Deutsche Nationalelf:Kroos löst ein Knirschen aus

Der deutsche Nationalspieler Toni Kroos kritisierte nach dem verlorenen WM-Test gegen Brasilien seine Mitspieler.

Deutliche Worte nach der Pleite: Toni Kroos fand den Auftritt seiner Mitspieler mehr als unglücklich.

(Foto: AFP)
  • Das 0:1 der DFB-Elf gegen Brasilien in Berlin offenbart einige kleinere atmosphärische Störungen in der Mannschaft.
  • Toni Kroos spricht den schwachen Auftritt der Kollegen offen an.
  • Bundestrainer Löw sieht die Schwierigkeiten in den vielen Umstellungen.

Von Christopher Gerards, Berlin

Irgendwann, Toni Kroos hatte jetzt schon eine Weile gesprochen, wandte er sich den schönen Dingen zu. Das heißt, er sprach über das, was gut gelaufen war an diesem Abend. Er sagte: "Ich fand, am Ende wurde es ein bisschen besser. Da hat man gemerkt: Die Brasilianer kommen nicht überall hin." Dann sprach er noch über ein "paar Abschlüsse" und ein "paar gute Flankensituationen". Und dann war der Unterpunkt "Positives" seines kleinen Vortrags auch schon vorbei.

Toni Kroos, 28, Mittelfeldspieler der deutschen Nationalmannschaft, konnte sich wieder dem Thema widmen, das ihn umtrieb, über das er insgesamt drei Mal sprach an diesem Dienstagabend - erst im Fernsehen, dann mit einer Gruppe von Reportern und dann mit einer weiteren Gruppe von Reportern. Es ging um: das DFB-Team, die Mitspieler und darum, so sah er das, dass "viele ihre Chancen nicht genutzt haben".

0:1 hat Deutschland in Berlin gegen Brasilien verloren, es war ein Spiel, das eine kleine atmosphärische Wandlung verursachte. Angelegt gewesen war das Spiel ja als eine Art großer Bewerbungstag im DFB-Team, zumindest für jene, die sonst nicht übermäßig häufig spielen und noch gern mit zur WM wollen. Und zugleich hing einige Folklore über diesem Spiel, das 7:1 im WM-Halbfinale, die angestrebte Wiedergutmachung der Brasilianer, all das. Aber hinterher ging es, zumindest bei der DFB-Elf, kaum noch um Folklore. Stattdessen erfasste ein kleiner, aber doch vernehmbarer Stimmungsknick das Team.

Auslöser des Knirschens war Toni Kroos. Direkt nach dem Spiel hatte er im ZDF gesagt, einige Spieler hätten Werbung für sich machen können - um dann zu dem Schluss zu kommen: "Das haben sie nicht getan." Und als er später durch die Mixed Zone ging, wiederholte er diese Meinung zwei Mal. Er mache sich keine Sorgen mit Blick auf die WM, das nicht. Aber er klagte über Ballverluste und mangelnden Widerstand. "Und dann", sagte er, "muss man einfach ehrlich zugeben, dass wir auf gewissen Positionen nicht gut genug waren. Und viele ihre Chancen nicht genutzt haben."

Das Interessante an Kroos Kritik war, dass sie bei der Aufstellung ansetzte, die Umbauten an sich aber nicht als Problem einstufte. Bundestrainer Joachim Löw hatte sein Team nach dem - vielgelobten - 1:1 gegen Spanien auf sieben Positionen geändert. Mats Hummels saß auf der Bank, genau wie Sami Khedira; Thomas Müller und Mesut Özil waren schon abgereist. Kroos verfolgte in seiner Analyse einen akteurszentrierten Ansatz: Nicht die Tatsache, dass so viele neue Spieler dabei waren, sah er als negativ. Sondern die Art und Weise ihres Wirkens. Wobei er auch sagte, "von allen mehr erwartet" zu haben, also nicht nur von den Neuen.

