Deutsche Nationalmannschaft:Das Imageproblem des DFB

Deutsche Nationalmannschaft: Kein Selbstläufer mehr: Auch in Kopenhagen war das Stadion nicht voll, als der Weltmeister mit Sandro Wagner (hier gegen Jannik Vestergaard) antrat.

Kein Selbstläufer mehr: Auch in Kopenhagen war das Stadion nicht voll, als der Weltmeister mit Sandro Wagner (hier gegen Jannik Vestergaard) antrat.

(Foto: Patrick Stollarz/AFP)
  • Vor dem Quali-Spiel gegen San Marino wird klar, dass in Nürnberg das Stadion nicht voll wird.
  • Die Fans haben immer weniger Lust, die DFB-Elf in Spielen anzufeuern, deren sportlicher Wert umstritten ist.

Von Philipp Selldorf

Am Samstagabend findet in Nürnberg das WM-Qualifikationsspiel zwischen Deutschland und San Marino statt. Freunden gewagter Sportwetten bietet diese Partie enorme Chancen. Für einen einzigen Euro Einsatz auf den Sieg von San Marino schütten die Buchmacher im Erfolgsfall bis zu 85 Euro aus, was eine ungleich attraktivere Quote ist als im umgekehrten Fall: Pro Euro Einsatz auf den Sieg der Deutschen erhält man: einen Euro.

Seine Mannschaft werde dieses Spiel gewinnen, hat der Bundestrainer gesagt, und er hat es nicht mit grimmiger Entschlossenheit gesagt, sondern im leidenschaftslosen Tonfall des Gutachters, dem wissenschaftlich exakte Informationen zur Verfügung stehen. Joachim Löw hat lediglich offen gelassen, wie viele Tore seine Mannschaft schießen werde, "ein paar" würden es ganz sicher werden, ließ er wissen.

Insofern braucht sich jetzt niemand zu wundern, dass zwei Tage vor dem Anstoß dieser Partie, deren Ausgang nach unbestrittenem Kenntnisstand bereits feststeht, lediglich 27 000 der 44 000 Eintrittskarten verkauft worden sind, zumal bei Eintrittspreisen von 18 Euro - ermäßigt in der Kurve für Schüler, Studenten und Rentner - bis 80 Euro auf der Haupttribüne. Umgekehrt ist es richtig: Jeder einzelne der mindestens 27 000 Besucher widerlegt ja mit dem Gang zum Valznerweiher einen der weisen Denker dieses Sports. Die Leute gehen zum Fußball, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht: Dieses von Sepp Herberger entworfene Theorem gilt im 21. Jahrhundert unter abgewandelten Bedingungen.

Nur eins der letzten sieben Heimspiele ausverkauft

In Deutschland streben die Massen ins Stadion, obwohl sie wissen, dass am Ende der FC Bayern gewinnen wird. Rund 13 Millionen Zuschauer zählt die Bundesliga pro Saison, und für die kommende Spielzeit wird wieder mit einem Rekord gerechnet, da die Arenen der Aufsteiger Stuttgart und Hannover ungleich größer sind als die der Absteiger Darmstadt und Ingolstadt. Hier und da machen sich ein paar Verkaufsmanager zwar Sorgen, weil sie nicht all ihre teuren Logen und Hospitality-Arrangements loswerden, das sind aber wohl lokale oder vorübergehende Phänomene.

Eine Ausnahme vom unverändert boomenden Ganzen bildet bloß der DFB mit seiner Nationalmannschaft. Das Interesse am Besuch von Länderspielen hat im Vergleich mit den Jahren vor dem WM-Titelgewinn abgenommen, das registriert der Verband nicht nur bei Treffen mit Winzlingen wie San Marino, sondern auch bei den Begegnungen mit großen Fußball-Nationen. Von den letzten sieben Heimspielen der Nationalelf war lediglich die Partie gegen Tschechien in Hamburg im vorigen März ausverkauft.

Anfang März kamen in Dortmund zwar rund 60 000 Zuschauer zum Spiel gegen England, diese waren aber in großer Zahl nicht gekommen, um einen quer im Matchkalender stehenden Testkick zu sehen, sondern um Sankt Lukas Podolski zu verabschieden - eine Völkerwanderung aus dem Rheinland hatte die Arena gefüllt. Als Bastian Schweinsteiger ein halbes Jahr vorher in Mönchengladbach Adieu sagte, musste in den letzten Tagen kräftig getrommelt werden, damit es nicht peinlich wurde. Schließlich war das Haus wenigstens zu zwei Dritteln besetzt.

Die magnetische Anziehungskraft der Nationalelf aufs heimische Publikum, die mit Blick auf die WM 2006 einsetzte, hat nach dem Titelgewinn von Rio nachgelassen. Was auch daran liegt, dass die Deutschen in den Qualifikationsrunden zur WM und vor allem zur aufgeblasenen EM kaum noch ernst zu nehmenden Gegner mehr haben. "Der Hype hat abgenommen", stellt Manager Oliver Bierhoff fest.

Kein Gefallen von Löw

Daran ist auch der Bundestrainer nicht ganz unschuldig. Löws Entscheidung, seinen besonders beschäftigten Stars die Teilnahme am Confed Cup in Russland zu ersparen, ist nicht der erste Fall, in dem er Rücksicht auf die Spieler, aber nicht auf den Veranstalter und das zahlende Publikum nimmt. Aus sportlicher Sicht ist sein Vorgehen plausibel, den Vermarktern tut er keinen Gefallen.

Um die Testspiele sportlich und kommerziell aufzuwerten, ist der DFB ja längst dazu übergegangen, die ehedem üblichen Testspiele gegen kleinere Gegner aus dem Programm zu nehmen. Doch auch ein Testspiel gegen Italien und England oder wie im nächsten Frühjahr gegen Brasilien und Spanien ist lediglich ein Testspiel - das zudem notorisch mit den Interessen der Top-Vereine kollidiert, weshalb manche Stars regelmäßig von mysteriösen Muskelbeschwerden ereilt werden.

Kulturkritische Interpretationen dieser Entwicklung sind derzeit populär, schießen aber oft übers Ziel hinaus. Der Wettbewerbskalender des Spitzenfußballs hat sich nicht sonderlich verändert, nicht Zu-viel-Fußball ist das Thema, sondern der Reiz, den das jeweilige Spiel bietet.

San Marino ist die Nr. 204 der Weltrangliste

DFB-Präsident Reinhard Grindel musste sich zuletzt zwar anstrengen, um den Einsatz von Helene Fischer in der Pause des Pokalfinales zu legitimieren; er hat aber gute Argumente, wenn er sagt, dass weder die Abscheu vor Showelementen noch eine generell nachlassende Akzeptanz den Wert der Nationalelf gefährden.

Beim Testspiel des DFB-Teams in Dänemark am Dienstag saßen acht Millionen Deutsche vor dem Fernseher. Und vermutlich würden auch in Nürnberg wieder mehr Leute ins Stadion kommen, wenn der DFB attraktivere Spiele ins Frankenland vergeben würde. Am Samstag ist es San Marino, Nr. 204 der Weltrangliste. Bei den vorigen Länderspielen hießen die Gegner Gibraltar und Kasachstan.

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