Erfolge bei der Biathlon-WM:Lesser grüßt im Wintersturm

Biathlon World Championships

Erik Lesser beim Überqueren der Ziellinie: Der Thüringer ist jetzt Weltmeister.

(Foto: dpa)
  • Erik Lesser ist im Verfolgungsrennen der Biathlon-WM nicht zu schlagen - der Deutsche holt nach einer Glanzleistung Gold.
  • Bei den Frauen schafft Laura Dahlmeier Platz zwei.

Von Joachim Mölter, Kontiolahti

Ein kurzer Blick zurück über die Schulter, niemand in Sicht und nur noch wenige Meter bis zum Ziel. Da war für Erik Lesser die Zeit gekommen für eine Geste, eine andere als die übliche: sich eine Fahne zu schnappen und damit zu wedeln. Erik Lesser kreuzte also seine Arme über dem Kopf, bei ihm steht das für die gekreuzten Hämmer der Bergleute. Auch wenn er aus Thüringen kommt: Er ist Fan des sächsischen Fußball-Zweitligisten FC Erzgebirge Aue, des Klubs der hart arbeitenden Bergmänner.

Die grüßen sich mit "Glückauf", dem Wunsch, dass sich mit etwas Glück eine Erzader auftut, damit die Schufterei zum verdienten Lohn führt. Erik Lesser, ein seit Jahren hart arbeitender Biathlet, hatte an diesem Sonntag eine Gold-Ader aufgetan. Bei den Weltmeisterschaften in Kontiolahti/Finnland siegte der 26-Jährige im Verfolgungsrennen über 12,5 Kilometer. Er hat im vorigen Jahr bei Olympia zwar schon zweimal Silber geschürft, im 20-Kilometer-Einzel und mit der Staffel, aber bis dato noch kein Weltcup-Rennen gewonnen.

Nun hat er den Deutschen Skiverband (DSV) vom größten Erwartungsdruck befreit: Sein Erfolg bescherte dem DSV den ersten Titel in Kontiolahti - und somit die erste WM-Einzelmedaille eines deutschen Mannes seit Arnd Peiffers Sprint-Gold 2011. Und weil die von Sprint-Platz vier aus gestartete Laura Dahlmeier (Parten- kirchen) wenig später hinter Frankreichs neuer Doppel-Weltmeisterin Marie Dorin Habert Silber in der 10-Kilometer-Verfolgung der Frauen holte, haben die deutschen Athleten schon nach dem ersten WM-Wochenende so viele Medaillen eingefahren wie jeweils bei der WM 2013 und bei Olympia 2014, den Ereignissen, die als Tiefpunkte der jüngeren Biathlon-Geschichte im DSV gelten.

Auch wenn man die Perspektive auf Top-Ten-Plätze erweitert, stehen die deutschen Biathleten schon besser da als zuletzt, dank Franziska Hildebrand (Zehnte im Sprint und Sechste in der Verfolgung) sowie Benedikt Doll (Zehnter im Sprint). Damit, dass ausgerechnet Erik Lesser die vier Jahre währende Titellosigkeit der Männer beenden würde, war nicht zu rechnen gewesen; nicht einmal er selbst hatte das getan. Mit den Worten "viel braucht ihr von mir nicht zu erwarten", hatte er sich daheim verabschiedet, ehe er nach Kontiolahti reiste, eine Kleinstadt in Nordkarelien, einer rauen Gegend im Nordosten Finnlands.

Dort hat Lesser vor fünf Jahren im Weltcup debütiert, als 44. im Sprint und 51. in der Verfolgung. Der Ort liege ihm nicht, hat er gesagt, die äußeren Bedingungen mit tiefem Schnee und tückischem Wind beschrieb er als "komplett nicht einfach", selbst am Samstag noch, als er sich mit Platz fünf im 10-Kilometer-Sprint in eine gute Ausgangsposition für die Verfolgung gebracht hatte. "Stehend nur einen Fehler zu schießen, ist bei diesen Bedingungen richtig gut", resümierte er.

Der Konkurrenz verweht es die Kugeln

Shipulin, Lesser and Boe smile on the podium after their Men's Pursuit 12,5 km competition during the IBU Biathlon World Championships in Kontiolahti

Der Thüringer sichert sich damit seinen ersten Titel bei einer Biathlon-WM, vor dem Russen Anton Shipulin (l.) und dem Norweger Tarjei Boe.

(Foto: Markku Ulander/Reuters)

Der Wind, der mal stärker, mal schwächer vom nahen Höytiäinen-See herübergeblasen kam, hatte etlichen Biathleten die Kugeln verweht, beispielsweise dem als Mitfavorit gestarteten Simon Schempp. "Drei Treffer bei zehn Schuss, das ist nicht mal Schüler-Niveau", urteilte der 26-Jährige nach seinem 77. Platz, der ihn noch nicht einmal zur Teilnahme in der Verfolgung berechtigte; dort dürfen nur die besten 60 des Sprints mitmachen.

Auch der nach seinem Sprint-Sieg neulich in Oslo als Medaillenkandidat gehandelte Peiffer haderte mit dem Wind, den er für drei Fehlschüsse und Platz 30 verantwortlich machte. In diese Region hatte es im Frauen-Sprint auch die großen WM-Favoritinnen geweht. Die dreifache Olympiasiegerin Darja Domratschewa (Weißrussland) sowie Finnlands Lokalheldin Kaisa Mäkäräinen, die Gesamtweltcup-Gewinnerin des Vorjahres, landeten mit je fünf Fehlschüssen auf den Rängen 25 bzw. 35 und damit aussichtslos zurück für die Verfolgung. Dafür standen am Samstag zwei Athletinnen auf dem Siegerpodest, die sich das selbst nicht erklären konnten, ihren Vorsprung aber tags darauf zu weiteren Medaillen nutzten. Doppelsiegerin Marie Dorin Habert, die erst im September eine Tochter gebar und deswegen das erste Saisondrittel versäumt hatte, gab zu: "Ich habe keine Antwort, warum ich so ein gutes Rennen hatte."

Und die Silber- sowie Bronzegewinnerin Weronika Nowakowska-Ziemniak aus Polen, die mit ihren 28 Jahren erstmals in ihrer Karriere auf dem Siegerpodest stand, wunderte sich, dass sie als einzige der 103 ins Ziel gekommenen Läuferinnen am Schießstand fehlerfrei geblieben war: "Normalerweise ist das Schießen meine Schwäche."

Als am Sonntag die Verfolgungsrennen gestartet wurden, hatte sich der scharfe Wind etwas beruhigt, der das Klassement durcheinandergewirbelt hatte. Aber bei den Männern war trotzdem nur einer fehlerfrei über die Runden gekommen - Erik Lesser. "Ich habe immer nur von Schuss zu Schuss gedacht", erzählte er, vermutlich war das die beste Idee gewesen. Der Norweger Johannes Thingnes Boe, tags zuvor überlegener Sprint-Sieger mit nur einem Fehler, verfehlte bei seinen 20 Versuchen gleich achtmal. So sei es nun mal im Biathlon, stellte Erik Lesser lapidar fest: "Da kann alles passieren."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: