Deutscher Sieg beim Confed Cup:Zur Belohnung darf Löw jetzt puzzeln

  • Das Finale beim Confed Cup erweist sich für die jugendliche deutsche Nationalelf in Russland als letzte harte Probe.
  • Es zeigt sich, dass Jungprofis wie Joshua Kimmich ohne jede Furcht in jedes Duell gehen.
  • Die Zukunft des deutschen Fußballs ist aussichtsreicher denn je.

Von Martin Schneider, Sankt Petersburg

Die Frage, was Arturo Vidal und Joshua Kimmich sich an den Kopf geworfen haben, während sie sich Stirn an Stirn voreinander aufbauten - die wird wohl unbeantwortet bleiben. "Das weiß ich gar nicht mehr. Hat mich auch nicht interessiert", sagte Kimmich mit dem Lächeln des Siegers. Seiner Mimik war nicht zu entnehmen, ob das nun geschwindelt war, oder ob er es inmitten des Handgemenges und des Gejohles der chilenischen Fans wirklich nicht verstanden hatte.

Auch die Frage, ob die beiden Bayern-Profis das nach dem Spiel geklärt hätten, ließ er unbeantwortet. "Da ist man nicht nachtragend", sagte Kimmich nur. "Da passieren halt Dinge auf dem Spielfeld, die passieren. Wir haben 1:0 gewonnen, von daher kann ich ganz locker zurückblicken." Ob das noch mal ein Thema werden wird beim FC Bayern, hakte ein Reporter dann noch nach. "Also von mir aus nicht", sagte Kimmich, jetzt breit lächelnd.

In der 59. Minute hatten die beiden Mannschaftskameraden einen kleinen Fight. Kimmich fühlte sich von Torhüter Claudio Bravo zu hart angegangen und weil die Chilenen die Grenzen der Legalität vorher schon recht leger interpretiert hatten, fühlte er sich wohl zu einer Reaktion genötigt. Vidal kam hinzu, schubste ihn weg, die beiden drückten ihre Stirn gegeneinander, Vidal schubste Kimmich dann weg. Am Ende bekamen beide Gelb. "So was passiert in der Hitze des Gefechts. Da bleibt nichts hängen. Kein Problem", sagte Vidal nach Spielende dazu.

Es war die hitzigste Szene eines Finales, das trotz seiner vielfach beschworenen mittleren Bedeutung (war ja bloß der Confed Cup) eine erstaunliche Temperatur erreichte. Spätestens, als Gonzalo Jara den Ellbogen zielsicher in Timo Werners Kiefer rammte (und danach trotz Video-Beweises nur die gelbe Karte sah), war klar, zu welchen Mitteln Chile greifen würde, um den vermeintlich unwichtigen Pokal doch noch zu gewinnen.

Eben jener Werner hatte ja den Geistesblitz des Abends gehabt, als er dem Ex-Hamburger Marcelo Diaz den Ball stibitzte und zu Lars Stindl passte, der frei das 1:0 schoss. Wegen dieser Idee und weil es die junge Mannschaft schaffte, sich vom südamerikanischen Fight Club nicht aus dem Konzept bringen zu lassen, stemmte Julian Draxler irgendwann zu Recht den goldenen Pokal in die Höhe.

"Das ist eine absolute Freude", sagte Joachim Löw. "Die Jungs haben das großartig gemacht, ich bin unglaublich stolz auf sie. So ein Finale hat etwas Magisches. Viele Spieler standen noch in keinem Finale, das werden sie ihr Leben lang nicht vergessen", sprach der Bundestrainer im biernassen Hemd, weil seine "Jungs" die Pressekonferenz stürmten - und Joshua Kimmich von oben und Julian Brandt von vorne den Bundestrainer begossen.

An feierrelevanten Infos gab es zu berichten, dass die deutsche Mannschaft auf dem Platz in jeder Ecke den Pokal zelebrierte, obwohl wirklich nur eine, maximal zwei Handvoll deutsche Fans im Stadion in Sankt Petersburg anwesend waren. Und dass Kimmich die Humba anstimmte sowie später von Manager Oliver Bierhoff als Feier-Führungsspieler bezeichnet wurde.

Dass, nach Studium diverser Kabinen-Videos, vermutlich auch Shkodran Mustafi dazu gehört und Emre Can, den Mustafi - gewollt oder nicht gewollt - konsequent Emre "Kahn" aussprach. Dass Jonas Hector sein Flaschenbier sehr umsichtig durch die Mixed-Zone zum Bus trug. Dass es nach dem Spiel Burger gab und dass der Bundestrainer die Ehre hatte, den Gold-Pokal mitzunehmen. "Er isch schwerer als der WM-Pokal", teilte er beim Tragen mit.

Es gibt ein Problem in Sankt Petersburg

Als größtes Feier-Problem erwies sich, dass in Sankt Petersburg die Brücken hochgeklappt werden. Das ist in dem Fall keine Metapher für Langeweile und Bräsigkeit, sondern schlicht russisches Brauchtum: Nachts macht die Stadt den Flussweg frei, damit Frachtschiffe die Newa passieren können. Weil das neue Stadion aber auf einer Insel liegt, bringt das logistische Probleme mit sich. Die Pressesprecher scheuchten die Spieler irgendwann in den Bus.

Als um zwei Uhr Ortszeit unter anderem Julian Draxler, Leon Goretzka, Antonio Rüdiger, Emre Can, Sebastian Rudy, Shkodran Mustafi und Kevin Trapp noch zu einer Feierlocation wollten, standen sie vor einer hochgeklappten Brücke. Draxler postete ein Video davon auf seinem Instagram-Account. Irgendwo werden sie die "weiße Nacht" (es wird zu dieser Jahreszeit nie wirklich dunkel in der Stadt) schon rumgebracht haben. Am nächsten Morgen ging relativ zeitig der Flieger nach Deutschland.

Der nächste Flieger, der mit einer deutschen Nationalmannschaft nach Russland starten wird, wird der zur Weltmeisterschaft sein. Der Bundestrainer hat es nun geschafft, sich die Aufgabe schwerer und leichter zugleich zu machen. Er hat eine funktionierende Mannschaft beim Confed Cup präsentiert. Er hat eine funktionierende Mannschaft bei der U-21-EM gesehen. Und bei keinem dieser Turniere, die mit zwei Titelgewinnen endeten, spielten: Manuel Neuer, Mats Hummels, Jérôme Boateng, Benedikt Höwedes, Sami Khedira, Ilkay Gündogan, Toni Kroos, Mesut Özil, Marco Reus, Mario Götze, Leroy Sané, Thomas Müller oder Mario Gomez.

Das wird ein schönes Kaderpuzzle für den Bundestrainer. Oliver Bierhoff gab schon nach dem Mexiko-Spiel zu, es graue ihm vor der nächsten Nominierungsrunde. Aber das Trainer-Team wollte es ja so. Wenn man einen Plan ausheckt, darf man sich nicht beschweren, wenn er auch funktioniert. Sie haben jetzt ja noch das Ziel, den Confed-Cup-Fluch zu bezwingen. Noch nie wurde eine Mannschaft, die den Kontinental-Pokal gewonnen hat, danach auch Weltmeister.

Das Fazit dieser zwei Wochen zwischen Sotschi, Kasan und Sankt Petersburg lautet indes: Ein Jahr vor der WM, und hier ist der Prognose-Superlativ wohl angebracht, könnten die Voraussetzungen für eine Titelverteidigung im deutschen Fußball besser nicht sein.

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