Deutsche Handball-Nationalmannschaft:Schüchterne Weltklasse-Außenseiter

Silvio Heinevetter kämpft um seinen Status als Stammtorwart, Abwehrchef Oliver Roggisch hat neun Kilo abgespeckt - und Pascal Hens ist endlich ein richtiger Kapitän. Mit diesen 16 Spielern will Bundestrainer Martin Heuberger bei der Handball-EM in Serbien überraschen. Die Nationalspieler in Kurzporträts.

Carsten Eberts

17 Bilder

Handball-Laenderspiel: Deutschland - Ungarn

Quelle: dapd

1 / 17

Silvio Heinevetter kämpft um seinen Status als Stammtorwart, Abwehrchef Oliver Roggisch hat neun Kilo abgespeckt - und Pascal Hens ist endlich ein richtiger Kapitän. Mit diesen 16 Spielern will Bundestrainer Martin Heuberger bei der Handball-EM in Serbien überraschen. Die Nationalspieler in Kurzporträts.

Von Carsten Eberts

Silvio Heinevetter (Tor, 27, Füchse Berlin)

Die Situation im deutschen Tor war eigentlich klar: Johannes Bitter verzichtete aus privaten Gründen auf die EM, Silvio Heinevetter wurde zur Nummer eins, dahinter kam Carsten Lichtlein. Doch tatsächlich? Bundestrainer Martin Heuberger ließ durchblicken, dass er mit Heinevetters Leistungen nicht vollumfänglich zufrieden ist, sich mehr Führungsqualitäten von ihm erwartet. Zudem erwischte Heinevetter, der sonst mit seinen unorthodoxen Abwehrverrenkungen brilliert, in den letzten beiden Testspielen gegen Ungarn zwei schwache Tage. "Wenn man die Leistungen nüchtern betrachtet, ist das Rennen offen", sagt Heuberger deshalb.

Handball-Laenderspiel: Deutschland - Ungarn

Quelle: dapd

2 / 17

Uwe Gensheimer (Linksaußen, 25, Rhein-Neckar Löwen)

Früher hatte die deutsche Nationalmannschaft gleich mehrere Spieler auf Weltklasse-Niveau: Weltklasse-Mittelmänner (Baur), Weltklasse-Kreisläufer (Schwarzer), Weltklasse-Torhüter (sowieso). Im aktuellen Kader ist nur noch ein Spieler verblieben, dem dieses Prädikat zu Recht auferlegt werden kann. In unaufgeregter Manier ist Uwe Gensheimer in den vergangenen beiden Jahren zum vielleicht besten Linksaußen der Welt gereift. Niemand hat mehr Würfe, Täuschungsmanöver, Zwirbler und Dreher zu bieten als er. Manch einer sagt, er müsse wechseln - weg von den Rhein Neckar-Löwen, hin zu einem echten Spitzenteam. Will Deutschland bei der EM als Außenseiter überraschen, dann nur mit einem brillanten Gensheimer.

Handball-Laenderspiel: Deutschland - Ungarn

Quelle: dapd

3 / 17

Pascal Hens (Rückraum links, 31, HSV Hamburg)

Der Kapitän, der seine größte Entwicklung zuletzt neben dem Platz vollzogen hat: Hens tritt wie ein echter Kapitän auf, stellt sich vor die Mannschaft, wenn es sein muss, spricht jedoch auch Klartext. Wie vor der EM, als er demütig erklärte: "Wir wissen, dass wir momentan nicht ganz vorne mitspielen." Tut dennoch alles, um das Team voranzubringen, hat dafür an seinem Repertoire gearbeitet: Musste früher stets in Szene gesetzt werden, hat sich nun im Eins-gegen-eins verbessert und kann plötzlich sogar Stemmwürfe. Auch wenn diese beim schlacksigen Rückraumspieler aus Hamburg immer etwas komisch aussehen.

