Deutschland und Argentinien im Vergleich:Schnecke gegen Superheld

Deutschland und Argentinien im Vergleich: Links die Schnecke, rechts der angelnde Superheld: Lionel Messi und Miroslav Klose.

Links die Schnecke, rechts der angelnde Superheld: Lionel Messi und Miroslav Klose.

(Foto: AFP)

Wer rennt schneller als Arjen Robben? Welcher Torhüter war ein Totalausfall? Und welcher Argentinier spielt eigentlich am besten Schafkopf? Eine Gegenüberstellung der voraussichtlichen Aufstellungen von Deutschland und Argentinien vor dem WM-Finale.

Von Javier Cáceres und Boris Herrmann, Rio de Janeiro

TORHÜTER

Manuel Neuer: Gilt bislang als Totalausfall im deutschen Angriff. Hat in sechs WM-Einsätzen noch kein einziges Tor erzielt. Kann sonst aber fast alles. Zum Beispiel Abschläge, aus denen Vorlagen werden. Gilt ferner als einer der erfolgreichsten Schafkopfspieler im Campo Bahia. Überzeugte bei dieser WM aber auch als Innenverteidiger sowie als Torwart. Fängt Bälle mit der Gelassenheit eines bahianischen Fährmannes, was allemal ausreichen sollte, um ihm ewigen Ruhm einzubringen - weit über Bahia hinaus.

Sergio Romero: Wird Chiquito genannt, also der Kleine in verniedlichender Form. Wäre aber fast Basketballer geworden. Hat für einen Reservetorwart eines französischen Klubs der gehobenen Mittelklasse (AS Monaco) achtbar gehalten. Er bestritt sechs Spiele, fast so viele wie im ganzen Jahr zuvor, und hielt zwei Elfmeter im Stil von Sergio Goycochea, dem Elfmetertöter der Italien-WM 1990. Er darf Messi ungestraft einen Zwerg nennen. Siehe: "Der Zwerg hat wieder an der Lampe gerieben."

Wertung: Vorteil Deutschland

RECHTSVERTEIDIGER

Philipp Lahm: Fritz Walter war 33 Jahre alt, als er den WM-Pokal entgegen nahm, Franz Beckenbauer 28. Lahm war sechs, als er im Fernsehen sah, wie der 29 Jahre alte Lothar Matthäus die goldene Trophäe in den Himmel reckte. Das ist jetzt auch schon wieder ein paar Tage her. Matthäus ist inzwischen 53, und Lahm 30. Der ehemalige beste Rechtsverteidiger und Linksverteidiger der Welt, der zwischenzeitlich zum besten halben Doppelsechser des FC Bayern umfunktioniert wurde und inzwischen wieder als der beste Rechtsverteidiger der Welt zu gelten hat, könnte, wenn alles gut geht, der drittjüngste deutsche Weltmeisterkapitän-Kapitän werden. Nörgler könnten ihn dann aber genauso gut als zweitältesten deutschen Weltmeister-Kapitän bezeichnen.

Pablo Zabaleta: Ist der Lieblingsspieler von Papst Franziskus, weil er 2002 am Gewinn der Copa Sudamericana durch San Lorenzo beteiligt war, dem Lieblingsklub des Oberhaupts der katholischen Kirche. Der Mann mit der Alfredo-Di-Stéfano-Gedächtnisfrisur ist der heimliche Chef in der argentinischen Kabine, was auch daran liegen dürfte, dass er vergleichsweise unfallfrei spricht - und dass ihn neben dem Papst auch der Messi ganz gerne mag.

Wertung: Vorteil Deutschland

INNENVERTEIDIGUNG

Jérôme Boateng: Regeneriert sich etwa seit der 30. Minute des Halbfinales gegen Brasilien (ohne Eistonne). Regenerierte anschließend am Hotelpool mit seiner Verlobten Sherin und den Kindern weiter. Wird sehr ausgeruht ins Endspiel gehen. Kann jede Minute Wellness gebrauchen. Soll sich am Sonntag gemeinsam mit allen anderen um Messi kümmern.

Martin Demichelis: Wurde 2006 überraschend aus dem Kader gestrichen, rutschte diesmal überraschend in den Kader rein. War erst Ergänzungsspieler und Twitterkönig, stabilisiert nun die Abwehr. Mag es, wenn er respektiert wird, vor allem deshalb, weil er nicht immer und überall respektiert wird. Haut deshalb gerne in Form einer Respekt-Grätsche dazwischen. Spielte vor ein paar Jahrhunderten beim FC Bayern. Einziger Argentinier, dem zuzutrauen ist, dass er im Schafkopfen Manuel Neuer besiegt.

