Deutschland - Niederlande:Auf Glück abonniert

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Die DFB-Auswahl macht gegen die in allen Belangen überlegenen Niederländer aus einem 0:2 noch ein 2:2. Und so hatte dank Ballack und Asamoah jeder etwas von dem aufwühlenden Abend.

Es bedurfte einer Riesenportion Glück für die deutsche Fußball-Nationalelf, um die hoch verdiente Niederlage gegen Holland abzuwenden. Stattdessen kam das Team von Bundestrainer Jürgen Klinsmann in Rotterdam zu einem höchst schmeichelhaften 2:2 (1:0), vor 41 000 Zuschauern im Stadion "De Kuip" hatte es lange nicht danach ausgesehen.

Duell der Torschüzen: Michael Ballack versucht Arjen Robben in Zaum zu halten - was ihm nur selten gelang. (Foto: Foto: Reuters)

Die stets überlegenen Gastgeber führten durch Tore des überragenden Robben (3., 46.) mit 2:0. Ballack (50.) und Asamoah (81.) verhinderten die dritte Niederlage in der Ära Klinsmann. Allerdings konnte die deutsche Elf ihre Negativ-Serie gegen große Fußballnationen nicht beenden.

Die DFB-Auswahl begann mit den Spitzen Elf und Zweiundzwanzig sowie der Fünfzehn im linken Mittelfeld, was in Namen übersetzt das Angriffsduo Klose/Kuranyi bedeutete, dazu der Schalker Ernst im linken Mittelfeld. Erstmals wurde den deutschen Nationalspielern feste Trikotnummern für eine Saison zugeordnet, darauf hatten sich Team und sportliche Leitung vor dieser Partie geeinigt: im Interesse der Fans und der Fernsehzuschauer.

Weitere Serviceleistungen der DFB-Equipe folgten drei Minuten nach Spielbeginn. Christian Wörns, der reaktivierte Haudegen im deutschen Abwehrzentrum, köpfte einen Flankenball genau auf den heranstürmenden Arjen Robben, der dieses Geschenk annahm und das Spielgerät aus 15 Metern in den Torwinkel hämmerte.

Niederschmetternder Auftakt

Ein niederschmetternder Auftakt, keine Frage, die deutsche Elf hatte bis zum frühen Schockerlebnis gerade mal zwei Ballkontakte zu verzeichnen. Und sie reagierte weiter wie gelähmt. Da war kein Aufbäumen erkennbar, wurde nicht der kleinste spielerische Impuls gesetzt.

Die Holländer beherrschten Ball und Gegner, motiviert bis in die Haarspitzen, und wenn die mal nicht an die Kugel reichten, wurde eben die Hand zu Hilfe genommen: Ruud Van Nistelrooy sah für die Aktion nach 13 Minuten Gelb. 60 Sekunden später stand er allein vor Kahn, meisterhaft freigespielt von Robben, doch der Torjäger zielte knapp am rechten Pfosten vorbei.

Völlig planlos hingegen das deutsche Spiel, aus respektvollem Abstand bestaunten sie die Aktionen des Oranje-Teams, und leise Panik machten sich breit, wenn die Hausherren auf Kahns Kasten stürmten. Nach 19 Minuten traf Landzaat aus 14 Metern die Torlatte. Nach 20 Minuten köpfte Ballack erstmals aufs Tor - und hoch darüber.

Charakterfrage

Den Eindruck hilfloser Unterlegenheit verwischte das nicht, die DFB-Auswahl erlebte erstmals unter Klinsmann einen Rückfall ins Fußball-Mittelalter der Völlerschen Bollwerk-Ära. Holland war nie in Gefahr in der ersten Halbzeit, glückselig schunkelten die Fans auf den Rängen, und auch die Deutschen durften sich glücklich schätzen, dass die von sich selbst berauschten Niederländer weiter beste Chancen vergaben: Kujt schaffte es, den Ball unbedrängt aus sechs Metern am Tor vorbei zu köpfen.

Noch einmal wurde Robben an der Strafraumgrenze abgeblockt. Kurz vorm Pausenpfiff hatte plötzlich Friedrich die Kugel nach einem Eckball vorm Fuß, war aber so überrascht ob der unverdienten wie unverhofften Möglichkeit, dass er sie wuchtig übers Tor trat. Aus sechs Metern Distanz ein Kunststück, das indes auch der Platzelf auf der Gegenseite einige Male gelungen war.

