Deutschland bei Frauenfußball-EM:In die eigene Falle getappt

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Enttäuscht: Mandy Islacker und Kolleginnen nach dem EM-Aus. (Foto: AFP)

Das EM-Aus ist historisch, die deutschen Fußballerinnen sind fassungslos. Zu sehen war jedoch nicht das Ende einer Ära, sondern ein Umbruch, der noch ganz am Anfang steht.

Kommentar von Christof Kneer

Beim nächsten großen Frauenfußball-Turnier, der WM 2019, wird in Grenoble und Montpellier gespielt, in Le Havre, Nizza und Paris. Nicht gespielt wird aktuellen Recherchen zufolge in Rotterdam, was aus Sicht des deutschen Fußballs vermutlich eine gute Nachricht ist. In Rotterdam ist der deutsche Fußball nämlich traditionell außer Form, wie man spätestens seit Sonntag bilanzieren muss. In Rotterdam haben die deutschen Männer bei der desaströsen EM 2000 ein Vorrunden-Abschlussspiel abgeliefert, das eine Abschaffung der Sportart nahelegte. Und auch die deutschen Frauen haben sich jetzt Rotterdam ausgesucht - für ein Spiel, das ebenfalls historische Züge trägt. Sechsmal hintereinander waren die DFB-Frauen zuletzt Europameister geworden, achtmal insgesamt - und jetzt müssen sie das Turnier plötzlich verlassen, bevor es richtig losgeht.

Turnierneulinge, die von einem Turnierneuling gecoacht werden

Vermutlich dürfen sich die Frauenfußballerinnen damit trösten, dass hier die Rotterdamer Parallelen enden. Der deutsche Männerfußball hatte damals abgewirtschaftet, er war aus der Zeit gefallen wie der dazugehörige Trainer Erich Ribbeck, und es brauchte sehr gründliche Reformen, um aus dieser Sportart wieder Fußball zu machen. Bei den Frauen ist weder radikaler Reformbedarf noch eine aus der Zeit gefallene Trainerin zu erkennen, es drängt sich eher der gegenteilige Eindruck auf: Das war nicht das Ende von etwas. Zu sehen war eher etwas, was noch ganz am Anfang steht.

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Beim EM-Aus gegen Dänemark erleben die DFB-Spielerinnen bittere Momente, die von Bundestrainerin Steffi Jones so nicht vorgesehen waren.

Von Anna Dreher

Steffi Jones ist noch kein Jahr im Amt, und wie sie, so sind auch zwölf ihrer 23 Spielerinnen neu auf dieser großen Bühne, auf der bisher unbekannte Kräfte wirken. Turnierneulinge, die von einem Turnierneuling gecoacht werden: Das war es, was das deutsche Spiel ausstrahlte. Vermisst wurden Souveränität und Wettkampfreife, und zum Lernprozess zählt auch, dass die Bundestrainerin erfahren musste, welche Wucht Worte entwickeln können: Vor dem Turnier lobte Jones die "positive Arroganz" in ihrem Team, das "sich nur selber schlagen" könne. Vermutlich war es der Plan, einen schönen Zielkorridor zu benennen, der motivations- und identitätsstiftend wirkt - aber vom ersten Anpfiff an war die Erwartungshaltung für diesen unerfahrenen Kader mehr Last als Lust.

So sind die Deutschen am Ende in die eigene Falle getappt, sie haben die eigene Rhetorik nicht ausgehalten und sich (ohne Not) selbst überfordert - abzulesen an einer grotesken Chancenverwertung, die auch die Trainerin ihrem nervösen Team nicht mehr abgewöhnen konnte.

Ein Teil der Prophezeiung ist damit immerhin aufgegangen. Ja, es stimmt: Diese Mannschaft und ihre Trainerin haben sich selbst geschlagen.

© SZ vom 31.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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