Deutsches Team vor Fed-Cup-Halbfinale:Filmabende auf der Klassenfahrt

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Klassenfahrt mit Teamchefin Barbara Rittner (von links): Anna-Lena Grönefeld, Julia Görges und Angelique Kerber nach dem Sieg gegen die Slowakei im Februar (Archivbild).

(Foto: Samuel Bubani/AFP)

22 Jahre nach dem Sieg mit Steffi Graf kann eine deutsche Fed-Cup-Mannschaft wieder das Finale im Teamwettbewerb erreichen. Bundestrainerin Barbara Rittner ist es gelungen, die Einzelspielerinnen von den Vorteilen eines konsequenten Miteinanders zu überzeugen.

Von Matthias Schmid

Barbara Rittner hat Stefanie Graf nicht mit nach Brisbane genommen. Die deutsche Fed-Cup-Chefin führt ihren Spielerinnen nach dem Abendessen gerne mal die eine oder andere DVD vor, meistens sind es Dokumentarfilme über Sportler. Vor dem Viertelfinale hatte Rittner einen über Steffi Graf im Gepäck. Vor dem Halbfinale gegen Australien am Wochenende war nun der WM-Sieg der deutschen Handball-Nationalmannschaft im Jahre 2007 an der Reihe. "Die Spielerinnen sollten sehen, wie ein Team über sich hinauswachsen kann", sagt Rittner. Sie liebt solche Vorführungen.

Von Bildern über den 19. Juli 1992 hat sie allerdings abgesehen, "ich zeige keine Filme, bei denen ich selbst dabei bin", sagt Rittner. Dabei wollten selbst australische Journalisten wissen, wie Andrea Petkovic und Angelique Kerber den letzten deutschen Fed-Cup-Sieg erlebt haben. Ihre Erinnerungen an diesen Sommertag sind recht vage. Sie verbrachten ihn wohl mit der Puppe spielend im Garten. So genau können sie sich nicht mehr erinnern.

Die beiden waren vier Jahre alt, als Rittner mit Graf und Anke Huber dem deutschen Frauen-Tennis den letzten großen Triumph im Fed Cup bescherte. 2:1 endete die Partie gegen Spanien in Frankfurt. Rittner, die damals im Doppel an der Seite von Huber spielte, ist die einzige Verbindung von der Vergangenheit in die Gegenwart, sie ist diejenige in der Mannschaft, die die deutsche Tennis-Geschichte für die heutige Generation lebendig macht.

Petkovic, Kerber und die übrigen Mitglieder haben inzwischen nicht nur durch Rittners Filmabende ein gutes Gespür dafür entwickelt, was es bedeutet, gemeinsam in der Mannschaft füreinander einzustehen und Ziele zu verfolgen. Es war für sie selbstverständlich, dass sie mitten in der Saison und vor dem Heimturnier in Stuttgart die 28-Stunden-Reise nach Brisbane auf sich nehmen; sie alle wollen dieses Endspiel im Fed Cup erreichen, 22 Jahre nach dem Triumph von Frankfurt. Sie wäre nie auf die Idee gekommen, dort nicht zu spielen, sagt Andrea Petkovic: "Ich freue auf die Zeit mit den Mädels."

Sperrzone für Trainer und Manager

Diese Klassenfahrtatmosphäre hat viel mit Barbara Rittner zu tun, sie hat bei den deutschen Frauen das geschafft, woran bei den Männern schon viele Teamchefs verzweifelt und letztlich auch gescheitert sind. Sie hat den Spielerinnen glaubhaft vermitteln können, dass sich Bekanntheit und Ruhm am leichtesten über Erfolge mit der Nationalmannschaft vermehren lassen. Es ist bei der 40-Jährigen auch nicht nur dahingesagt, wenn sie davon spricht, dass "ich die Mannschaft mit Herz führe".

Jeder in ihrem Umfeld spürt ihre ehrliche Fürsorge für die Profis, ihre Leidenschaft für den Job. Und bei aller kumpelhaften Attitüde, die bisweilen zu erleben ist, wenn die Spielerinnen beispielsweise Rittners Hund zum Essen tragen. Sie kann in ihrem Tun sehr konsequent sein, sie hat strikte Regeln erlassen. "Die Spielerinnen wissen, dass sie mit mir nicht alles machen können."

So hat Rittner beispielsweise das Trainingsumfeld zur Sperrzone für Trainer und Manager erklärt. Und die Spielerinnen haben schnell registriert, dass es nur zu ihrem Vorteil ist, wenn sie während der Fed-Cup-Tage auf ihre ansonsten omnipräsenten Einflüsterer verzichten. Besonders schön hat Angelique Kerber jüngst den Teamgeist beschrieben: "Die ganze Box ist voll, jeder springt bei einem Punktgewinn auf. Da entsteht eine unglaubliche Energie, das pusht mich einfach enorm."

Allerdings hat sie genauso wie Petkovic erfahren müssen, dass dieser Prozess zur Teamspielerin überraschende Niederlagen mit sich bringt. "Mittlerweile sind wir aber alle reif für den Titel", sagt Petkovic. Der Ausgang gegen die australische Mannschaft ist völlig offen. Die Tagesform entscheide, sagt Rittner. "Wir wollen unbedingt ins Finale einziehen." Und Petkovic weiß auch schon, wie sie es feiern würde, "dann ziehe ich mich aus". Zumindest schrieb sie das handschriftlich auf einen Fragebogen des Deutschen Tennis Bundes (DTB). Bei der Abgabe hat sie den Satz stehen lassen, aber nicht, ohne noch hinzuzufügen: "Spaß! Champagner im Flieger."

Die Ausgangslage des Fed-Cup-Teams

Fed Cup, Halbfinale

Tschechische Republik - Italien in Ostrava

Australien - Deutschland in Brisbane

Für Deutschland nominiert: Angelique Kerber (26, Weltranglisten-Nr. 7), Andrea Petkovic (26/Nr. 28), Julia Görges (25/Nr. 94), Anna-Lena Grönefeld (28/Doppelweltrangliste-Nr. 13).

Für Australien nominiert: Samantha Stosur (30/Nr. 19), Casey Dellacqua (29/Nr. 53), Ashleigh Barty (17/Nr. 173), Storm Sanders (19/Nr. 268).

Spielbeginn: Sa., ab 4 Uhr MEZ, So. ab 4.45 Uhr MEZ/TV: Sat1 Gold.

Das Finale findet am 8. und 9. November statt.

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