Deutsches Team bei Basketball-EM:Ärger über den Alleinunterhalter

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Spektakulär anzsuchauen: Dennis Schröder (Mitte)

(Foto: AFP)
  • Dennis Schröder gelingen bei der Niederlage gegen die Türkei beachtliche 24 Punkte. Doch dass ein Spieler die meisten Punkte erzielt, bedeutet längst nicht, dass er der beste Akteur des Tages ist.
  • In jenen Katastrophenminuten zu Beginn versäumte es der deutsche Spielmacher, die Kontrolle über das Chaos zurückzugewinnen.
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Von Jonas Beckenkamp, Berlin

Das Gebrüll in der Berliner Basketballhalle war abgeflaut, da wurde es im Gang zur Kabine noch einmal laut. "Heeeeeedo", schallte es. Der Ausruf stammte von Dirk Nowitzki, der soeben einen alten Bekannten entdeckt hatte: Hidayet Türkoglu, früherer türkischer Nationalspieler und NBA-Kollege Nowitzkis von den Los Angeles Clippers. Eine Umarmung, ein kurzer Plausch, dann grinste Nowitzki. Aber nur kurz. Der Frust über das 75:80 (24:41) gegen die Türkei im dritten Vorrundenspiel der EM arbeitete am Dienstagabend noch in Deutschlands bekanntestem Basketballer.

Nach Niederlagen sieht Nowitzki immer ein wenig aus, als wolle er nie wieder auf einen Korb werfen. Verausgabt, leerer Blick, Sorgenfalten auf der Stirn. Sein Problem: Anders als der freundliche Türkoglu wollten die Reporter ein paar konkrete Antworten. "Wir haben vor allem am Anfang überhaupt nicht richtig reagiert, ständig hat es hinten geklingelt und die Türken haben sich in einen Rausch gespielt", sagte der 37-Jährige. Auch das gehört zu den Eigenschaften von Nowitzki: Er findet selbst mit hängendem Kopf oft die richtigen Worte. Ein 11:31-Auftaktviertel hatte den deutschen Basketballern alles vermasselt - hinzu kamen Fehler in zahlreichen Basisdisziplinen des Spiels: in der Organisation, in der Verteidigung, in der Wurfauswahl.

"Wir waren zu langsam, zu statisch. Wir dürfen nicht mit der Mentalität 'Alles wird gut' starten", kritisierte der deutsche Kapitän, der wie schon in beiden Partien zuvor ordentliche 15 Punkte zustande brachte. An seiner Leistung lag es also weniger - auch wenn der Mann aus Dallas sich bei mäßiger Trefferquote gegen den NBA-erfahrenen Türken Ersan Ilyasova aufrieb. Entscheidender für das Schlamassel war Dennis Schröder. Und das, obwohl dem Profi aus Atlanta am Ende 24 Punkte gelangen. Selten kristallisierte sich eine im Basketball fatale Erkenntnis so deutlich heraus: Dass ein Spieler die meisten Punkte erzielt, bedeutet längst nicht, dass er der beste Akteur des Tages ist.

In jenen Katastrophenminuten zu Beginn versäumte es der deutsche Spielmacher, die Kontrolle über das Chaos zurückzugewinnen. Gleich vier Mal verlor Schröder den Ball - und hinten regelmäßig den türkischen Aufbauwusler Ali Muhammed aus den Augen. Trotz aller Korberfolge zum Schluss, als Schröder es allein gegen alle versuchte, war die Selbstkritik nach der Partie sein stärkster Moment: "So ein Anfang sollte nicht vorkommen: Die Ballverluste in den ersten Minuten, das geht nicht." Dass das deutsche Spiel an den Führungsqualitäten des 21-Jährigen hängt, stellte sich schon in der Vorbereitung auf dieses Turnier als problematisch heraus.

In arge Schwierigkeiten gebracht

Jetzt folgte auch im Ernstfall der Beweis für die einfache Formel: Je weniger Schröder es schafft, die Kollegen einzubinden, das Tempo zu dirigieren und den Ball zu teilen, desto mehr erlahmt die deutsche Offensive. Seine 24 Punkte (bei schwacher Trefferquote) sind insofern ein Zeichen dafür, dass einiges falsch lief. Bundestrainer Chris Fleming und auch Nowitzki schimpften während des Spiels mehrfach in Richtung des jungen Alleinunterhalters. Flemings Kritik, dass "die Bereitschaft" gefehlt habe, dürfte also auch direkt an Schröder adressiert gewesen sein. "Die Geschichte dieses Spiels ist, wie wir gestartet sind", folgerte der Coach. Heiko Schaffartzik sah das Erlebte und auch die Probleme im Spielaufbau ähnlich: "Wir konnten unser Spiel nicht aufziehen. Das hat uns dann immer mehr verunsichert."

Der Abstand war frühzeitig zu groß, um die Sache noch umzubiegen. Daran konnte auch ein guter Auftritt des wieder genesenen Robin Benzing (13 Punkte, drei Rebounds) und ein Kratzbürsten-Finish (als der Rückstand immer weiter schmolz) nichts mehr ändern. "Das Loch, das wir uns selbst gebuddelt haben, war zu tief", so die Erklärung von Schaffartzik, der mit Skepsis voraus blickte: "Jetzt stehen wir unter Druck." Mit der zweiten Pleite in Serie hat sich die DBB-Auswahl in arge Schwierigkeiten gebracht. Um weiterzukommen, hoffte man eigentlich auf Siege im Duell gegen die Türken oder die Italiener (die am Dienstagabend überraschend Spanien schlugen).

Die Leistung gegen die keineswegs unschlagbare Türkei stellt nun vieles in Frage. Ohne eine deutliche Steigerung dürfte die Finalrunde den Deutschen verwehrt bleiben. Wie es am Mittwoch (17.45 Uhr, Liveticker bei SZ.de) gegen Italien trotzdem klappen könnte, fasste Nowitzki zusammen: "Unsere Mannschaft ist am besten, wenn wir hart verteidigen und das Spiel schnell machen - und nicht ständig den Ball aus unserem Korb klauben müssen." Es ist davon auszugehen, dass diese Ansage auch Dennis Schröder zu hören bekommt.

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