DFB-Affäre:Mann mit Beziehungen

Beckenbauer at centre of World Cup affair

Bild fürs Geschichtsbuch: Joseph Blatter (links), Franz Beckenbauer und Fedor Radmann im Jahr 2000 bei der Kür des WM-Ausrichters 2006.

(Foto: Walter Bieri/dpa)

Beckenbauers Vertrauter Fedor Radmann spielt eine zentrale Rolle in der Affäre um die WM 2006. Der Sportmanager war immer mittendrin im Geschehen.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott

Franz Beckenbauer sagt über den Emir von Katar gerne: "Das ist ein guter Freund von uns."

Aber weil der Emir natürlich nicht alles selbst machen kann, hat er Leute, die das Meiste für ihn regeln. Bei der Bewerbung der Deutschen für die Fußball-WM 2006, das verriet Beckenbauer vor Jahren dem österreichischen Sender Servus TV bei einer Diskussionsrunde in einem Flugzeug-Hangar in Salzburg, habe der Emir seinen Vertrauten Mohamed bin Hammam angewiesen, "dafür zu sorgen, für uns ein paar Stimmen zu holen". Nicht gegen Geld natürlich, nur so. Bin Hammam habe das dann auch gemacht.

Auch Beckenbauer hat Leute, die das Meiste für ihn regeln. Früher war das der Manager Robert Schwan, der für ihn so etwas wie ein Vater war. Fürs spezielle Leben ist das weiterhin Fedor Radmann, der "das beste Adressbuch der Welt" hat, wie der Künstler André Heller mal gesagt hat.

Nun lernt man in diesen Tagen, dass der Vertraute des Emirs und der Vertraute des Kaisers vermutlich Anfang 2002 in einer heiklen Geschichte zusammengekommen sind. Wenn stimmt, was darüber erzählt wird, war es damals so:

Deutschland hatte zwar den Zuschlag für die WM bekommen, aber dem Organisationskomitee (OK) fehlte es an Geld für größere Aktionen. Die Fifa, das ist üblich, zahlt zwar immer einen gewaltigen Zuschuss, aber der war noch nicht geflossen. Der erfahrene Horst R. Schmidt, der Generalsekretär des Deutschen Fußballbunds (DFB) und Vize des OK war, hatte in Zürich vorgesprochen, war aber abgeblitzt. Bin Hammam saß in der Finanzkommission der Fifa: "Du kannst am Besten mit ihm", soll OK-Präsident Beckenbauer zu Radmann gesagt haben. Der war formal Koordinator des OK und vor allem war er Beckenbauers rechte Hand.

Der gewiefte Radmann soll dann den gewieften Bin Hammam getroffen haben, und am Ende soll der Mann aus Katar gemeint haben, dass eine Vorleistung der Deutschen alles in Gang bringen könne. Von zehn Millionen Schweizer Franken sei die Rede gewesen. Nach herkömmlichen Maßstäben wäre das eine Art Schutzgelderpressung gewesen. Aber bei der Fifa und auch in Katar sind die Regeln wohl anders.

Gelernt hat er bei Willi Daume. Der holte ihn ins OK für die Olympischen Spiele in München

Der Unternehmer Robert Louis-Dreyfus soll dann in die Bresche gesprungen und die zehn Millionen Schweizer Franken als eine Art Darlehen vorgestreckt haben. Dann überwies die Fifa in Raten 250 Millionen Schweizer Franken.

Das Weitere ist bekannt: Durch den Spiegel wurden die ominösen zehn Millionen Franken öffentlich, aus denen beim Rückzahlen dann inklusive Zinsen 6,7 Millionen Euro wurden. Inzwischen brachte der größte Sportverband der Welt, der DFB eben, das Kunststück fertig, gleichzeitig zu implodieren und zu explodieren. Der Ausgang der Affäre ist noch offen. Insbesondere ist unklar, an wen die Millionen flossen.

Auch ist unklar, ob der ominöse Vertrag, den Beckenbauer im Juli 2000 mit dem Corrupti Jack Warner geschlossen hatte, der aber angeblich nicht durchgezogen wurde, und die zehn Millionen Schweizer Franken aus dem Jahr 2002 irgendetwas miteinander zu tun haben.

