DFB-Affäre:"Schade und sonderbar"

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Sportpolitiker sind irritiert, wie lax der DFB mit einer Datei zur WM-Affäre umgegangen ist. Der Sportausschuss des Bundestages will das thematisieren.

Von Johannes Aumüller, Thomas Kistner, Frankfurt

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hat eine womöglich heikle Datei in der WM-2006-Affäre entschlüsselt, das bringt die neue Spitze des Deutschen Fußball-Bund (DFB) wegen ihres Umganges mit diesem Dokument immer stärker in die Kritik. "Ich kann wirklich nur noch mit dem Kopf schütteln. Der DFB hat nicht nur nicht alles dafür getan, um den Skandal aufzuklären - sondern der Verdacht liegt leider nahe, dass versucht wird, weiterhin zu vertuschen", sagt Özcan Mutlu, Sportpolitiker der Grünen im Bundestag.

Der DFB und die von ihm mit Nachforschungen beauftragte Kanzlei Freshfields hatten bereits vor mehr als einem Jahr eine verschlüsselte Word-Datei mit dem Namen "Komplex Jack Warner" gefunden, die offenkundig der frühere Vize-Generalsekretär Stefan Hans angelegt und im Ordner "Erdbeben" abgespeichert hatte. Der Verband übergab das Dokument aber nicht der Staatsanwaltschaft, sondern ließ Freshfields zunächst über Monate hinweg versuchen, es selbst zu öffnen. Die Bemühungen wurden dann beendet, so stellt es der DFB dar, weil der mutmaßliche finanzielle und zeitliche Aufwand für die Öffnungsversuche zu hoch gewesen seien.

Auch die Schweizer Behörden interessieren sich für den Inhalt des Dokumentes

Im April bot das Bundesinnenministerium (BMI) in einer nicht-öffentlichen Sportausschuss-Sitzung dem Verband an, sich diesbezüglich an das Ministerium zu wenden. Nachgeordnete Behörden wie das Bundesamt für Sicherheit verfügen in solchen Technikfragen über viel Expertise. Doch darauf ging der DFB nicht ein. Erst im November, ein Jahr nach dem Fund der Datei, wandte sich der Verband nach einer Anfrage der SZ zum Thema direkt an die Staatsanwaltschaft. Diese benötigte dann nur 24 Tage, um mit einer nicht näher spezifizierten Software die Datei lesbar zu machen.

Dieser Ablauf verblüfft viele. Der SPD-Sportpolitiker Detlev Pilger sagt, er halte den neuen DFB-Chef Reinhard Grindel zwar grundsätzlich für jemanden, der an Aufklärung wirklich interessiert sei. Aber dass der Verband dem BMI-Angebot nicht nachkam, finde er "schade und sonderbar". Für André Hahn (Die Linke) zeigt der Vorgang, "dass sich der Aufklärungswille des DFB sehr in Grenzen gehalten hat". Die Parlamentarier wollen den Umgang mit der Datei bei einer Sportausschuss- Sitzung im Januar thematisieren, bei der auch ein DFB-Vertreter erscheinen soll.

Der noch unbekannte Inhalt des Dokumentes könnte für zwei Strafverfahren interessant sein. Die Frankfurter ermitteln wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung, weil einst eine Zahlung des WM-Organisationskomitees über 6,7 Millionen Euro fälschlicherweise als Betriebsausgabe geltend gemacht wurde. Aber auch die Bundesanwaltschaft Bern hofft auf Erkenntnisse. Sie durchleuchtet den Geschäftssumpf um den Weltverband Fifa, zu ihren Prioritäten gehört der in viele Affären verstrickte Funktionär Jack Warner: Nach ihm ist die Datei benannt. "Die Bundesanwaltschaft der Schweiz ist sehr an Informationen interessiert, die im hängigen Schweizer Strafverfahren von Relevanz sein könnten", sagte ein Sprecher. Der DFB wollte sich zur Öffnung der Datei nicht äußern. Grundsätzlich weist er Vorwürfe zurück, sein Umgang damit sei falsch gewesen.

© SZ vom 16.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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