Deutsche Vorrunden-Bilanz:Rüber zu den Schweizern

USA v Germany: Group G - 2014 FIFA World Cup Brazil

Der Müller war's: Thomas Müller jubelt über seinen ersten von vier Treffern in der Vorrunde.

(Foto: Alex Livesey/Getty)

Wer darf im Campo Bahia bleiben? Wer zieht ins All-inclusive-Ressort auf der anderen Flussseite? Und wer muss ins Medienhotel? Das Vorrunden-Zeugnis der deutschen Nationalelf bei der Fußball-WM, ausgeplaudert vom Campo-Bahia-Papagei.

Von Christof Kneer und Philipp Selldorf, Santo André

Übers Teamquartier der deutschen Nationalmannschaft ist viel geschrieben worden in den letzten Monaten. Es ist gerätselt worden, ob das "Campo Bahia" am Strand von Santo André eigens für den DFB erbaut wurde und warum keines der benachbarten Quartiere gut genug war. Es wurde auch viel darüber spekuliert, wie fertig das Campo wohl am Anreisetag sein würde und ob Philipp Lahm kraft seiner hierarchischen Sonderstellung als Kapitän wenigstens das Haus erhält, in das es nicht rein regnet. Was außer der SZ wieder mal keiner wusste: dass der DFB von Anfang an vorhatte, die Quartierfrage nach der Vorrunde neu zu stellen.

Laut eines geheimen Belegungsplanes, den ein Campo-Bahia-Papagei der SZ ausplauderte, soll die Mannschaft nach der Vorrunde auf drei Quartiere verteilt werden - je nach Leistung und Betragen. Demnach dürfen die Vorbildlichsten, Tugendhaftesten und Stärksten im Campo Bahia bleiben; eine nicht ganz so unersetzliche zweite Gruppe wird im Quartier der Schweizer Nationalmannschaft auf der anderen Flussseite untergebracht, dem All-Inclusive-Ressort "La Torre", das der DFB bislang nur für Funktionäre und Spielerfrauen nutzt; eine dritte und letzte Gruppe wohnt künftig im Hotel der deutschen Journalisten. Die SZ zitiert Auszüge aus dem geheimen Belegungsplan.

Campo Bahia

Hier gab es während der Vorrunde klare Zimmerzuteilungen. Die Spieler wohnten in den Häusern mit Meerblick, die Trainer wohnten in den Zwischenräumen und auf den Halbpositionen, die Servicekräfte dagegen wohnten an der staubigen Straße, auf der die struppigen Hunde herumstreunen. Die Mediziner und Physiotherapeuten nutzten einen Zweckbau am Verkehrsknotenpunkt des Campo Bahia.

Nun wird alles neu gemischt. Keiner will aus dem Campo raus, aber es hilft ja nix. Nicht jeder war so umsichtig wie Sami Khedira, der sein Revier im Campo vom ersten Tag an markierte, aber natürlich nicht mit den Methoden von Kevin Großkreutz. Das Schild "Hier wohnt der Champions-League-Sieger" gibt klar zu erkennen, dass Khedira aus seiner königlichen Suite nicht zu verdrängen ist. Das entspricht zwar nicht ganz seiner aktuellen Leistung, spiegelt aber die bestimmende Natur wider, die der Bundestrainer auf dem Fußballplatz an ihm schätzt.

Weiter im Campo Bahia bleiben natürlich Manuel Neuer, Mats Hummels, Toni Kroos und Thomas Müller, die sich in der Vorrunde als unverzichtbare Stützen erwiesen haben; außerdem kam für Hummels ein Umzug ins "La Torre" ohnehin nicht in Frage, weil dort die Klatschkolumnistin Cathy Fischer wohnt, bei der es sich nebenbei um seine Freundin handelt. Auch der Jubilar Per Mertesacker (100 Länderspiele) behält sein Zimmer, das ohnehin eine turmförmige Spezialanfertigung ist, mit 4,20 Meter langen Bettdecken und Flatscreens, die auf Augenhöhe in 3,80 Meter angebracht sind. Darüber hinaus bewährte sich Mertesacker in der Vorrunde durch seine gewohnt turmförmige Spielweise.

Roman Weidenfeller bleibt ebenfalls im Campo. Muss als erster Ersatzmann in Rufweite von Manuel Neuer sein.

Ein spektakulärer Zimmerwechsel steht im Bereich der Zwischenräume und Halbpositionen an. Assistent Hansi Flick wird die Präsidentensuite von Jogi Löw übernehmen. Er wird nicht nur demnächst zum Sportdirektor und Vorstandschef im DFB aufsteigen; vor allem verantwortet er das neue Erfolgsmittel der deutschen Mannschaft, die Standardsituationen (Ecken und Freistöße). Ob das für Irritationen im Trainerstab sorgt, ist derzeit unbekannt. Löw war für eine Stellungnahme wieder mal nicht zu erreichen.

Auch Miroslav Klose darf dank seines Treffers gegen Ghana im Campo bleiben, außerdem erschien eine Verlegung allein aus Altersgründen nicht zumutbar. So bleibt Klose in seiner holzgetäfelten Suite mit Jagd- und Torjägertrophäen, Pfälzer Weinkeller und Schaukelstuhl (bei Bedarf auch Heizdecken erhältlich).

Überraschend qualifizierten sich auch Julian Draxler und Erik Durm für einen weiteren Campo-Aufenthalt, weil sie, so Assistent, Sportdirektor und Vorstandschef Flick, "ganz hervorragend trainieren".

Ein Extra-Gästezimmer bleibt für Jens Todt reserviert, auf Anregung von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, der angesichts der Verletzungssorgen in der Vorbereitung an die EM 1996 erinnerte. Damals wurde Todt nur fürs Finale nachnominiert und kassierte dafür laut Niersbach 10 000 Mark Prämie. Allerdings: Für diese Summe würde sich heutzutage nicht einmal ein Spieler des Hamburger SV in die S-Bahn zum Flughafen setzen.

Prof. Dr. Dr. Dr. Hans-Wilhelm Müller-Hohenstein-Wohlfarth behält seine Praxis im Campo selbstverständlich bei.

La Torre

La Torre Auf eigenen Wunsch werden Matthias Ginter (SC Freiburg) und Christoph Kramer (Bor. Mönchengladbach) künftig im All-inclusive-Ressort auf der anderen Flussseite wohnen. Grund: die Nähe zu ihren Schweizer Vereinskameraden Mehmedi und Fernandes (Freiburg) sowie Xhaka (Mönchengladbach), denen unter lauter All-inclusive-Touristen stinklangweilig ist.

Aufgrund einer riesigen Pool-Landschaft und eines großen Vorrats an Kinderspielzeug wird auch Lukas Podolski ins La Torre versetzt, wo er von früh bis spät jemanden ins Wasser schmeißen kann. Nicht zuletzt entspricht das Down-Grading aber auch seinem aktuellen sportlichen Stellenwert, der durch die schwache Halbzeit gegen die USA deutlich gesunken ist. Im La Torre wohnt er jetzt direkt neben Shkodran Mustafi, dessen gerade gestiegener Stellenwert durch eine schwache Halbzeit gegen Ghana ebenfalls sofort wieder gesunken ist.

Auch Jérôme Boateng und Benedikt Höwedes werden im La Torre untergebracht. Grund: Weil dort - wie auf den defensiven Außenbahnen - halt noch Plätze frei waren. Für Mesut Özil wurde vorübergehend ein Pendelverkehr auf der Fähre vom Festland (La Torre) zur Halbinsel (Campo Bahia) erwogen, weil sich die DFB-Planer nach der Vorrunde noch nicht ganz sicher sind, ob er nun in die erste oder zweite Quartierkategorie gehört. Ein Zimmer im Campo wurde Özil angeboten, er hat sich aber wegen der deutlich besseren Internetqualität fürs La Torre entschieden, wo er seine 2,4 Milliarden Facebook-Freundschaften besser pflegen kann.

Als Politikum erwies sich vorübergehend die Degradierung von Philipp Lahm, der die Kapitänssuite im Campo mit einem einfachen Standardzimmer im La Torre tauschen musste. Grund: War ungezogen. Hat einen Fehlpass gespielt. Rückzug ins Campo wurde in Aussicht gestellt, erst recht nach guter Leistung gegen die USA.

Auch für Andre Schürrle, bisher noch ohne echte Bewährungschance, ist eine Rückkehr ins Campo möglich - wenn er sich denn mal bewähren darf. Und wenn er überhaupt umziehen will. Fühlt sich als geselliger Typ, der gerne, viel und laut spricht, im La Torre wohl.

Auch der dritte Torwart Ron-Robert Zieler wohnt jetzt im La Torre. Darf dort wegen absehbarer Nicht-Beschäftigung das 24-Stunden-Büffet benutzen und sogar mit der Klatschkolumnistin Cathy Fischer plaudern. Hat sein Handtuch bereits nach guter deutscher Art auf einer Sonnenliege hinterlegt. Auch Kevin Großkreutz hat sein Revier dort bereits markiert - mit einem Handtuch.

Mario Götzes Umzug eine Hotelklasse tiefer liegen sportliche Kriterien zugrunde. Hat bisher trotz einiger Höhepunkte einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Bedenken hat die sportliche Leitung allerdings wegen Götzes nachgewiesener Neigung zum Nachtischbüffet. Der DFB stellt daher einen eigenen Wachmann ab.

Medienhotel

Dort wohnen Bundestrainer Joachim Löw und Bastian Schweinsteiger. Sportlich ist ihnen nichts vorzuwerfen, aber weil sie sich zum Verdruss der Reporter sehr rar machen, entschied die DFB-Presseabteilung, sie bei den Journalisten einzuquartieren. "Wir müssen die Medien bis zum Finale mitnehmen", sagt einer aus der DFB-Presseabteilung.

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