Zweite Halbzeit, Charakterfrage: Würde sich die DFB-Auswahl zu einer mutigeren Darbietung aufschwingen können? Asamoah und Deisler kamen für Klose und Ernst, deren Mitwirken vor der Pause lediglich aus der offiziellen Mannschaftsaufstellung abzuleiten war. Hollands Coach Marco van Basten brachte vier neue Leute, darunter Roy Makaay und Rafael van der Vaart - und Arjen Robben brauchte diesmal nur 29 Sekunden, um erneut zu treffen. Erneut war es Wörns, der dem Schützen freies Geleit auf dem Weg in den Strafraum gab.

Machtlos gegen Robben

Immerhin, diesmal antwortete die deutsche Elf. Wie aus dem Nichts tauchte Ballack, bis dahin der einzige konkurrenzfähige DFB-Akteur, in einen Deisler-Eckball und verkürzte auf 2:1 (50.). Bei Holland ging auch noch Maduro vom Platz, der zentrale Mittelfeldspieler, gegen das fast runderneute Oranje-Team erkämpften sich die Klinsmänner für einige Minuten mehr Spielanteile.

Gegen Robbens Dribbelkünste aber blieben sie machtlos, benötigten bei einem Solo des Niederländers vom rechten Flügel bis in den Torraum schon unverschämtes Dusel, als van Persie den Querpass vorm leeren Tor mit der Fußspitze berührte und doch nicht über die Linie brachte (65.).

Huth, kaum im Spiel, sah Gelb nach einem Foul an Makaay. Wurde getunnelt und schwindlig gespielt wie die Kollegen in der deutschen Deckung, Holland zauberte wieder. Und versäumte es dabei einmal mehr, zählbaren Profit aus der Dominanz zu schlagen. Seltener Anblick: Makaay trat beim Versuch eines kunstvollen Volleyschusses sogar ein Loch in die Luft.

Und wie das so ist, wenn einer versucht, den anderen im Nasenring durch die Manege zu ziehen, schlägt das Schicksal zurück: Borowski erkämpfte sich mit langem Bein den Ball, passte zu Asamoah, der van der Sar aussteigen ließ und zum 2:2 (81.) traf. Selten hat ein Treffer ein Spiel so auf den Kopf gestellt wie dieser. Das Schockerlebnis war nun voll auf Seiten der Niederländer. So hatte schließlich jeder etwas von diesem aufwühlenden Abend - und die deutsche Auswahl mal wieder das glückliche Ende für sich.

Niederlande:

Van der Sar (Manchester Utd/34 Jahre/ 101 Länderspiele) - Kromkamp (Villarreal/24/5), Boulahrouz (HSV/23/6), Opdam (20/1), De Cler (26/1 /beide Alkmaar), 46. van der Vaart (HSV/22/30) - Landzaat (Alkmaar/29/16), Maduro (20/4), 52. Heitinga (21/16/beide Ajax Amsterdam), Cocu (PSV Eindhoven/34/91) - Kujt (Feyenoord Rotterdam/25/11), 46. van Persie (Arsenal London/22/3), Van Nistelrooy (Manchester United/29/45), 46. Makaay (FC Bayern München/30/44), Robben (Chelsea London/21/15).

Deutschland:

Kahn (Bayern München/36/81) - Friedrich (Hertha/26/30), 74. Hinkel (Stuttgart/23/16), Mertesacker (Hannover/20/13), 66. Huth (Chelsea/20/12), Wörns (Borussia Dortmund/33/65), Schneider (Leverkusen/31/54) - Frings (Bremen/28/45), 66. Hitzlsperger (Stuttgart/23/10), Hamann (Liverpool/31/59), 74. Borowski (Bremen), Ballack (FC Bayern/28/58), Ernst (Schalke 04/26/21), 46. Deisler (FC Bayern München/ 25/30) - Kuranyi (Schalke 04/23/30), Klose (Werder Bremen/27/47), 46. Asamoah (Schalke 04/26/34).

Tore:

1:0 Robben (3.), 2:0 Robben (46.), 2:1 Ballack (50.), 2:2 Asamoah (81.). - Schiedsrichter: Terje Hauge (Norwegen). - Gelbe Karten: van Nistelrooy, Opdam, Heitinga - Friedrich, Huth. - Zuschauer (in Rotterdam): 41 000.

© SZ vom 18. August 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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