Handball-Laenderspiel: Deutschland - Ungarn

Quelle: dapd

4 / 17

Michael Haaß (Mitte, 28, Frisch Auf Göppingen)

Ist nach der Nichtberücksichtigung von Michael Kraus die Nummer eins im deutschen Rückraum - was keine schlechte Entscheidung ist. Reifte in den vergangenen Jahren zu einem vorzüglichen Mittelmann. Zwar ohne genialische Momente, jedoch mit hervorragendem Auge, guter Präsenz und jeder Menge Wucht. Haaß' Problem: Ist als starker Abwehrspieler auch in der Defensive gefordert, braucht deshalb seine Pausen - und hat mit Martin Strobel einen zweiten Mittelmann hinter sich, der ihn nur an guten Tagen ersetzen kann. Auch deshalb sagt Haaß etwas schüchtern: "Wir sind nicht auf Weltniveau."

Länderspiel Deutschland - Ungarn

Quelle: dpa

5 / 17

Holger Glandorf (Rückraum rechts, 28, SG Flensburg-Handewitt)

Dass es im deutschen Spiel bei der vergangenen WM überhaupt nicht stimmte, hatte auch mit Holger Glandorf zu tun. Nicht, weil er eine hundsmiserable WM spielte - sondern weil er nicht fit ins Turnier ging. Nach seiner schweren Knieverletzung fehlte es ihm an Wucht und Schnelligkeit, dem deutschen Spiel damit eine wertvolle Waffe. Diesmal ist Glandorf zwar nicht in Bestform (wie die Tests gegen Ungarn bewiesen), jedoch zumindest gesund. Und damit klare Nummer eins im rechten Rückraum.

Handballer im ersten Test gegen Ungarn ohne Sprenger

Quelle: dapd

6 / 17

Christian Sprenger (Rechtsaußen, 28, THW Kiel)

Die vergangene WM absolvierte Christian Sprenger zumindest ohne ganz große Verletzung - zuvor hatten ihm Bänderrisse und andere Unannehmlichkeiten stets die Großereignisse verhagelt. Es wurde trotzdem kein großes Turnier. Diesmal ist Sprenger erneut fit, hat zudem in Kiel eine gute Halbserie gespielt. Ist er damit gesetzt auf Rechtsaußen? Zunächst schon. Er hat mit Patrick Groetzki einen wie aufgedreht spielenden zweiten Mann hinter sich. Zusammen geben beide ein starkes Duo ab. Das kann Bundestrainer Heuberger nicht von jeder Position behaupten.

Germany v Hungary - Men's Handball International Friendly

Quelle: Bongarts/Getty Images

7 / 17

Christoph Theuerkauf (Kreis, 27, TBV Lemgo)

Auf keiner Position hat die deutsche Mannschaft in den vergangenen Jahren einen heftigeren Umbruch vollzogen als am Kreis: Schwarzer, Klimovets, Preiß - sie alle sind nicht mehr dabei. In der neuen Generation ist Theuerkauf der talentierteste: Er verfügt über ein hervorragendes Timing, hat mit seinem Wechsel von Magdeburg zum TBV Lemgo einen wichtigen Schritt vollzogen. Ist jedoch kein sonderlich guter Abwehrspieler, was für Bundestrainer Heuberger bedeutet: Spielt Theuerkauf, muss das deutsche Team wechseln - vor und nach jedem Angriff.

Länderspiel Deutschland - Ungarn

Quelle: dpa

8 / 17

Carsten Lichtlein (Tor, 31, TBV Lemgo)

Gemurrt hat Carsten Lichtlein nie. Auch wenn er bei einem großen Turnier als dritter Torwart nur auf der Tribüne saß, dabei zusah, wie seine Kollegen entscheidende Strafwürfe parierten - und er selbst artig mitklatschte. Die EM in Serbien könnte für Lichtlein tatsächlich den internationalen Durchbruch bedeuten. Weil er endlich als Nummer zwei ins Turnier geht. Und weil der Abstand zu Silvio Heinevetter, der Nummer eins, nicht gerade groß ist. Gegen Ungarn brillierte er vor allem bei Würfen von außen. Auch Bundestrainer Heuberger schätzt Lichtlein, weil er mit den Jahren immer ruhiger wird. Es könnte seine EM werden.

