Deutsches Team bei Olympia:Plötzlich Anschieber

Maria Höfl-Riesch, Felix Neureuther und Andrea Henkel kennt jeder. Sie sind die Gesichter des deutschen Teams bei Olympia. Dabei gibt es etliche andere Sportler mit interessanten Biografien: Durchstartende Bob-Anschieber, junge Schnellschützinnen und Eishockey-Torfrauen in ungewohnter Umgebung. Eine Auswahl.

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Deutsches Team bei Olympia:Christoph Stephan

E.ON IBU Biathlon Worldcup Oberhof - Day 2

Quelle: Bongarts/Getty Images

Maria Höfl-Riesch, Felix Neureuther und Andrea Henkel kennt jeder. Sie sind die Gesichter des deutschen Teams bei Olympia. Dabei gibt es viele andere interessante Sportler, die nicht so sehr in der Öffentlichkeit stehen. Von der 15-jährigen Zahnspangenträgerin bis zum 48-jährigen Verlegerenkel: eine Auswahl.

Christoph Stephan: 2009 war er die Biathlon-Überraschung im deutschen Team - und dann ging es rapide bergab. Bei der WM in Pyeongchang schaffte es Christoph Stephan, im Einzel die Silbermedaille zu ergattern. Es folgte eine lange Leidenszeit für den Mann aus Oberhof, Stephan hatte mit einer Glutenallergie zu kämpfen und musste seine Ernährung umstellen.

Dafür pausierte er eine komplette Saison und kämpfte sich anschließend über den zweitklassigen Ibu-Cup wieder ins deutsche Weltcupteam. "Wenn ich früher die Erfolge nicht gehabt hätte, dann hätte ich aufgehört", sagt er, "zum Glück habe ich es nicht getan". Die Norm für Sotschi erfüllte der 28-Jährige souverän, ein siebter Platz ist sein bestes Saisonergebnis. Vor allem läuferisch hat er viel aufgeholt - und seine Leidenszeit beendet.

(ska)

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Deutsches Team bei Olympia:Franziska Preuß

E.ON IBU Biathlon Worldcup Ruhpolding - Day 1

Quelle: Bongarts/Getty Images

Franziska Preuß: So ein bisschen kennt sie Olympisches Flair schon: Bei den Jugendspielen 2012 in Innsbruck war Franziska Preuß dabei und gewann drei Gold- und eine Silbermedaille. Und das, obwohl sie vor vier Jahren noch Leichtathletin war und erst durch ein Schnuppertraining auf Biathlon umschulte. Nun darf sie als 19-Jährige auch bei den Großen in Sotschi mitmachen und ihre rauschhafte Saison weiterleben.

Im November trat Preuß zu ihren ersten Weltcup-Rennen überhaupt an und holte kurz darauf im französischen Annecy die Norm. Mit der Staffel stürmte sie mehrfach aufs Podest, auch einzeln hätte es in der Verfolgung von Ruhpolding beinahe mit Platz drei geklappt. Markenzeichen der Athletin: So schnell wie sie schießt kaum eine ihrer Konkurrentinnen. Auch wenn dabei nicht jede Scheibe fällt: Spektakulär anzuschauen ist es allemal.

(ska)

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Deutsches Team bei Olympia:Gianina Ernst

Gianina ERNST Deutschland Halbfigur Qualifikation am 20 12 2013 FIS Skisprung Weltcup der Frauen

Quelle: imago/Sven Simon

Gianina Ernst: Ihre Sportart ist erstmals olympisch - und so lässt sich sagen: Die Skispringerin Gianina Ernst ist gerade zur rechten Zeit auf die Welt gekommen, nämlich am 31. Dezember 1998. Wäre Gianina Ernst einen Tag länger im Bauch der Mutter geblieben, hätte sie nicht starten dürfen in Sotschi. Das Internationale Olympische Komitee schreibt ein Mindestalter vor, der Jahrgang 1999 darf noch nicht dabei sein.

Die 15-jährige Zahnspangenträgerin ist damit die jüngste Olympiateilnehmerin in Sotschi. Deutsche, aber auch internationale Journalisten reißen sich um Interviews mit der Tochter des ehemaligen deutschen Skispringers Joachim Ernst und der ehemaligen Schweizer Langläuferin Cornelia Thomas. Und so hat Gianina Ernst schon jetzt dazu beigetragen, dass ihre junge Sportart erstmals ziemlich im Fokus steht.

