Deutschland - Österreich:Immer wieder, immer wieder, immer wieder Cordoba

Hans Krankl traf zwei Mal gegen die DFB-Elf. Doch inzwischen führt der Deutschen-Besieger von 1978 ein Leben zwischen Mythos und Albtraum.

Holger Gertz

"Bitte fragen Sie mich nicht nach Cordoba", sagt Hans Krankl, der auf einem Podium sitzt im Aurum der Österreichischen Nationalbibliothek, Josefsplatz 2. Er spricht in seiner Funktion als "Internationaler Botschafter der Euro 2008" mit Journalisten über das ewige Duell Österreich - Deutschland, so stand es auf der Einladung, aber das ewige Duell hat einen Namen, Cordoba. "Bitte fragen Sie mich nicht nach Cordoba", sagt Hans Krankl, es klingt ein bisschen nach Koketterie und zugleich nach einem echten Bedürfnis. Aber Hans Krankl hat in Cordoba zwei Tore gegen die Deutschen geschossen - gegen "die Deitschn", wie er es selbst gern sagt, mit diesem leisen Peitschenklang in der Stimme. Daher kann sein Wunsch nicht erhört werden.

Deutschland - Österreich: Hans Krankl auf dem Weg zum entscheidenden Tor bei der WM gegen Deutschland 1978.

Hans Krankl auf dem Weg zum entscheidenden Tor bei der WM gegen Deutschland 1978.

(Foto: Foto: AP)

Hans Krankl hat viele Namen. Er war der "Hansi-Burli", das Stürmertalent vom KSV Straßenbahn Wien. Er war der "Goleador" als Torschützenkönig vom FC Barcelona. Er ist jetzt das "graue Orakel", Kolumnist und Spielausgangsvorhersager der Tageszeitung Österreich. Aber über allem spannt sich der "Held von Cordoba", der Krankl eben auch ist; ein Titel, den er mit 25 Jahren erworben hatte und dem er seitdem gerecht zu werden versucht, oder dem er davonlaufen möchte, je nachdem. Cordoba ist sein Glück und Schicksal.

Cordoba holt ihn immer ein

Krankl, 55, trägt gern schwarz zum Silberhaar, er ist ein gesellschaftlicher Aufsteiger, der Beckenbauer Österreichs, mit einem Unterschied. Der Trainer Beckenbauer war so groß wie der Spieler Beckenbauer, nur der WM-Organisator Beckenbauer war 2006 noch größer. Der Trainer Krankl holte keinen Titel, er war ein Nichts verglichen mit dem Spieler Krankl, und als EM-Botschafter wirkt Krankl jetzt auch eher im Verborgenen.

Etwa 50 Journalisten sind da. Krankl will über die Fortschritte der österreichischen Mannschaft bei der EM reden, aber die Journalisten wollen über Cordoba reden, und Krankl wehrt sich nur kurz. Irgendwann spricht er über Cordoba, Cordoba holt ihn immer ein.

Ob man nicht den Spielern von heute das alte Video noch mal zeigen sollte, zur Einstimmung, will einer wissen, aber Krankl sagt: "Die würden sich zu Tode langweilen. Wir haben doch Standfußball gespielt. Der Fußball ist absolut schneller geworden." Er spricht über Cordoba, um klarzumachen: Cordoba war anders, Cordoba ist weit weg, in Cordoba war alles viel langsamer. Cordoba ist Geschichte.

Andererseits weist er in Nebensätzen darauf hin, dass die aktuelle Mannschaft "zu achtzig Prozent noch von mir zusammengestellt worden ist". Krankl war Teamchef, bevor Josef Hickersberger den Posten übernahm, sein Mitspieler in Cordoba. Krankl scheiterte als Trainer der Nationalelf, und nun ist es Hickersberger, der das neue Wunder planen darf. Hickersbergers Pressekonferenzen werden jeden Mittag im ORF übertragen, und er macht eine blendende Figur dabei, längst gilt er als eine Art Peter Alexander des Fußballs.

"Cordoba soll vergessen sein, hurra, ich bin dafür"

Hickersberger ist ein wunderbarer Erzähler, manchmal Kabarettist, manchmal lässiger Conférencier. Wenn er am Montag auch noch gewinnt, würde Krankl vielleicht nur noch ein Nebenheld des österreichischen Fußballs sein. Etwas ist in Bewegung im Moment, das spürt der sensible Goleador, aber es ist ihm noch nicht klar, wie er damit umgehen soll.

Krankl versucht kurz, zu den Chancen der anderen Länder in den anderen Gruppen überzuleiten, aber jemand fragt nach Cordoba, und da bricht es aus ihm raus. Er spricht sehr laut jetzt, die Burschen sollen gründlich sein am Montag: "Wir spuin elf gegen elf. So. Sie können Helden werden. Sie sollen Cordoba auslöschen. Ich bin dabei, ich juble mit. Cordoba soll vergessen sein, hurra, ich bin dafür." Er ist zu laut, als dass man ihm so einfach glauben könnte. Die Dekonstruktion des Mythos kann sein größter Wunsch sein. Und zugleich sein allerschlimmster Alptraum.

Nachdem Hans Krankl gut eine halbe Stunde über das 3:2 von damals geredet hat, sein 3:2 und das 3:2 der ganzen Nation, hat jemand noch eine Frage, das graue Orakel soll sprechen: Österreich gegen Deutschland, wie geht es am Montag aus? Hans Krankl sagt: "3:2".

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