Deutsche Eishockey-Liga:Ohne Vorurteile

Kurt Kleinendorst kehrt nach Ingolstadt zurück, um den Klub wieder zu einer Spitzenmannschaft zu machen.

Von Christoph Leischwitz

Kurt Kleinendorst bedankte sich für das "Willkommen in Ingolstadt" zu Beginn der Pressekonferenz, korrigierte dann aber erst einmal: ganz korrekt müsse es ja "Willkommen zurück" heißen. Er sei schon einmal für den ERC Ingolstadt tätig gewesen, als Spieler. Zu dieser Zeit gab es noch keine Eishockey-Arena, sondern ein zugiges, kleines Stadion, das von vielen auch gerne das "Glühwein-Stadion" genannt wurde. Dort machte man nach einem Spiel noch eine Runde über das Eis und klatschte sich mit den Zuschauern ab. Das war 1988, alles war familiär, der ERC spielte in der Oberliga. Jetzt ist Kleinendorst als durchaus namhafter Profitrainer zurückgekehrt, der einem Erstligisten helfen will, wieder eine Spitzenmannschaft zu werden.

Der 54-Jährige will sich mit seinen Ingolstadt-Anekdoten gar keinen Stallgeruch zulegen, dafür liegt sein oberbayerisches Intermezzo, ohnehin nur 22 Spiele lang, auch schon viel zu weit zurück. Doch ein kleines bisschen hat es wohl mit seiner positiven Erinnerung an die Stadt zu tun, dass er selbst die Initiative ergriff und sich beim ERC meldete. Bekanntlich war Cheftrainer Emanuel Viveiros zwölf Tage zuvor beurlaubt worden, weil die Panther, Deutscher Meister 2014 und Finalteilnehmer 2015, als Tabellenletzter nach 17 Spieltagen (aktuell nun Vorletzter) in eine Sinnkrise gestürzt waren. Peppi Heiß hatte vorübergehend das Training übernommen, er ist jetzt wieder Co-Trainer. Und soll Kleinendorst dabei helfen, die Mannschaft so schnell wie möglich kennenzulernen.

GER DEL Adler Mannheim vs ERC Ingolstadt 22 11 2015 SAParena Mannheim GER DEL Adler Mannheim

"Minimale Änderungen": Björn Barta (Mitte) und seine Ingolstädter Kollegen wollen mit neuem Coach zu alter Form zurückfinden.

(Foto: nordphoto/imago)

Es habe mehrere Kandidaten gegeben, "viele sind ja auch immer sofort verfügbar", sagt Panther-Sportdirektor Jiri Ehrenberger. Doch Kleinendorst habe am besten zum Profil gepasst, das man zuvor erstellt habe. Und zwar gerade deshalb, weil er einen gewissen Abstand zur Deutschen Eishockey-Liga (DEL) mitbringt. "Jeder Spieler kann sich jetzt neu zeigen, bei einem Mann, der keine Vorurteile hat", so Ehrenberger. Der US-Amerikaner mit holländischen Vorfahren hat zwar auch schon in England gearbeitet, er ist aber vor allem als Ausbilder von Talenten bekannt. Er war NHL-Scout und 2010 Trainer der U18-Mannschaft der USA.

Nach zehn Tagen Suche ging alles recht schnell. Am Mittwoch erst kam Kleinendorst nach Deutschland, wenige Stunden nach dem Vorstellungsgespräch unterschrieb er den Vertrag. Am Mittwochmorgen leitete er zum ersten Mal das Training: Kombinations- und Torschussübungen, immer abwechselnd mit längeren Vorträgen. "Ich habe der Mannschaft auch gesagt, wie ich bin: 95 Prozent sonniges Gemüt, fünf Prozent Arschloch." Wer gut spiele, dürfe oft spielen, wer nicht so gut spiele, eben weniger oft. Und wenn er den Spielern ihr Potenzial entlocken könne, dann müsse man mit der Liga gar nicht so vertraut sein. "Natürlich, ich kenne jetzt den nächsten Gegner, Köln, nicht so gut. Das kann man mir als Nachteil auslegen. Aber wer mich kennt und weiß, wie ich coache... es wird kein großer Nachteil sein."

ERC Ingolstadt - Kurt Kleinendorst

Kurt Kleinendorst, US-Amerikaner, ist vor allem als Ausbilder von Talenten bekannt. Er war NHL-Scout und trainierte 2010 die U18 der USA.

(Foto: Oliver Strisch/dpa)

Kleinendorst lächelt. Er wirkt deutlich jünger als 53, der Jetlag ist ihm überhaupt nicht anzumerken, der neue, vom Verein besorgte Anzug passt perfekt. Kleinendorst vermittelt den Eindruck, alles im Griff zu haben. Und genau das ist zu Beginn auch erst einmal sein wichtigster Job in Ingolstadt. Rein taktisch soll sich nämlich gar nicht viel ändern, geschweige denn mitten in der Saison ein neues Spielsystem installiert werden. Die Spieler berichten davon, "minimale Änderungen" und einen leicht verstärkten Fokus auf die Defensivarbeit mit auf den Weg bekommen zu haben, mehr nicht. Ach ja, der Neue mache ziemlich klare Ansagen, ist zu hören.

Die letzte Trainerstation in den USA war Kleinendorsts erfolgloseste. Bei den Iowa Wild, einem neu gegründeten Franchise der American Hockey League, wurde er vor fast genau einem Jahr beurlaubt. "Was ich dort gelernt habe? Nicht so sehr auf Störgeräusche achten. Die gab es dort. Und stattdessen mir gegenüber ehrlich zu sein. Meinen Weg gehen und nicht auf andere hören." Dann ist es vielleicht gar nicht so verkehrt, angesichts der Tabellensituation noch kein Deutsch zu verstehen? "Das könnte sehr gut sein", sagt Kleinendorst und lächelt wieder.

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