(sonn)

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Deutsches Team bei Olympia:John Jahr

John Jahr

Quelle: dpa

John Jahr: Es gibt wenige Wintersportarten, in denen ausgerechnet ein 48-jähriger Raucher eine olympiareife Kondition mitbringen kann. Genau genommen nur eine: Curling. Damit es nicht zu Missverständnissen kommt: Curling kann durchaus anstrengend sein, die Wischer verrichten harte körperliche Arbeit. Nur der Skip eben nicht. Der Kopf der Mannschaft, derjenige, der ansagt, wo die Steine hin sollen. Und so überrascht es nicht, dass der älteste deutsche Olympiateilnehmer der Skip des Curling-Teams ist. John Jahr heißt er, ist 48 Jahre alt, und raucht ab und an gerne mal ein Kippchen.

Jahr ist Freizeitsportler, hat aber nicht viel freie Zeit. Der Enkel des gleichnamigen Verlegers John Jahr hält Anteile an Gruner + Jahr, ist Gesellschafter von zwei Kasinos und hat ein eigenes Immobilienunternehmen. Was ihn am Sport reizt? Die Chance auf Anerkennung "außerhalb der Welt aus Geld und Geschäften", sagt er. Jahr ist zwar Olympia-Debütant, aber alles andere als unerfahren, was große Turniere angeht. Er war bereits Europameister im Curling; 1985 war das - 13 Jahre bevor Gianina Ernst geboren wurde. Zu den Chancen seines Teams in Sotschi sagt er: "Wir können gegen viele dort gewinnen, aber auch gegen jeden verlieren." Das muss die Gelassenheit des Alters sein.

(bero)

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Deutsches Team bei Olympia:Joshua Bluhm

Joshua Bluhm

Quelle: dpa

Joshua Blum: Bis vor wenigen Wochen kannte niemand den Wintersportler Joshua Bluhm. Was vor allem daran liegt, dass es den Wintersportler Joshua Bluhm vor wenigen Wochen noch nicht gab. Es gab nur Joshua Bluhm, einen Teenager, der seit Jahren von einer großen Karriere als Sportler geträumt hatte. Nun, als Anschieber des Viererbobs von Thomas Florschütz, erfüllt er sich diesen Traum.

Als Kind wollte Bluhm, 19, Profi-Fußballer werden, er ging in Probetrainings beim Hamburger SV, beim FC St. Pauli, bei Holstein Kiel. Alle lehnten ihn ab. Bluhm zog nach Leverkusen. Und wurde Sprinter, ein recht erfolgreicher, zweimal wurde er mit der Staffel deutscher Meister. Dann zog Bluhm nach Paderborn. Dort brachte ihn sein Trainer, ein ehemaliger Bobfahrer, auf die Idee mit dem Job als Anschieber. Vor wenigen Monaten flog der große, kräftige, explosive Athleten nach Bayern, stellte sich in der Bob-Szene vor. Und alle waren begeistert. In der Bob-Crew von Thomas Florschütz rennt und sitzt er nun an zweiter Stelle. Wie es sich anfühlt, in einem Bob die Eisbahn herunterzusausen? "Das ist, als ob man sich auf den Boden kauert und verhauen wird", sagt Bluhm.

(bwa)

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Deutsches Team bei Olympia:Viona Harrer

IIHF World Women's Championships Preliminaries

Quelle: Getty Images

Viona Harrer: Ein paar Tage lang kann Viona Harrer jetzt einfach das sein, was sie ist: eine ziemlich gute Eishockey-Torhüterin. Sie wird Schüsse der anderen Frauen abwehren, wird sich vor gegnerische Spielerinnen werfen, wird vielleicht sogar mal ein ernstes Wort unter Frauen sprechen. Sie macht also all das, was zu ihrem Torhüterinnen-Alltag gehört. Nur dass sie normalerweise die einzige Frau auf dem Eis ist.

Harrer, 27, spielt für Bad Tölz in der Oberliga Süd, zuvor hat sie vier Jahre lang für Erding gespielt, auch für die Männer. In all den Jahren hat sie bewiesen, dass es eine Frau sehr gut aushalten kann in einer Männermannschaft. Vor allem, wenn sie gut halten kann. Und das kann Harrer. Die Winterspiele in Sotschi sind ihre ersten, und dabei will sie auch von ihren Erfahrungen bei den Männern profitieren. "Man ist schneller in der Position, weil man schnelleres Tempo gewohnt ist. Die Schussauslösung bei den Frauen dauert einfach länger", sagt Harrer. Vielleicht profitiert von dieser Erfahrung auch die deutsche Mannschaft. Nur im Kader der Schweiz stehen noch Torhüterinnen, die bei den Männern spielen.

