DFB-Affäre:Eine Millionen Dollar, zahlbar einen Tag nach der Abstimmung

Fedor Radmann und Franz Beckenbauer

Franz Beckenbauer (links) und Fedor Radman holten die WM nach Deutschland - aber wie?

(Foto: Ursula Düren/dpa)
  • Das Magazin Der Spiegel berichtet über einen Vertrag zwischen dem Medien-Unternehmen Kirch und dem Libanesen Elias Zaccour.
  • Es soll um "Beratungsleistungen im Bereich Filmrechte" gegangen sein, Zaccour hatte mit Filmrechten aber nichts zu tun.
  • Tatsächlich hatte der Libanese sehr gute Kontakte zu Wahlmännern, die Deutschland die WM beschaffen sollten.

Von Thomas Kistner und Johannes Aumüller

Seit Monaten spitzt sich die Verdachtslage um die Sommermärchen-Affäre zu. Nun deutet auch ein bislang unbekannter Beratervertrag aus dem Jahr 2000, abgeschlossen mit einem schillernden libanesischen Geschäftsmann, darauf hin, dass für die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland Stimmen gekauft worden seien. Die neue Spur ergibt sich aus dem Wirken der Firma, die zu jener Zeit die TV-Rechte an der WM 2006 besaß: die KirchMedia-Gruppe, die zwei Jahre nach der Vergabe des Turniers implodierte. Firmeninterne Berechnungen zeigten, dass die zu erwartenden Gewinnmargen aus einem Turnier in Deutschland viel höher lagen als in Südafrika. Die Fußballdiaspora am Kap war jedoch Favorit, aus politischen Gründen: Der damalige Fifa-Chef Sepp Blatter stand bei den afrikanischen Wählern im Wort, die ihn 1998 ins Amt gehievt hatten. Wie schafften es die Deutschen, Blatters Macht in der korruptionsverseuchten Fifa zu torpedieren?

Der Spiegel berichtet nun, der Kirch-Konzern habe am 23. Juni 2000, 13 Tage vor dem WM-Entscheid des Fifa-Exekutivkomitees, einen Vertrag mit dem Libanesen Elias Zaccour besiegelt. Zweck: Beratungsleistungen im Bereich Filmrechte. Als Honorar seien zwei Millionen Dollar vereinbart worden. Eine Million war wohl bereits einige Wochen vorher geflossen: auf Zaccours Konto in Luxemburg. Die zweite sollte frühestens am 7. Juli 2000, dem Tag nach der WM-Kür, fließen.

Dass der schillernde Zaccour, Jugendfreund des von 1974 bis 1998 amtierenden Fifa-Patrons Joao Havelange, den Deutschen als Berater für eine Million zur Seite stand, ist seit 2003 bekannt. Neu ist, dass kurz vor der Kür noch eine zweite Million vereinbart war. Wenn die Last-Minute-Dienste des Libanesen bei der WM-Akquise unverzichtbar waren, dann gewiss nicht im Filmrechte-Sektor. Dort kannte sich der 2014 verstorbene Zaccour nicht aus. Er hatte sachdienlichere Kenntnisse: Wie man im Weltfußball Stimmen besorgt und Wahlen gewinnt.

Zaccour war Tutor des brasilianischen Fußballheros Pele. Und er war graue Eminenz hinter den Fifa-Granden aus Lateinamerika und der arabischen Welt. Havelange verhalf er 1974 auf den Thron, indem er mit dem Brasilianer auf Wahlkampftournee durch die Dritte Welt tingelte, im Schlepptau die gefeierten Dreifach-Weltmeister um Pele.

Aber: Wie könnte Zaccour Deutschland auf der Ziellinie zur WM verholfen haben? Kurz vor der Vergabe erschien die Lage hoffnungslos. Deutschland fehlte eine Stimme; von den vier asiatischen Fifa-Vorständen waren nur drei Voten verfügbar. Dies hatte den DFB-Vertretern Fifa-Vize Mohamed Bin Hammam mitgeteilt. Der Katarer ist inzwischen lebenslang gesperrt. An ihn gingen auch die 6,7 Millionen Euro, welche die WM-Organisatoren um Franz Beckenbauer 2002 von Ex-Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus geliehen und 2005 zurückgezahlt hatten. Auf welcher Gegenleistung also beruhte die zusätzliche Last-Minute-Million für Zaccour im Juni 2000? Der Libanese selbst lieferte einen Ansatz dafür. Am 2. Juli 2013 empfing er einen SZ-Reporter in seiner luxuriösen Terrassenwohnung am östlichen Ende der Strandstraße Avenida Atlantica, in Rios Stadtteil Leme. Der Blick geht aufs Meer, links liegt die Felsenanlage Duque de Caxias. An diesem Tag traf er eine Aussage, die erst Jahre später größte Brisanz entwickelte - und jetzt eine zusätzliche durch den Umstand, dass er eine weitere Million für eine äußerst kurze, doch vermutlich hocheffektive Werbearbeit für Deutschland kassiert haben soll. Zaccour sagte, für Deutschland hätten nur drei Asiaten votiert: Bin Hammam, Abdullah Al-Dabal (Saudi-Arabien) sowie Worawi Makudi (Thailand). Der Vierte aber sei ausgeschert: Chung Mong-Joon. Der Spross der milliardenschweren Hyundai-Dynastie in Südkorea verfolgte eigene Pläne. Er hatte just die WM 2002, die zunächst nur an Japan gehen sollte, zur ersten Doppel-WM der Historie ummodeln lassen; sie wurde in Japan/Südkorea ausgetragen. Gut war der Draht zur Fifa-Spitze, warum sollte er diese torpedieren?

Zaccour sagt 2013: "Für Chung ist Jack Warner eingesprungen. Er hat Deutschland gewählt." Das wisse er sicher. Auch sei Warner einer seiner besten Freunde. Von Korruption sprach er nicht, beteuerte aber, dies sei nicht Spekulation, sondern die Wahrheit. Dazu passen alle bekannten Puzzleteile der Affäre; vorneweg ein mutmaßlicher Korruptionsvertrag, den der deutsche Chefbewerber Beckenbauer vier Tage vor der WM-Kür mit Warner besiegelt hatte. Darin wurden dem Karibik-Funktionär, einem der korruptesten Fifa-Männer überhaupt, Leistungen im Wert von zehn Millionen D-Mark zugesichert.

Ob Zaccour damals seine zweite Dollarmillion erhielt, bleibt unklar. Der seinerzeitige Kirch-Intimus Dieter Hahn sagte dem Spiegel, ihm sei "ein 17 Jahre zurückliegender Vorgang nicht mehr erinnerlich". Immer deutlicher wird dafür zweierlei: Dass das Sommermärchen auf dieselbe Art nach Deutschland gekommen sein dürfte wie die anderen WM-Turniere seit mindestens 1998 in ihre Veranstalterländer; hierzu ermitteln das FBI und die Schweizer Bundesanwaltschaft. Und: Dass der DFB und die von ihm zur Untersuchung eingesetzte Kanzlei Freshfields keineswegs die kompromisslose Aufklärung betrieben, die sie seit Vorlage des Schlussreports behaupten. Zu den vielen Themen, die darin gar keine Erwähnung fanden, zählt der Fall Zaccour. Sowohl der erster Millionenvertrag - als auch dessen Beteuerung, Warner habe für Deutschland gestimmt.

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