Deutsches Biathlon-Team:Muffins backen gegen den Frust

Biathlon-Weltcup in Ruhpolding - Massenstart Frauen

Plötzlich Zweite: Franziska Preuß in Ruhpolding.

(Foto: dpa)

Was ist mit den deutschen Biathleten los? Nach trüben Wochen sorgen Franziska Preuß und Simon Schempp in Ruhpolding für Spitzen-Ergebnisse. Das lässt sich nicht nur mit gutem Training erklären.

Von Saskia Aleythe, Ruhpolding

Es muss nicht immer Spitzentraining sein, das einem Sportler Erfolg bringt. Franziska Preuß hat es am Samstag mit etwas anderem versucht als Biathlon, das sah so aus: Den Vormittag im Bett verbringen, dann habe sie "Muffins gebacken und Frust-Shopping im Internet" betrieben, später noch den Sprint der Männer im Fernsehen verfolgt. 45 Minuten joggen, mehr war da nicht an Vorbereitung auf den Massenstart am Sonntag. Zum Glück.

Denn am Sonntag um 15.05 Ortszeit in Ruhpolding sah das dann so aus: Die 20-Jährige glitt über die Ziellinie, war dort als Zweite angekommen - zum ersten Mal in ihrer Karriere.

"Dass da nur eine vor mir im Zielbereich ist, war ein ganz neues Gefühl", sagte Preuß, "ich kann es noch gar nicht richtig glauben." Diese eine war Daria Domratschewa, die der jungen Deutschen ein großartiges Rennen attestierte, was wiederum Preuß ganz unwirklich vorkam. "Vor zwei Jahren hab' ich sie noch im Fernsehen bewundert", sagte Preuß, "und plötzlich lobt sie mich." Noch mehr neue Gefühle also.

Und auch Simon Schempp erlebte Ungewohntes: Im Schlussspurt beim Massenstart war er tatsächlich mal nicht der Verlierer, in der Staffel hatten ihm gegen Emil Hegle Svendsen noch "die letzten Körner gefehlt", nun leuchtete die "Eins" auf: Im Fotofinish hatte er sich durchgesetzt, gegen den Franzosen Quentin Fillon Maillet und Michal Slesingr aus Tschechien. "Es hat endlich mal gereicht im Schlusspurt", sagte Schempp nach dem ersten deutschen Weltcupsieg in diesem Winter.

Die Stimmungslage in den Tagen zuvor war ja eher trübe gewesen bei Franziska Preuß, ausgerechnet hier, in ihrem Ruhpolding, wollte es nicht so recht klappen. In der Staffel hatte sie mit einer Strafrunde als Startläuferin keine gute Figur abgegeben, im Sprint schaffte sie auch nur einen 42. Rang, mit drei Fehlern am Schießstand. Dabei hatte sie schon ein paar vierte Plätze feiern können in ihrem jungen Biathletenleben, zuletzt beim Sprint in Oberhof. "Ich habe mich sonst immer selbst so unter Druck gesetzt," erzählt Preuß, "weil ich schon oft nah dran war und wollte, dass mal alles zusammenpasst."

Und nun? Nach zwei Schießfehlern stürmte Preuß auf Rang vier liegend wieder auf die Loipe, und zwar gnadenlos: Bereits nach wenigen Metern hatte sie zwei Ränge gutgemacht, die letzte Runde absolvierte sie als Drittschnellste im ganzen Feld. "Das hat sie prima gemeistert", meinte Bundestrainer Gerald Hönig. Einfach mal loslassen, das habe geklappt, sagte Preuß.

Zufrieden mit dem Zuschauer-Zuspruch

Dieser Schritt heraus aus der Ratlosigkeit, aus dem unbedingten Wollen-aber-nicht-richtig-Können, prägte das Wochenende in Ruhpolding. Denn am Samstag, einen Tag vor Simon Schempps Sieg im Massenstart, hatte es auch bei den Männern wieder mit starken Ergebnissen in den Einzelrennen geklappt. Vier Deutsche in den Top Ten, zwei sogar auf dem Podest: Schempp schaffte im Sprint zum dritten Mal in dieser Saison einen zweiten Platz, Arnd Peiffer wurde Dritter - auch dank der Preuß'schen Methode. "Ich habe nicht an Top Acht, Top 15, Quali und das ganze Gedöns gedacht", sagte Peiffer, "zuletzt habe ich mich vielleicht ein bisschen zu viel mit der Zukunft beschäftigt."

Peiffer war außer in Staffelrennen noch gar nicht aufgefallen, bei den Sprints in Pokljuka und Oberhof reichte es nur für Rang 64. Die WM-Norm hatte er als Einziger noch nicht erfüllt. Peiffer ist kaum aus der Ruhe zu bringen, aber diese Norm hatte sich schon in seinem Kopf festgesetzt. In Ruhpolding klappte es nun mit Hilfe eines Freundschaftsdienstes: Daniel Böhm überließ ihm in Absprache mit Bundestrainer Mark Kirchner seine niedrigere Startnummer. "Das ist nicht automatisch besser", erklärte Peiffer, "aber ich starte lieber früher." Als er den Tausch bemerkt hatte, sei er "fast ein bisschen gerührt gewesen", sagte Peiffer, "das ist nicht selbstverständlich." Böhm landete auf Rang neun und war "froh, dass Arnd seine Chance genutzt hat. Das zeigt, dass es die richtige Entscheidung war". Der Teamgeist stimmt also, noch so eine Erkenntnis aus Ruhpolding.

Dass so viele Zuschauer gekommen seien, fand Franziska Preuß dann noch "krass", bevor Ruhpoldings Bürgermeister und Chef-Organisator Claus Pichler sein Fazit verkünden durfte. 65 500 Menschen wurden gezählt in den fünf Tagen, "das Interesse ist außerordentlich groß", sagte Pichler. Zwar sind die Zahlen weiter leicht zurückgegangen, 2013 zeigte sich Pichler noch schockiert über 68 000 Menschen nach der Rekord-WM 2012 mit 218 000 Zuschauern. Die Maßstäbe aber scheinen sich verschoben zu haben.

Um den Biathlon-Standort Deutschland müsse man sich keine Sorgen machen, weder um Oberhof noch um Ruhpolding, sagte DSV-Präsident Franz Steinle, "wir spüren einen großen Zuschauerzuspruch." In Oberhof war vor einer Woche mit 66 000 Zuschauern kein einziger Tag ausverkauft gewesen. Doch im internationalen Vergleich liegt Deutschland noch immer vorn. An diesem Wochenende sogar sportlich - kein schlechter Abschied vor der WM in Kontiolahti/Finnland im März.

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