(bwa)

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Deutsches Team bei Olympia:Isabella Laböck

FIS Snowboard Worldcup

Quelle: Hildenbrand/dpa

Isabella Laböck: Snowboarding ist keine ganz neue Disziplin mehr bei Olympia. Dennoch wird dem Sport nach wie vor wenig Beachtung geschenkt, verglichen etwa mit Skirennen, Biathlon oder Eislauf. Für mehr Popularität braucht es häufig Gesichter, die auch außerhalb des Sports für Aufmerksamkeit sorgen. Gesichter, die ins ZDF-Sportstudio eingeladen werden und dort selbstbewusst verkünden, auf jeden Fall eine Medaille aus Sotschi mitnehmen zu wollen. Isabella Laböck ist so ein Gesicht. Die 27-Jährige ist mit Kombinierer Björn Kircheisen liiert, hat schon für den Playboy posiert. Sie wisse, dass sie "bärenstark" sei, sagte sie vor Olympia: "Wenn ich mein Können abrufe, dann bin ich ganz vorne dabei." Und ein Platz auf dem Podest ist gar nicht so unwahrscheinlich. Vor einem Jahr wurde Laböck Weltmeisterin im Parallel-Riesenslalom, ihrer besten Disziplin. Die Norm für Sotschi schaffte sie zwar erst vor etwa drei Wochen, doch das dürfte ihr Selbstvertrauen nicht allzu sehr beschädigt haben.

(bero)

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Deutsches Team bei Olympia:Bene Mayr

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Quelle: Imago Stock&People

Bene Mayr: Eigentlich hatte er schon mit Sotschi abgeschlossen. Im Slopestyle hatte Bene Mayr die nationale und internationale Qualifikationsnorm für die olympischen Wettkämpfe erfüllt - doch dann kam dieser verflixte Weltcup in Gstaad. Ein 36. Platz ließ ihn aus den Quotenrängen rutschen. "Ich bin nicht schlechter gefahren wie sonst, sondern habe relativ schlechte Punkte gekriegt", beschwerte sich Mayr, der plötzlich raus aus dem Geschehen war. Gleichauf mit einem Finnen und einem Tschechen musste er sich den Nachrückerplatz teilen. Nachnominiert aber wurde nur einer, obwohl es im Regelwerk keine Handlungsanleitung für einen solchen Gleichstand gibt.

Der Deutsche Skiverband wehrte sich gegen die Entscheidung - und hatte mit einem Protest Erfolg. Jetzt freut sich Mayr doch auf das Abenteuer Olympia. Im Slopestyle geht es für ihn darum, einen Parcours aus Rampen und Geländern möglichst trickreich herunterzufahren. "Es wird unglaublich spektakulär, die Kicker sind richtig groß", sagt Freestyle-Bundestrainer Thomas Hlawitschka. "Der Kurs ist fahrerisch sehr anspruchsvoll, das spricht für den Bene. Er wird hier auf jeden Fall 'ne gute Show abliefern."

(jbe)

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Deutsches Team bei Olympia:Barbara Wirth

Skirennfahrerin Barbara Wirth

Quelle: REUTERS

Barbara Wirth: Manchmal muss man die Dinge loslassen, die einem am meisten bedeuten. Die Skirennfahrerin Barbara Wirth hat das im vergangenen Frühjahr erlebt. Nach einer bescheidenen Saison im Slalom und im Riesenslalom wollte Wirth keine Skirennfahrerin mehr sein. Sie war talentiert, doch vor lauter Ehrgeiz hatte sie sich so in den Sport verbissen, dass bei wichtigen Rennen nicht mehr viel von ihrem Talent zu sehen war. Wirth pausierte also, "und in dieser Pause", sagt sie, "habe ich dann gemerkt, dass mir das Skifahren doch am meisten Spaß macht."

Wirth wollte wieder Skirennfahrerin sein, doch mit dem Neustart war das so eine Sache. Die 24-Jährige hatte ihren Kaderstatus verloren, sie hatte kein Geld für einen Betreuerstab oder ein Trainingslager in Südamerika. Dafür war sie gelassener, auch wegen der Sache mit den Gedichten. Seit ihrer Auszeit schreibt Wirth immer mal wieder ein paar Zeilen, auch mal eine Kurzgeschichte, sie sagt: "Es hilft mir, um im Kopf freier zu sein." Derart entspannt erfüllte Wirth in Levi die halbe Olympianorm, dann in Bormio die andere Hälfte, als sehr gute Achte. "Olympia, das habe ich immer nur im Fernsehen verfolgt", sagt Wirth. Jetzt wird sie das Spektakel selbst erleben. Mit ein wenig Ehrgeiz, erklärt sie, und großer Gelassenheit.

(schma/jkn)

© SZ.de/bero/dd
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