Deutschland bei der Frauen-WM:Es geht ordentlich zur Sache

Nadine Angerer

Nadine Angerer hütet bei der WM das Tor

(Foto: AP/Darryl Dyck)
  • Die deutschen Fußballerinnen starten am Sonntag um 22 Uhr gegen die Elfenbeinküste in die Kunstrasen-WM.
  • Die Wettkampfhärte haben sie wiedergefunden - im Training räumen sie sich gegenseitig ab.

Von Kathrin Steinbichler, Ottawa

Die Erwähnung des Zwischenfalls lässt Melanie Behringer belustigt lächeln. Kurz nach dem Start des deutschen Nachmittagtrainings im Kanata Recreation Complex im Westen von Ottawa war ein dumpfes Klatschen zu hören - dann lag Leonie Maier am Boden. Stürmerin Célia Sasic hatte die Verteidigerin bei einer Passübung mit Zweikampf recht humorlos abgeräumt. Maier verzog nur kurz die Mundwinkel, trat vorsichtig wieder auf - und machte dann weiter, als wenn nichts gewesen wäre. Nach 15 Minuten, in denen Medienvertreter zusehen durften, mussten die Journalisten den deutschen Trainingsplatz verlassen, doch danach "ging das noch weiter", berichtete Behringer schmunzelnd.

"Es ging richtig gut zu", schilderte die Mittelfeldspielerin, vor allem Stürmerin Anja Mittag "hat noch ein paar ordentlich abgeräumt". Für Melanie Behringer ist das so kurz vor dem ersten deutschen Spiel dieser Frauenfußball-Weltmeisterschaft gegen die Elfenbeinküste am Sonntag (22 Uhr/ZDF und Eurosport) ein gutes Zeichen. "Ich finde es gut, wenn wir schon im Training eine gesunde Aggressivität an den Tag legen, die werden wir am Sonntag brauchen."

Mit neuen Spielerinnen und neuem Selbstbewusstsein

In den vergangenen drei Wochen der WM-Vorbereitung hatte für die Nationalspielerinnen vor allem die Regeneration im Vordergrund gestanden. Die Saison war lang, die meisten waren wegen der Titelkämpfe um Meisterschaft, Pokal und Champions League bis zum Ende gefordert. Doch nach der aktiven Erholung ist jetzt in Kanada die Wettkampfhärte zurückgekehrt in die deutsche Mannschaft. "Wir fühlen uns wieder frisch", sagt Behringer, "und es ist auch gut, dass es jetzt endlich losgeht. Weil vom Warten wird es auch nicht besser."

Wenn nun also am Sonntag im Lansdowne-Stadion von Ottawa die kanadische Schiedsrichterin Carol Anne Chenard endlich anpfeift, sind vier Jahre des Wartens für die Spielerinnen vorbei. Vier Jahre, in denen auch Melanie Behringer immer wieder zur vorangegangenen Weltmeisterschaft in Deutschland Stellung beziehen musste. Die 29-Jährige war 2011 dabei gewesen, als ihre Elf als Titelverteidiger bereits im Viertelfinale gegen Japan ausschied. Das aber sei jetzt bei der WM in Kanada "absolut kein Thema mehr", sagt Behringer: "Wir sind jetzt eine ganz andere Mannschaft, mit neuen Spielerinnen und auch mit einem neuen Selbstbewusstsein."

Die Favoritenrolle macht niemanden nervös

Das bemerkt in Ottawa, wo die Deutschen starten, auch die ansässige Medienlandschaft. Als unter der Woche Stürmerin Célia Sasic für die Pressekonferenz im glasglänzenden Shaw Centre angekündigt ist, sammeln sich die kanadischen Journalisten in der Hoffnung, auch ein paar französischsprachige Sätze für ihre Blöcke und vor allem Kameras einsammeln zu können. Die Hauptstadt Kanadas ist eine offiziell zweisprachige Stadt, in der die englischsprachige Region von Ontario nur durch einen Fluss vom französischsprachigen Québec getrennt ist. Auf den Straßen und in den Medien Ottawas sind beide Sprachen zu hören, was die im Training so unerschrockene Sasic zu einer begehrten Gesprächspartnerin macht: Die in Deutschland aufgewachsene Tochter einer Französin und eines Kameruners wechselt fließend zwischen den Sprachen und beantwortet geduldig alle Fragen.

Die Kernaussage aber kommt auf Deutsch: "Das Schlimmste sind die Tage davor, wenn man nur trainiert und noch nicht loslegen kann." Auch der letzte im Raum hat jetzt begriffen: Diese deutsche Mannschaft brennt darauf, endlich loslegen und sich beweisen zu können. Dass die Deutschen dabei zumindest in der Vorrunde gegen die Elfenbeinküste, Norwegen und Thailand in jedem Spiel als Favorit gelten und unter Druck stehen, schreckt keine ab. "Das ist immer so", meint Assistenztrainerin Ulrike Ballweg, "insofern ist das nichts Neues für uns, das sind wir gewöhnt. Man muss das ja auch einmal anders herum betrachten: Wir sind in der glücklichen Lage einen Ruf zu haben, den viele andere gerne erst einmal hätten".

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Der gesamte Spielplan der WM steht hier.

Der unbekannte Faktor Kunstrasen

Wie es nun sein wird, am Sonntag erstmals ein Turnierspiel auf Kunstrasen zu absolvieren, vermag Ballweg schlecht abzuschätzen. In der Woche vor dem Turnierstart hat die deutsche Elf auf verschiedenen, täglich neu zugeteilten Plätzen im Großraum Ottawa trainiert, "und alle waren ein bisschen anders", sagt die Assistenztrainerin. "Das hängt ja immer auch vom Wetter ab und davon, wie der Platz gewässert ist." Einen großen Unterschied macht auch, wie viel Granulat auf den Platz gegeben wurde - davon nehmen sie hier reichlich, dann ist der Platz weicher, und der Ball springt wieder anders ab.

Nur eines weiß Melanie Behringer mit Gewissheit. Noch nie zuvor haben die Spielerinnen aus der Elfenbeinküste ein WM-Spiel bestritten, "die werden gegen uns topmotiviert sein und um ihr Leben laufen". Sie blickt jetzt ernst, irgendwie entschlossen. Sie haben sich im Training jedenfalls auf alles vorbereitet.

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