Deutsches Team bei der Basketball-EM:Ein perfekter Start

Die deutschen Basketballer besiegen beim EM-Auftakt Israel sicher mit 91:64 Punkten. Favorit auf den Titel sind sie aber nicht, es geht um die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2012 in London. Bereits am Donnerstag muss das deutsche Team wieder spielen, Gegner sind die starken Italiener.

Andreas Burkert, Šiauliai

"MVP!", riefen sie in der deutschen Ecke der Arena von Šiauliai auch in der letzten Viertelpause, und der Adressat der Liebesbekundungen grüßte mit einem Augenzwinkern auf die Tribüne. Dirk Nowitzki, der Most Valuable Player der NBA-Finals 2011, trug dabei ein großes Handtuch über den Schultern, als würde er sich bereits aus der deutschen Auftaktpartie bei der Basketball-Europameisterschaft in Litauen verabschieden.

Chris Kaman, Guy Pnini

Nach Dirk Nowitzki bester Werfer des deutschen Teams: Chris Kaman.

(Foto: AP)

Er kam zwar später noch einmal kurz aufs Parkett, doch im Grunde waren seine beeindruckenden Fähigkeiten nicht mehr gefragt. Zu deutlich lagen die körperlich unterlegen Israelis hinten, und so konnte Bundestrainer Dirk Bauermann auf Wettkampfniveau ausgiebig diejenigen an EM-Atmosphäre gewöhnen, auf die es ebenso ankommen wird bei diesem langen Turnier: die Mannschaft hinter dem Superstar der Dallas Mavericks. 91:64 (40:28) hieß es schließlich nach einer überzeugenden Vorstellung, zu der Nowitzki 25 und Chris Kaman 18 Punkte beisteuerten als beste Werfer.

"Das gibt Selbstvertrauen, wenn man als Gruppe gleich so gut zusammenspielt", sagte Nowitzki später. "Aber die Gegner werden jetzt von Spiel zu Spiel stärker, schon am Donnerstag gegen Italien geht es sicher anders zur Sache."

Der Einstieg in ein Turnier ist auch ein Nervenspiel, das hatte nachmittags sogar EM-Favorit Spanien erlebt beim dünnen 83:78 gegen Polen. Die Deutschen zeigten ihre Nervosität mit drei Fehlpässen in den ersten beiden Minuten, unbeeindruckt blieb jedoch ihr "zweiköpfiges Monster", wie Bauermann die NBA-Kombination mit Nowitzki und Chris Kaman getauft hat. Der Würzburger und Center Kaman waren für die ersten elf Punkte verantwortlich, Robin Benzings Sprungwurf zum 13:11 (7.) erweiterte die Scorerliste spät um einen neuen Namen.

Die Israelis hielten die Partie nur im ersten Viertel (15:14) offen mit ihrem flinken Passspiel - ehe sich die Jugend schon emanzipierte: Einige Minuten ließ der Coach in dieser Phase die beiden Leader auf der Bank verschnaufen, so dass zwangsläufig andere punkten mussten. Und das taten sie: Benzing (12 Punkte) wagte es mit Erfolg aus der Distanz, Tim Ohlbrecht sammelte insgesamt sechs Rebounds, Philipp Schwethelm (9) traf Dreier.

Als Israel auf Zonendeckung umstellte und Nowitzki allmählich warmlief, setzte sich die DBB-Auswahl bis zur Pause mit guter Wurfquote und engagierter Verteidigung ab. Und nachdem Heiko Schaffartzik (10 Zähler) aus der Distanz, Nowitzki mit einem Wurf kurz vor Ablauf der Angriffszeit und Kaman per wuchtigem Dunking auf 47:26 erhöhten (22.) - war die einseitige Partie entschieden. Dieser perfekte Start ist allerdings auch Pflicht gewesen, denn die Deutschen hatten wenig Glück bei der Auslosung.

Kein Turnierfavorit

Die internationalen Experten sehen sie in ihrem Sechserpool nach der Vorrunde bislang eher hinter Serbien, den Franzosen um San Antonios Spielmacher Tony Parker und den Italienern, auf die sie nun treffen. Rang drei, das wäre der letzte Platz, der zur Teilnahme an der Zwischenrunde berechtigt - wo nach Lage der Dinge die Favoriten der 37. EM warten: Spanien, der Titelverteidiger. Die Heimmannschaft des basketballverrückten Litauens, von der 3,2 Millionen Landsleute den Einzug ins Finale erwarten. Und der WM-Zweite Türkei.

Von den Deutschen spricht in Litauen noch niemand, zumindest nicht im Zusammenhang mit einer EM-Medaille. Zumal sie als möglicher Vierter der Zwischenrunde im Viertelfinale auf Griechenland treffen müssten - einen für sie seit Jahren unbezwingbaren Gegner. Käme es wirklich so, könnte es bezüglich des Ziels Olympia bereits um alles gehen: das Spiel um Rang fünf und sechs - oder eben Platz sieben und acht.

Europameister zu werden, sagt Bauermann, "das ist zunächst einmal nicht realistisch". Platz sechs, das wäre schon ein Erfolg. Denn er würde das Startrecht beim vorolympischen Qualifikationsturnier im nächsten Sommer sichern.

Daheim ist die Stimmung wegen des MVPs aber eine andere, der TV-Sender Sport 1 suggeriert im EM-Trailer, der Auslöser der überbordenden Erwartungen verfolge ebendiesen Traum. "Katastrophal", sagt Bauermann, denn auch Nowitzki ist in erster Linie hier, um sich und dem Team die Option auf London 2012 zu erhalten. "Du musst ja zunächst nicht nur weiterkommen, sondern auch versuchen, irgendwie mit einem Sieg gegen unsere Gruppenfavoriten in die Zwischenrunde zu gehen", sagt der Trainer. Nur Punkte aus den Duellen mit qualifizierten Teams werden mitgenommen.

Die Deutschen machen sich aber nicht kleiner, als sie sind. Sie haben den NBA-Champion der Mavericks dabei und auch Kaman, 29, den eingebürgerten US-Center von den LA Clippers. Doch das sind nur zwei von 25 Spielern aus der besten Liga der Welt, die hier sind.

Prominenz hat auch die Konkurrenz s zu bieten: Italien, das beim Debüt Serbien 68:80 unterlag, spielt mit Andrea Bargnani (Toronto), Danilo Galinari (Denver) und Marco Belinelli (Charlotte). Die Franzosen können sich den Luxus leisten, nur fünf ihres Dutzends NBA-Profis zu nominieren. Die physisch starken Serben verzichten auf launische NBA-Diven wie Darko Milicic (Minnesota) - doch so hat es schon 2010 zu WM-Rang vier gereicht.

"Das Niveau ist inzwischen ein Hammer, da hat jedes Team drei, vier Granaten dabei", sagt Nowitzki. Aber nun ist er schon mal im beschaulichen Šiauliai. Der EM-Titel, das ahnt er, der ist eigentlich unmöglich. Zum Träumen sind die Deutschen jedoch nicht in Litauen. Sie wollen sich für 2012 verabreden, für den Kampf um Olympia.

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