Germany v Hungary - Men's Handball International Friendly

Quelle: Bongarts/Getty Images

9 / 17

Dominik Klein (Linksaußen, 28, THW Kiel)

Liebling der deutschen Fans, besonders der weiblichen, obwohl der Anschmacht-Faktor im deutschen Handball im Vergleich zum Fußball weitaus geringer ausfällt. Kegelte vor der vergangenen WM Torsten Jansen aus der Mannschaft, hat sich seitdem etabliert, bildet mit Uwe Gensheimer ein höchst gefährliches Duo auf Linksaußen. Kann in der Abwehr auch vorgezogen spielen - eine Variante, die Bundestrainer Heuberger in der Vorbereitung zumindest getestet hat.

Länderspiel Deutschland - Ungarn

Quelle: dpa

10 / 17

Lars Kaufmann (Rückraum links, 29, SG Flensburg-Handewitt)

Das vergangene Jahr hat Lars Kaufmann gutgetan. In der Bundesliga hat er den Verein gewechselt, von Frisch Auf Göppingen zur SG Flensburg-Handewitt, wo er in seinem Spiel gelassener geworden ist: Kaufmann bricht nicht mehr ausschließlich brachial in Richtung Tor durch; er beweist auch Auge für Kreisläufer oder Außenspieler. Natürlich kann er immer noch der alte Lars Kaufmann sein, die 95-Kilo-Wurfmaschine. Damit ist er besonders wertvoll für enge Schlussphasen - wenn Deutschland binnen Sekunden einfach nur ein Tor braucht. Egal wie.

Germany v Hungary - Men's Handball International Friendly

Quelle: Bongarts/Getty Images

11 / 17

Sven-Sören Christophersen (Rückraum links, 26, Füchse Berlin)

Hat im vergangenen Jahr einen Schritt gemacht, wenn auch nicht halb so groß wie in der Saison zuvor. Mit den Füchsen Berlin konnte Christophersen (links im Bild) internationale Erfahrung sammeln, was ihn auch in der Nationalmannschaft wertvoller macht, war sein Spiel doch bisweilen von Grünschnäbeligkeit geprägt. Ist dritter Mann im linken Rückraum hinter Hens und Kaufmann, kann jedoch guten Gewissens auch als Mittelmann eingesetzt werden. Eine Position, auf der Bundestrainer Martin Heuberger kaum Alternativen hat.

Germany v Austria - EHF Euro 2012 Qualifier

Quelle: Bongarts/Getty Images

12 / 17

Martin Strobel (Mitte, 25, TBV Lemgo)

Nummer zwei auf der Mittelposition hinter Michael Haaß. Ist im internationalen Vergleich ein kleiner, wendiger Mittelmann, jedoch mit einer starken 1/1-Bewegung und mit sehr gutem Auge. Ihm fehlt jedoch die Form - was auch in den Testspielen gegen Ungarn zu sehen war. Bei ihm gilt wie bei so vielen Kollegen auch: Soll es bei dieser EM etwas werden mit der Olympiaqualifikation, müssen zahlreiche Spieler über sich hinauswachsen. Auch Strobel. 

Germany v Hungary - Men's Handball International Friendly

Quelle: Bongarts/Getty Images

13 / 17

Adrian Pfahl (Rückraum rechts, 29, VfL Gummersbach)

Spielte erst mit 28 Jahren sein erstes großes Turnier, hat mit seiner unaufgeregten Spielweise alle Anlagen, Stammkraft im rechten Rückraum zu sein. Erlebt in Gummersbach jedoch eine schwere Saison, findet sich nach der Fast-Insolvenz plötzlich im Abstiegskampf wieder, was auch an Pfahl nicht spurlos vorbeigeht. Bleibt so Nummer zwei hinter Holger Glandorf, wird jedoch sicher Einsatzzeiten bekommen. Krisenzeiten - damit kennt sich Pfahl immerhin aus.

