Deutsche Basketballer bei der EM:Nowitzki, Kaman - und ein paar mehr

Auch beim erkämpften 76:62 über Italien profitieren die deutschen EM-Basketballer vom sicheren Werfer Dirk Nowitzki und der Naturgewalt Chris Kaman. Das Team dahinter jedoch wächst - und erzielt selbstbewusst entscheidende Körbe.

Andreas Burkert, Siauliai

Den Korb, der die Italiener endgültig entnervte, warf nicht Dirk Nowitzki. Sondern Johannes Herber. Herber ist 28 Jahre alt, er gehört zu den etablierten Spielern im deutschen Nationalteam. Aber als Scorer ist er zuletzt nicht mehr aufgefallen in der DBB-Auswahl, auch in der Vorbereitung für die EM in Litauen scheiterte der Flügelspieler häufiger als dass er traf.

Italien - Deutschland

Der entscheidende Wurf: Johannes Herber trifft kurz vor dem Ende der Partie gegen Italien.

(Foto: dapd)

Aber diese große Ding, das sitzt: ein fast verwegener Dreier in der entscheidenden Phase des zweiten Gruppenspiels. 67:60, die Deutschen jubeln 96 Sekunden vor Schluss, obwohl das im Basketball eine Ewigkeit sein kann. Aber Italien wirkte müde und endgültig demoralisiert.

Von Dirk Nowitzki, der erneut 21 Punkte erzielte. Vom Naturereignis Chris Kaman, der sagenhafte 17 Rebounds packte und ebenso viele Zähler erzielte. Aber auch von den Männern dahinter, zum Beispiel einem Herber, der seinen Teil zum 76:62 (36:30) lieferte.

Mit dem zweiten Sieg kann das Team von Bundestrainer Dirk Bauermann fast schon für die Zwischenrunde in Vilnius planen, für den mindestens Rang drei in der Sechsergruppe vonnöten ist. "Es war superhart umkämpft, Italien war ein bisschen mit dem Rücken zur Wand, und so haben sie auch gespielt", sagte Nowitzki. "Wir haben gekämpft."

Im Vergleich zum einseitigen 91:64 über Israel sah es diesmal aus, als würde ein anderer Sport geboten. Es ging früh zu wie beim Wrestling; Italien, nach dem 68:80 gegen Serbien schon unter Zugzwang, begrüßte Nowitzki und Kaman mit physischer Abwehrarbeit. Die zwei störte das nicht, sie sind Männersport aus der NBA gewohnt - Kaman sorgte mit einem gewaltigen Dunking plus verwandeltem Freiwurf zum 7:4 (4.) für den ersten Höhepunkt.

Spielverderber aus deutscher Sicht waren nur die Referees, die beiden hintereinander jeweils ein Offensivfoul beim Block anhängten. Nowitzki, vermutlich einer der freundlichsten Menschen des Planeten, überlegte kurz - dann wendete er doch keine Gewalt an und beließ es bei ein paar derben Flüchen ins Gesicht der Unparteiischen.

Aber die Italiener forderten die Deutschen nicht nur mit harter Deckung und schauspielerischen Einlagen. Sie zogen auch immer wieder ihr schnelles Passspiel über die Flügelpositionen auf. Dort sind sie vorzüglich besetzt, der erste Dreier von Knicks-Werfer Danilo Gallinari (17 Punkte) brachte ihnen das 11:9.

Fanzinierende Sicherheit

Aber die Deutschen waren im Spiel, auch Nowitzkis Helfer. Unkonzentriert verloren sie zwar manchmal den Ball, oder sie wurden fürchterlich beim Wurf geblockt wie auch Herber zu Beginn des zweiten Viertels - doch der Frankfurter hielt den Kopf oben, wie er nur 90 Sekunden später bewies: Er setzte zum freien Dreier an - und der fiel rein.

Deutsche Basketballer bei der EM: Scheinbar gegen tausend Hände: Dirk Nowitzki.

Scheinbar gegen tausend Hände: Dirk Nowitzki.

(Foto: AFP)

Nowitzki traf erneut mit faszinierender Sicherheit und trotz ständigen Doppelns der Italiener. Aber diese Intensität gefiel ihm, und einmal, beim Sprungwurf zum 29:28, hörte man ihn tatsächlich - während der Ball noch unterwegs war - "and one!" rufen: Sie hatten ihn zu seinem Vergnügen im Wurf gefoult. Der Franke bekam sein Dreipunkte-Spiel.

Auch Kaman ließ sich nicht locken, Emotionen verwandelt er in Kraft. Vielleicht ist es ganz gut, dass er von dieser europäischen Auslegung des Spiels nicht alles versteht. Denn Christopher Zane Kaman, 29, Center der Los Angeles Clippers, stammt aus den USA, er wuchs auf einer Hühnerfarm in Michigan auf.

Ein Zufall hat dafür gesorgt, dass die Deutschen nun eine zweite Option in der Offensive haben: Kamans Urgroßeltern waren Deutsche, das hatte er Anfang 2008 in einem Nebensatz dem Magazin Five verraten - Nowitzki las das, schickte dem NBA-Kollegen von den LA Clippers ein paar SMS und stellte den Kontakt zum deutschen Verband her. Anfang Juli 2008 erhielt der 29-jährige Center vom Innenministerium einen deutschen Pass. .

Menschlich und sportlich darf Kamans Zugang als Glücksfall bezeichnet werden. Wie in der NBA, wo er im Schnitt zwölf Zähler holt, dominiert der 2,13 Meter lange Center auch das deutsche Spiel am Brett. Aber Zwei gegen Fünf, das wird nicht funktionieren während dieses langen Turniers, das wissen die Deutschen. "Wenn Dirk und Chris mal härter gedoppelt werden und die anderen kein Kapital daraus schlagen", sagt Nowitzkis Privatcoach Holger Geschwindner, "dann sieht es für uns schlecht aus."

Aber auch Geschwindner sah auf der Tribüne in Silauiai im Duell mit Italien, dass sich die jungen Talente entwickelt haben. "Dirk und Chris treffen immer die richtige Entscheidung. Sie können lesen, was die Verteidigung macht und passen", sagt Philipp Schwethelm: "Dann müssen wir bereit sein, wenn beide gedoppelt werden."

Er selbst war es diesmal nicht immer. Aber der komplette Athlet Robin Benzing (14 Punkte), ebenfalls erst 22, war es, und auch einer Älteren: Während der Münchner Kapitän Steffen Hamann, zuletzt am Rücken verletzt, mit fünf Fehlpässen auffiel und viel zu lange auf dem Feld blieb, organisierte Guard Heiko Schaffartzik, 27, kühl die Angriffe und war als Distanzschütze der vierte Mann (elf Punkte).

Diese Hilfe wird auch am Freitag gegen die noch unbesiegten Franzosen um San Antonios Allstar Tony Parker (20 Uhr/Sport1) benötigt. "Dirk und Chris vertrauen ihren Mitspielern", versichert Bauermann. Dass beide in engen Partien die Hälfte aller deutschen Würfe nehmen, damit könne er gut leben, sagt Schaffartzik: "Du frisst halt, was übrig bleibt."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: