Deutsche Nationalmannschaft:Reus muss in die Hauptrolle schlüpfen

Deutsche Nationalmannschaft: Marco Reus (links) behauptet gegen Mexiko energisch den Ball.

Marco Reus (links) behauptet gegen Mexiko energisch den Ball.

(Foto: AFP)
  • Beim 0:1 gegen Mexiko wird Marco Reus nur eingewechselt - ein Fehler?
  • Der BVB-Profi verrät nun, dass er das schon länger wusste und für die wichtigen Spiele vorgesehen sei. Wen nimmt Bundestrainer Löw nun für ihn aus dem Team?
  • Hier geht es zum Spielplan der WM.

Von Claudio Catuogno, Moskau

Die Frage, wann Jogi Löw sich die Aufstellung gegen Mexiko ausgedacht hat, wird sich nicht mehr mit historischer Strenge beantworten lassen. Trainer handhaben das ja sehr unterschiedlich mit dem Festlegen und Bekanntgeben ihrer Vertrauenself, manche, Pep Guardiola etwa, grübeln noch in der Nacht vor dem Spiel, ob sie es lieber mit einrückenden Außenverteidigern oder mit aufrückenden Innenverteidigern versuchen sollen. Andere legen sich früher fest. Ehemalige FC-Bayern-Spieler erinnern sich zum Beispiel mit großer Heiterkeit, wie Jürgen Klinsmann seine Startelf stets zum gleichen Zeitpunkt an die Wand heftete - und wie das einmal gar keine Startelf war. Sondern eine Startzwölf.

Joachim Löw hat sich vielleicht schon in den Spätwintertagen darauf festgelegt, dass gegen Mexiko diejenigen spielen, die es verdient haben. Die Weltmeister Khedira und Özil. Der Confed-Cup-Sieger-Kapitän Draxler. Der Müller, bei dem immer gleich die halbe Branche aufschreit, wenn er mal nicht spielt. In jedem Fall wusste der Bundestrainer bereits im Mai, welche WM-Rolle er für Marco Reus vorgesehen hat, den Dortmunder Flügelstürmer, den viele wegen seiner zuletzt bestechenden Form in der Startelf erwartet hatten. Löw betrachtete Reus als eine Art Geheimwaffe - die er erst noch in der Hinterhand behalten wollte.

Offenkundig hat sich Löw mit Reus verzockt

Wenn sonst alles nach Plan läuft, ist so eine Strategie nicht ungewöhnlich: dass ein Trainer zunächst eher nach der alten Hierarchie aufstellt - und dass sich dann im Laufe der WM, von Erkenntnis zu Erkenntnis, eine neue Hierarchie herausbildet. Ungewöhnlich ist allenfalls, dass ein Spieler diese Geheimwaffen-Strategie schon nach der ersten Partie verrät.

Man muss davon ausgehen, dass vieles, was von den Nationalspielern nach dem 0:1 gegen Mexiko gesagt wurde, mit Bedacht gesagt wurde. Etwa der Hilferuf des Innenverteidigers Mats Hummels: "Jérôme und ich stehen da oft alleine da." Oder die Einschätzung von Toni Kroos, die Mexikaner hätten "clever zugestellt", aber auch "da Platz gelassen, wo sie es sich leisten konnten". Man konnte das als dezenten Hinweis verstehen, dass ihm selbst ständig der Mexikaner Carlos Vela auf den Füßen herumstand, während andere - Khedira und Özil etwa - viel unbelästigter blieben, und trotzdem wenig dabei rauskam.

Marco Reus hingegen hat sich wohl einfach verplappert. Löw habe ihm schon im Mai im Trainingslager in Südtirol mitgeteilt, sagte Reus, dass er im ersten Spiel nicht von Beginn an mitwirken würde, "weil wir davon ausgehen, dass das Turnier sehr lang geht und ich vor allem in den wichtigen Spielen ...".

In den wichtigen Spielen? Ja gilt denn der Merksatz des 1990er-Teamchefs Franz Beckenbauer nicht mehr, wonach das erste Spiel immer das wichtigste ist? Zwar hielt Reus dann inne und ergänzte, klar, Mexiko sei "auch wichtig" gewesen. Aber da hatte er schon einen Spalt breit die Tür geöffnet zu Jogis geheimem WM-Labor. Offenkundig hatte sich Löw verzockt bei seiner Überlegung, erst mal keinen Etablierten zu verprellen zugunsten einer Lösung mit Reus.

Böse wird Löw Reus trotzdem kaum sein, zumal alle bisherigen Strategien jetzt eh auf dem Prüfstand stehen. Ob das Turnier für die Deutschen noch lang geht, ist offen. Reus allerdings dürfte früher als geplant in eine Hauptrolle rücken. Die Geschichte des 29-Jährigen, der in Russland seine erste WM spielt (2014 war er, wie so oft, verletzt), ist jüngst häufig erzählt worden. Als er gegen Mexiko in der 60. Minute für Khedira kam, waren prompt mehr Bewegung und Torgefahr im Spiel. Die Frage ist nur, wen Löw für Reus jetzt in die zweite Reihe schiebt. Draxler? Özil? Müller? Zwölf Spieler darf ja nicht mal der Weltmeistertrainer aufbieten.

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