Germany v Hungary - Men's Handball International Friendly

Quelle: Bongarts/Getty Images

14 / 17

Patrick Groetzki (Rechtsaußen, 22, Rhein-Neckar Löwen)

Einer der wenigen Aufsteiger im deutschen Handball. Spielte bereits in der vergangenen Saison bei den Rhein-Neckar Löwen, absolvierte nebenbei jedoch seinen Zivildienst. Kann sich in dieser Saison ganz auf Handball konzentrieren, was ihm guttut. Überragte im vorletzten Testspiel vor der EM, als er und Linksaußen Uwe Gensheimer die ungarische Abwehr durchwirbelten und beide zusammen 19 Tore warfen.

Germany v Hungary - Men's Handball International Friendly

Quelle: Bongarts/Getty Images

15 / 17

Oliver Roggisch (Kreis, 33, Rhein-Neckar Löwen)

Spielt eines seiner letzten großen Turniere, auch wenn nicht ganz klar ist, wie es zukünftig ohne den Abwehrchef weitergehen soll. Roggisch ist im Angriff immer noch kaum zu gebrauchen, leistet sich in der Abwehr immer noch viel zu viele Zweiminutenstrafen - und kann selbstverständlich keine dieser Strafen nachvollziehen. Ist dennoch für die Defensive unersetzlich, nicht nur, weil er vor dem Turnier neun Kilo abgespeckt hat. Vor allem wegen seiner Erfahrung und der Fähigkeit, Nebenleute anzuspornen und mitzureißen. In dieser verunsicherten deutschen Mannschaft ist dies gleich doppelt wichtig.

Germany v Hungary - Men's Handball International Friendly

Quelle: Bongarts/Getty Images

16 / 17

Patrick Wiencek (Kreis, 22, VfL Gummersbach)

Ist ein Kreisläufer, der jeder Abwehr allein wegen seiner Statur weh tun muss. Ein wuchtiger Typ, groß, kantig und etwas staksig, dem kräftiger Körperkontakt mit seinen Gegenspielern rein gar nichts ausmacht. Doch Wiencek ist kein Kreisläufer, der sich wühlend eigene Situationen schafft, sondern punktgenau eingesetzt werden muss. Was ihn vor allem gegen hochklassige Abwehrreihen leichter ausrechenbar macht. Dafür ist der 22- Jährige ein guter Abwehrspieler, auch in der Zentrale. Hier wird Bundestrainer Heuberger Wiencek ganz gewiss brauchen.

Handball-Bundestrainer Heuberger steht bei der EM vor der grossen Bewaehrungsprobe

Quelle: dapd

17 / 17

Martin Heuberger, 47, Bundestrainer

Er sei nicht die mutigste Lösung, hatte Martin Heuberger vielerorts gehört, als ihn der DHB im Herbst als Nachfolger von Heiner Brand zum Bundestrainer machte. Seitdem hat sich Heuberger Respekt verschafft: Weil er sich nach dem katastrophalen Supercup nicht verunsichern ließ, weil er kaum noch von Heiner Brand spricht, stattdessen seinen eigenen Weg geht. Wie es um seine Mannschaft bestellt ist, weiß Heuberger genau: "Wir müssen konzentriert bleiben. Wir haben noch einige Baustellen, die wir hoffentlich bis zur EM in den Griff bekommen." Eigentlich ist Heubergers Ausgangsposition nicht schlecht: Niemand erwartet etwas von der deutschen Mannschaft. Ein Ausreißer nach oben müsste automatisch ihm zugeschrieben werden.

© Süddeutsche.de/ebc/jüsc
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: