Deutschland bei der Handball-WM:30:30 gewonnen

Qatar 2015 M36 DEN vs GER

Stark gegen die Dänen: Patrick Groetzki.

(Foto: dpa)

Nur ein Tor fehlt zur noch größeren Überraschung: Die deutschen Handballer bleiben durch einen hochklassigen Auftritt gegen Dänemark bei der WM unbesiegt. Das Achtelfinale ist nah - und die Spieler wollen mehr.

Von Joachim Mölter, Doha

Vorneweg schlichen die Verlierer, die einst so stolzen Dänen, ihre Köpfe hingen herab, sie waren geknickt, ihre Blicke am Boden. Ihnen hinterher schlenderten die Sieger aus der Halle, die aufgekratzten Deutschen, Kopf hoch und mit breiter Brust. Selten hat man nach einem Unentschieden eine so unterschiedliche Körpersprache gesehen wie am Dienstagabend nach diesem 30:30 (16:16) bei der Handball-WM in Katars Hauptstadt Doha.

Die Dänen, zuletzt zweimal WM-Zweiter, sie hatten schon wieder nicht gewonnen, zum zweiten Mal in ihren bisherigen drei Vorrundenspielen. Und die Deutschen, die mangels sportlicher Qualifikation nur mittels einer Wildcard ins Turnier gekommen waren, sie haben immer noch nicht verloren und es sogar in der Hand, als Gruppensieger ins Achtelfinale einzuziehen. "Das muss jetzt unser Ziel sein", sagte der Kreisläufer Hendrik Pekeler, dreifacher Torschütze in dieser Partie.

Die Situation in der Vorrundengruppe D sieht jetzt so aus: Deutschland führt sie an mit 5:1 Punkten, dahinter folgen Dänemark und Polen mit jeweils 4:2. Die Russen (2:4) sind in der Tabelle eingeklemmt zwischen den beiden letzten Gegnern der deutschen Mannschaft, Argentinien (3:3) und Saudi-Arabien (0:6). "Um den Gruppensieg wird am Donnerstag gespielt", gegen Argentinien, sagt Bob Hanning, der Vizepräsident Leistungssport im Deutschen Handballbund (DHB); das Team aus Saudi-Arabien müsse man, bei allem Respekt, "jeden Tag und zu jeder Zeit schlagen".

Hanning bescheinigte den Mannschaften der beiden gemeinsamen WM-Ausrichter 2019 Dänemark und Deutschland, "das bisher beste Spiel bei diesem Turnier" gezeigt zu haben. Es war in der Tat ein hochklassiger Vergleich in der Lusail Multipurpose Hall, ein Vergleich vor allem der beiden isländischen Trainer Gudmundur Gudmundsson, 54, auf Seiten Dänemarks, und Dagur Sigurdsson, 41, auf Seiten Deutschlands; der Ältere war einst der Coach des Jüngeren im Nationalteam ihrer Heimat.

An diesem Dienstag erwies sich Sigurdsson indes als der Cleverere und Mutigere der beiden. Er hatte wieder mal mit der Wahl seines Torhüters überrascht, für Silvio Heinevetter stand diesmal Carsten Lichtlein zu Beginn auf dem Feld, der nach seinen Einwechslungen in den Partien gegen Polen (29:26) und Russland (27:26) mit spektakulären Paraden für die Wende in den bis dahin ausgeglichenen Partien gesorgt hatte. Noch überraschender war jedoch Sigurdssons Kniff, Dänemarks Ausnahme-Handballer Mikkel Hansen zunächst von seinem Rechtsaußen Patrick Groetzki in Manndeckung nehmen zu lassen. Damit nahm Sigurdsson den torgefährlichsten Akteur des Gegners aus dem Spiel, zumindest zeitweise. Am Ende war Hansen mit sechs Treffern trotzdem der erfolgreichste Schütze seines Teams.

Gudmundur Gudmundsson hatte vor der Partie von einer "interessanten Aufgabe" gesprochen und präzisiert: "Deutschland spielt bis jetzt sehr schnell, also bereiten wir uns auf diese Herausforderung vor." Es war nur so, dass die DHB-Akteure an diesem Abend extrem langsam angriffen, sie reizten die Zeit bis aufs Äußerste aus, die ihnen die Schiedsrichter bis zum Wurf aufs Tor gewährten. Häufig war der Arm der Unparteiischen schon oben, um anzuzeigen, dass sie gleich ein Zeitspiel abpfeifen würden.

"Wichtig, dass wir jetzt nicht vom Gas gehen"

Dänemarks 6-0-Abwehr, also mit allen Feldspielern zurückgezogen am Kreis, kam der deutschen Auswahl dabei sehr entgegen, deutlich mehr jedenfalls als die offensive 5-1-Defensive, mit der die Russen am Sonntag die Kreise ihres Angriffsspiels zumindest eine Halbzeit lang empfindlich gestört hatten. "Wir dürfen nicht wie gegen Russland ohne Biss angreifen", erklärte Sigurdsson, "das bestrafen die Dänen sehr schnell mit ihren Gegenstößen."

Was das Umschalten von Abwehr auf Angriff angeht, seien die Dänen "die Besten der Welt. Wir müssen unsere Angriffe deshalb gut abschließen und uns dann schnell zurückziehen". Alles klappte prima, den Dänen gelangen bloß zwei Tore nach ihren gefürchteten Tempogegenstößen.

Für die deutsche Mannschaft hingegen war allein der insgesamt sechsfache Torschütze Groetzki viermal nach Kontern erfolgreich; noch erfolgreicher war nur noch Steffen Weinhold mit acht Toren.

Lange war die Partie ausgeglichen gewesen, eine Viertelstunde vor Schluss schien sich die DHB-Auswahl abzusetzen (24:21), aber die Dänen glichen wieder aus. Die letzten anderthalb Minuten mussten die Deutschen dann in Unterzahl überstehen, sie verteidigten das 30:30 "für eine junge Mannschaft extrem routiniert", wie Vizepräsident Hanning fand.

Nur wenige Spieler, wie Kapitän Uwe Gensheimer (sechs Tore), haderten mit der vergebenen Siegchance. "Dänemark war Favorit, deswegen können wir froh sein", resümierte er: "Aber wir müssen auch schauen, was wir in der letzten Viertelstunde besser hätten machen können." Dem Trainer Sigurdsson gefällt so eine Einstellung: "Es ist wichtig, dass wir jetzt nicht vom Gas gehen", sagte er und meinte: die Argentinier nicht zu unterschätzen. Das hatten die Dänen nämlich in ihrem Auftaktspiel getan und waren dafür beim 24:24 mit einem Punktverlust bestraft worden.

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