Wertung: Klitzekleiner Vorteil Argentinien

Khedira wird nicht mehr nach seiner Fitness gefragt

Mats Hummels: Ist leicht angeschlagen am Knie, wird aber gebraucht. Als Klassensprecher der Innenverteidigung und als torgefährlichster Innenverteidiger der WM. Trägt inzwischen nicht nur die Verantwortung, sondern auch die Sympathie. Ist laut einer aktuellen repräsentativen Umfrage der drittbeliebteste deutsche Nationalspieler - hinter Neuer und Müller. Ist schlau genug, um zu wissen, weshalb Müller vor ihm liegt: "Very funny guy. In Germany we call it Pausenclown."

Ezequiel Garay: Genannt "el Negro", der Schwarze. Ist schweigsam wie eine Mumie. Hatte bei Racing Santander für Furore gesorgt, wurde von Real Madrid entdeckt, dann aber von dort hastig an Benfica Lissabon weitergereicht, weil er in den Augen des früheren Trainers José Mourinho zu langsam war. Galt als ein Unsicherheitsfaktor der argentinischen Abwehr. Profitierte aber wie kein Zweiter von der Hereinnahme von Demichelis.

Wertung: Vorteil Deutschland

LINKSVERTEIDIGER

Benedikt Höwedes: Gilt als der Umschüler des Jahres. Hat sich von der Notlösung in der Innenverteidigung zur Speziallösung auf der linken Seite entwickelt. Stiftet alleine durch seinen Namen so viel Eindruck beim Finalgegner, dass sich sein Einsatz unbedingt rechtfertigt. Vereint den Vornamen eines deutschen Papstes mit dem Nachnamen eines deutschen Wadenbeißers. Ist in Südamerika als Benedikt Howetz bekannt.

Marcos Rojo: War laut Fifa-Statistik mit einer Spitzengeschwindigkeit von 31,8 Kilometern pro Stunde sogar schneller als der Niederländer Arjen Robben. Liebt nicht nur Tempo, sondern auch Risiko. Beim Spiel gegen Bosnien gab er einen Schlag namens "Rabona" zum Besten, der darin besteht, das Schussbein hinterm Standbein auszuholen, sich zu verknoten und den Ball dann zu treffen. So hatte es sein Vater mal gemacht. Allerdings nicht bei einem WM-Spiel, und auch nicht im eigenen Strafraum. Sondern auf dem Bolzplatz.

Wertung: Klassisches Unentschieden

MITTELFELD

Bastian Schweinsteiger: Stiftet alleine durch seinen Namen so viel Verwirrung bei Gegnern aus dem spanischen Sprachraum, dass sich sein Einsatz unbedingt rechtfertigt. Hat sich außerdem im besten (also höchst unuruguayischen) Sinne in dieses Turnier hineingebissen und sich vom Ergänzungsspieler mit Trainingsrückstand zum Spielsortierer und Chefstrukturierer entwickelt. Wird auf seiner Position von wenigen übertroffen - außer vielleicht vom Spielsortierer und Chefstrukturierer der Argentinier.

Javier Mascherano: Ein Spielsortierer, dessen Führungsanspruch bereits im Spitznamen durchklingt: El jefecito, der kleine Chef. Mag diesen Namen angeblich nicht, weil er sich für einen großen Chef hält. Reißt sich bei Barça im übertragenen Sinn den Hintern auf, tat dies nun im Spiel gegen die Niederlande im Wortsinn. "Ich möchte nicht vulgär sein, aber ich hab' mir beim Tackling den Anus verletzt", sagte er ohne rot zu werden. Wird nun in seiner Heimat ehrfurchtsvoll als "Mascheranus" (Diario Olé) gefeiert.

Wertung: Vorteil Argentinien im Fotofinish

Sami Khedira: Kam direkt aus dem Rehazentrum nach Brasilien (mit einem kleinen Umweg übers Champions-League-Finale). Wurde zu Turnierbeginn ständig nach seiner Fitness gefragt. Läuft seitdem mehr als jeder andere deutsche Nationalspieler. Harmoniert als Pressing-Leader bestens mit dem Aggressive-Leader Schweinsteiger. Spielt inzwischen wieder wie vor seinem Kreuzbandriss. Wurde schon lange nicht mehr nach seiner Fitness gefragt.

Lucas Biglia: Er ist ein klassischer defensiver Mittelfeldmann, der wie etwa Diego Maradona oder Fernando Redondo aus der Schule von Argentinos Juniors stammt. Hat den ursprünglich gesetzten Fernando Gago aus der Startelf verdrängt. Läuft seitdem mehr als jeder andere argentinische Nationalspieler. Darf bald als der Khedira Südamerikas bezeichnet werden. Ist aber noch nicht ganz so gut wie das Original.