Auffällig ist jedenfalls, dass Jack Warner und Bin Hammam dicke miteinander waren.

Wenn man aus dem Stoff einen Film machen wollte, hätte das Besetzungsbüro ein paar Probleme. Wer sollte den früheren DFB-Chef Theo Zwanziger spielen, das wandelnde Pulverfass des Verbands? Und wer seinen jetzt zurückgetretenen Nachfolger Wolfgang Niersbach, den unglücklichsten Krisenbewältiger, seit es Krisen gibt? Die Rollen von Beckenbauer, Schmidt, Bin Hammam oder Jack Warner wären wohl leichter mit normalem Personal aus der Schauspielschule zu besetzen.

Merkwürdig blass bleibt bei dieser Affäre aber bislang Fedor Radmann, eine wohl zentrale Figur. Er versteht von den Dingen, um die es ging, mehr als andere. Ein Beziehungskünstler, das sagt man gern, wenn man nett sein will. In Branchenkreisen wurde er böserweise "Schiebor" genannt.

Gelernt hat er bei Willi Daume. Der holte ihn 1969 ins OK für die Olympischen Spiele 1972 in München. Nach einem Abstecher nach Berchtesgaden, wo er Tourismusdirektor war, ging es charakterbildend weiter: Marketingleiter bei Adidas; Deutschland-Statthalter der Marketingagentur ISL, die in der Sportwelt und speziell bei der Fifa in der Korruption neue Maßstäbe gesetzt hat, und dann Helfer von Beckenbauer und Koordinator bei der Bewerbung für die WM 2006.

Natürlich geht in diesen Tagen alles drunter und drüber und jeder verweist bei der Schuldfrage auf den anderen. Mit Radmann sei es damals gewesen "wie Flöhe hüten", sagt ein Insider. Der sei aus der Adidas-Schule gewesen und "ein Kind des Fifa-Systems". Genauso habe er agiert. Er sei "nie problembewusst" gewesen. Jeder gegen jeden. Das kennt man, wenn die Dämme brechen. Klar war aber schon damals, dass Radmann, dem Beckenbauer bis heute vertraut, viele Angriffsflächen bot. Wegen eines Beratervertrages mit Kirch und anrüchigen Geschäftsbeziehungen musste er 2003 seinen offiziellen Posten im WM-OK räumen - sein Nachfolger wurde der unglückselige Zwanziger.

"Längere Ausführungen, die Herr Radmann regelmäßig praktiziert, nach Möglichkeit unterbinden"

Der Weihrauchkessel wurde geschwenkt: "Vizepräsident Fedor H. Radmann hat ... aus persönlichen Gründen um Zustimmung gebeten, aus dem operativen Geschäft ausscheiden zu können", hieß es 2003 in einer Mitteilung des OK. Er blieb aber als Berater dabei. Im Kanzleramt beschwerte sich Radmann, ähnlich wie er es in diesen Tagen tut, über die Ungerechtigkeiten in der Welt. Denn immer würden die Tüchtigen, die Macher vermöbelt. Das Kanzleramt notierte, wie sich Radmann bei einem Anruf am 28. Februar 2003 geäußert habe: "Er hat sich nichts vorzuwerfen. Die Vorwürfe sind an den Haaren herbeigezogen. Die Angriffe gelten zum Teil anderen (Beckenbauer); für sie ist er der Trottel. Sein Kampfesmut ist ungebrochen."

Nicht jeder der Beteiligten fand den Beckenbauer-Vertrauten akzeptabel. Ein Ministerialrat im Kanzleramt gab Kollegen den Rat: "Längere Ausführungen, die Herr Radmann regelmäßig praktiziert, nach Möglichkeit unterbinden." Zur Affäre hat sich Radmann kürzlich so erklärt: Was da passiere, sei "eine Schande" . Der Franz sei "stocksauer". Und "so was von enttäuscht. Wir verlieren an Image in einem Ausmaß, das man sich gar nicht vorstellen kann".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: