Deutsches Eishockey:In die Zukunft schlittern

Adler Mannheim - EHC München

Erhöhte Fallgefahr: Die DEL ist international nicht konkurrenzfähig. Im Bild: Mannheims Denis Reul (re.) und Münchens Garrett Roe.

(Foto: Uwe Anspach/dpa)

International kaum konkurrenzfähig, Finanzprobleme und schlechte Nachwuchsarbeit: Die Lage im deutschen Eishockey ist prekär. Nun trifft sich der Verband zu einer Krisensitzung. Auch die Nationalmannschaft leidet.

Von Mathias von Lieben

Franz Reindl beschreibt die Misere mit einem Bild: Drei große Dampfer schwimmen auf dem Ozean. Alle haben ihren eigenen Antrieb, ihre eigene Besatzung und ihre eigenen Ziele. Sie versuchen, nicht miteinander zu kollidieren. Die drei Dampfer, das sind: der Deutsche Eishockey Bund (DEB), die Deutsche Eishockey Liga (DEL) und die Landeseissportverbände (LEV). Franz Reindl ist neuer DEB-Präsident - und er hat ein Ziel: Er will die drei Schiffe auf einen gemeinsamen Kurs bringen. Es ist höchste Zeit.

Alle sechs deutschen Mannschaften scheiterten vergangene Woche in der Champions League, viel früher als erwartet. Die DEL-Teams waren der Konkurrenz erschreckend unterlegen - nicht nur den großen Nationen. Aus der österreichischen Liga Ebel sowie der Schweizer NLA qualifizierten sich jeweils zwei Teams für die Endrunde, aus der DEL kein einziges.

Die sportliche und finanzielle Situation ist prekär, Reindl hat deswegen für diesen Donnerstagabend eine Krisensitzung angesetzt. Auf der Gästeliste stehen: die Chefs der Landesverbände (LEV), die Geschäftsführer und Aufsichtsräte der DEL und DEL2 sowie Vertreter der Oberligen Nord/Süd. Doch wie kann es gelingen, das deutsche Eishockey international konkurrenzfähig zu machen?

Der DEL geht es wirtschaftlich so gut wie nie. Für die Saison 2013/14 konnte die Liga einen Umsatzrekord von 101,5 Millionen Euro vermelden. Seit Servus TV 2012 die Fernsehrechte von Sky übernahm, schlägt sich die erhöhte Präsenz im frei empfangbaren Fernsehen in den Sponsoringerlösen nieder. Die Österreicher zahlen etwa 3,5 Millionen Euro. Für jeden Verein bedeutet das Einnahmen in Höhe von rund 250 000 Euro. Das aber reicht nicht aus, um voranzukommen.

"Das deutsche Eishockey ist einfach zu langsam", kritisiert Jiří Ehrenberger, Sportdirektor des deutschen Meisters ERC Ingolstadt, nach dem Ausscheiden in der Champions League. Die deutschen Teams offenbarten technische Mängel und athletische Defizite. Ehrenberger hat dafür eine Erklärung: "Für die anderen Nationen ist Eishockey eine Ganzjahressportart. Wir machen im Sommer Pause und starten mit der Vorbereitung erst wieder Anfang August."

Tatsächlich fanden die meisten Gruppenspiele der Champions League vor dem DEL-Saisonstart statt - die Konkurrenz war daher physisch deutlich überlegen. In Skandinavien beginnt die Saison-Vorbereitung beispielsweise schon im Juli, wenn es in Deutschland auch mal 30 Grad hat. Die Umstände sind gewiss nicht einfach.

Die Zuschauer bleiben aus

Ehrenberger sitzt im ICE nach Berlin - er hat Zeit, um über die Lage der Liga nachzudenken, und er weiß, dass die Probleme tiefer sitzen: "Die Strukturen der Nachwuchsarbeit in Deutschland sind schlecht. Es fehlt ein ganzheitliches Konzept", sagt der Sportdirektor. Die Talentförderung müsse sich vom Klubsystem loslösen, organisatorisch und finanziell von einem Dachverband geführt werden. Doch ob das gelingt, wenn die drei großen Schiffe - Eishockeybund, Profiliga und die Landesverbände - nicht kooperieren?

Verantwortlich für die Nachwuchsförderung ist der DEB. Der neue Präsident Franz Reindl ist seit Juli im Amt und würde so gerne in Ruhe arbeiten. Doch die Kassen sind klamm, die Trainerausbildung ist verbesserungswürdig. Ein echtes, breitflächiges Nachwuchskonzept gibt es deswegen nicht.

Nun kursierten sogar Gerüchte, der DEB stehe kurz vor der Insolvenz. "Wir brechen nicht zusammen", sagte Reindl dazu am Montag dem Sport-Informationsdienst. "Aber wir brauchen die Hilfe und Unterstützung der gesamten Eishockey-Familie." Immerhin: Die Verlängerung des Vertrages mit Vermarkter Infront verleiht dem DEB nun wieder einen gewissen finanziellen Spielraum.

Auch die Nationalmannschaft leidet

Die Vereine sind bei der Nachwuchsarbeit weitgehend auf sich alleine gestellt. Momentan können nur Klubs wie die Adler Mannheim oder die Eisbären Berlin große Summen in den Nachwuchs investieren - ein potenter Investor macht es möglich. Die Vereine müssen improvisieren. Die Klubs aus Ingolstadt, Regensburg und Landshut haben ein gemeinsames, überregionales Nachwuchsleistungskonzept installiert. Ein Beispiel, das Hoffnung macht.

Nicht nur die DEL, auch die Nationalmannschaft leidet unter den Entwicklungen. Für die Olympischen Winterspiele in Sotschi war das Team nicht qualifiziert, die diesjährige WM endete mit Platz 14 - nur Italien und Kasachstan waren noch schlechter.

Eine Folge daraus: Die Zuschauer bleiben aus. In der Saison 2006/2007 kamen im Durchschnitt 6 434 Zuschauer zu den DEL-Spielen, momentan sind es nicht einmal mehr 6000. Zwischenzeitlich stieg der Zuschauerschnitt zwar an, dieses Niveau konnte aber nicht gehalten werden. Als 2006 der sportliche Ab- und Aufstieg abgeschafft wurde, wandten sich viele Fans von der Liga ab - ein bekanntes Problem. Außerdem hat der Umzug aus den alten Eishockey-Stadien in neue Multifunktionsarenen nicht überall funktioniert: Hannover ist das beste Beispiel. Keine gute Grundlage, um Geld zu generieren.

Auf der Krisensitzung am Donnerstag gibt es also viel zu besprechen - auch das erste November-Wochenende mit Dialogtag und Mitgliederversammlung verspricht wichtige Entscheidungen. Bis dahin treiben der Eishockeybund, die DEL und die Landesverbände allein auf hoher See. Ob es zur Kollision kommt oder sie in Zukunft womöglich mit gemeinsamen Antrieb über das Meer gleiten, das wird sich zeigen.

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