Löw wiederum erklärte, aufgrund der vielen Umstellungen mit Problemen gerechnet zu haben. Körpersprache, Dominanz, Sicherheit, Verantwortungsgefühl - all das vermisste er vor allem in der ersten Hälfte. Er sprach aber über den Unterschied zwischen einem Testspiel und einem Turnierspiel: "Man wechselt beim Turnier fünf, sechs Positionen ja nicht so einfach." Es sei leichter für neue Spieler, "wenn sie in ein Gesamtgefüge kommen, das harmoniert".

Müssen sich Gündogan und Goretzka angesprochen fühlen?

Einer, der gegen Spanien noch nicht in der Startelf gestanden hatte, war Leon Goretzka, diesmal halbrechts aufgeboten. Als ein Reporter ihn nach dem Spiel auf das Kroos-Zitat ansprach, ihn fragte, was das für ihn bedeute, sagte er: "Ich glaube, dass heute alle keine gute Leistung gezeigt haben. Zumindest nicht an ihre Leistungsgrenze gegangen sind und da schließe ich mich natürlich mit ein." Und er fügte an, "dass wir als Mannschaft nicht gut ausgesehen haben. Dass dann einzelne Spieler super Spiele machen, ist irgendwie auch unwahrscheinlich." Was Goretzka noch sagte: dass Kroos in der Postion sei, Kritik zu äußern. Ilkay Gündogan wollte seinerseits nicht "großartig Kritik an meine Mitspieler ausrichten", sagte aber auch, jeder sei sich "bewusst, was er heute hätte besser machen können".

Ein "großartiges Spiel" hatte der Stadionsprecher vor dem Anpfiff versprochen, aber das Spiel entschied sich dann, gar nicht großartig zu werden. Vor allem das deutsche Team fiel in der ersten Halbzeit mit Fehlpässen auf. Geriet ein Spieler unter Druck, versuchte er, die Situation möglichst formschön zu lösen, selbst in der eigenen Hälfte - was oft zu einem Rückpass zu Kevin Trapp führte, in dessen Richtung sich sogleich ein Brasilianer aufmachte. Eigene Chancen? Erspielte sich das DFB-Team in der ersten Halbzeit so gut wie gar nicht. Und als die Brasilianer mitkriegten, wie der Gegner wackelt, erspielten sie sich gleich mehrere gute Möglichkeiten - eine davon nutzte Gabriel Jesus nach Flanke von Willian per Kopf zum 0:1 (37. Minute). Es war eine Szene, in der nach einem Fehlpass von Gündogan hinten so gut wie gar nichts stimmte beim Weltmeister.

Die Frage ist: Was heißt diese Niederlage jetzt für das DFB-Team? Als Joachim Löw hinterher nach Sorgen gefragt wurde, sagte er: "Mir bereitet eigentlich kaum was große Sorgen." Er wisse um die Stärken seiner Mannschaft. Zudem unternahm er einen kleinen historischen Ausflug, zurück in den März 2014. Seinerzeit, so sagte er, habe Deutschland ja gegen Chile verloren (was nicht stimmte, Deutschland gewann 1:0) und schwach gespielt. Seine Botschaft: Eine gescheite WM haben sie trotzdem hinbekommen (Vgl. 7:1; Vgl. WM-Titel). Löw sagte: "Sie können sich sicher sein, dass wir uns steigern."

22 Spiele hatte die DFB-Elf zuletzt nicht mehr verloren, aber nach diesem 0:1 kann man die Statistik auch umdrehen: Dieselbe DFB-Elf hat seit vier Spielen nicht mehr gewonnen. Es gab Unentschieden gegen Frankreich, England und Spanien - und nun also eine Niederlage. Toni Kroos sagte: "Es ist nicht so, dass wir der absolute Favorit sind, der nach Russland fährt. Das war vorher Quatsch, das ist jetzt Quatsch. Jetzt sehen es vielleicht ein paar mehr so."

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