Wertung: Vorteil Deutschland

Özil ist das torgefährlichste Sorgenkind des Fußballs

Thomas Müller: Könnte - wenn er noch ein, zwei Mal trifft - der erste Pausenclown werden, der sich in zwei Weltmeisterschaften in Serie die Torjägerkrone schnappt. Scheint daran aber kein gesteigertes Interesse zu haben. "Ich habe den Goldenen Schuh vor vier Jahren geholt, was will ich mit einem zweiten?" Will dem Vernehmen nach lieber der erste Pausenclown mit einem WM-Titel werden. Sollte dafür am besten auch ein, zwei Mal treffen.

Enzo Pérez: Ist einer der vielseitigsten Akteure der Argentinier. Er kann links wie rechts im Mittelfeld spielen, im Zweifel auch in der Abwehr oder im Sturm. Darf deshalb bald als der Manuel Neuer Südamerikas bezeichnet werden, obwohl er selten im Tor steht und noch seltener Schafkopf spielt. Rutschte trotz seiner Vielseitigkeit nur in den Kader, weil er unmittelbar vor der WM in der Form seines Lebens war. Rutschte im Halbfinale nur in die Startelf, weil sich Ángel di María verletzte. Muss im Finale zurück auf die Bank, falls Di María einem Wunderheiler in die Hände fällt.

Wertung: Vorteil Deutschland

Toni Kroos: Spielt bei diesem Turnier endlich so, dass auch der Letzte mitbekommen muss, dass er einer der begabtesten Fußballer der Welt ist. Er selbst wusste das natürlich schon länger, beim FC Bayern bestanden zumindest Restzweifel. Wechselt deshalb nach der WM zu Real Madrid, wo das offenbar auch schon länger bekannt war. Kann am Sonntag in Rio schon einmal für weitere Direktduelle mit Barcelonas Lionel Messi üben.

Lionel Messi: Wird "la Pulga" genannt, der Floh. Müsste aber eigentlich "Caracol" genannt werden, weil er nach Auskunft seiner Lehrerin mal bei einem Kostümfest als Schnecke verkleidet wurde: "Als Schnecke, stellen Sie sich das mal vor!" Orientiert sich insgeheim aber weder an Flöhen noch an Schnecken, sondern am argentinischen Fußballgott. Arbeitet an seiner schleichenden Maradonisierung. Schießt daher auch bevorzugt Tore, die Diego Maradona so ähnlich auch einmal geschossen hat. Aus WM-Finalspielen ist bislang kein Maradona-Tor bekannt.

Wertung: Unentschieden auf höchstem Niveau. Schon jetzt so etwas wie der Super-Clásico des Direktvergleichs.

Mesut Özil: Ist beim Bundestrainer unumstrittener Stammspieler, während er zu Hause als das Sorgenkind in Löws Stammelf gilt. Bietet immer mal wieder berechtigten Anlass zum Meckern. Böte allerdings auch ausreichend Anlass zu Lobgesängen. Etwa: drei Torvorlagen in einem WM-Halbfinale. Ist gerade das torgefährlichste Sorgenkind des Weltfußballs.

Ezequiel Lavezzi: Rutschte für den verletzten Sergio Agüero in die Startelf. Aufopferungsvoller Stürmer, der bislang aber kaum Torgefahr ausgestrahlt hat. Sorgt dennoch für gute Laune: Einmal kühlte er an der Seitenlinie Trainer Alejandro Sabella mit Wasser aus der Trinkflasche ab ("er war halt etwas nervös"). Vor der WM setzte er sich bei einer Reise zum Vatikan auf den Thron von Papst Franziskus.

Wertung: Ausgeglichen

ANGRIFF

Miroslav Klose: Wurde nach seinem ersten Turniertor von Ronaldo im "Fünfzehner-Klub" begrüßt. Sagte nach seinem zweiten Turniertor: "Jetzt schicke ich mir selbst eine Message - willkommen, Miro Klose, im Sechzehner-Klub." Braucht dringend neue Ziele. Ideen gäbe es genug. Hat als einziger gegenwärtiger DFB-Nationalspieler schon einmal ein WM-Finale verloren. Hätte zur Not noch andere Hobbys im Repertoire. Gilt als der einzige Superheld des Weltfußballs, der im Sommer gerne angelt und im Herbst gerne Pilze sammelt.

Gonzalo Higuaín: Genannt "Pipita", was im Falle der Higuaíns für einen prononcierten Zinken steht. Papa Higuaín vertritt heute die Interessen des Sohnes, gerne mal durch Anrufe in den Redaktionen, in denen er sich über die Noten für den Filius beschwert. Angeblich wollte ihn Messi zum FC Barcelona holen. Der Klub holte aber lieber Luis Suárez.

Statistisch gesehen: Klarer Vorteil Klose

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