Tim Wiese im heimischen Weserstadion zu bringen, mochte er noch nicht bestätigen.

Nach dem Test in Bremen kann das Nationalteam vor der Europameisterschaft nur noch zweimal den Ernstfall proben: am 26. Mai in Basel gegen die Schweiz und am 1. Juni in Leipzig gegen Israel. Dann wird es ernst mit dem Vorhaben, zum ersten Mal seit 1996 wieder einen Titel zu gewinnen.

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