Deutsche Aufstellung an Presse verraten:Auf der Suche nach dem Maulwurf

Schon Stunden vor Anpfiff zum Spiel gegen Griechenland war die Aufstellung der deutschen Elf an die Presse durchgesickert. Passiert das auch vor dem Halbfinale, könnte ein kleiner, vielleicht aber der entscheidende Überraschungseffekt verloren gehen. Bundestrainer Löw ist sauer - und hat einen Verdacht.

Thomas Hummel

Der Intercity-Zug von Warschau nach Danzig war am frühen Freitagnachmittag gut gefüllt mit deutschen Fußballanhängern. Im Speisesaal freuten sie sich über die ungewöhnlich gute Küche, hinter ihnen wurden in dem ratternden Waggon tatsächlich die Schnitzel frisch in die Pfanne gelegt, es roch nach Bratfett.

Post-Match Press Conferences - Germany v Greece, Quarter Final: UEFA EURO 2012

Joachim Löw ist nicht erfreut darüber, dass Informationen über seine Aufstellung schon früh an die Presse durchsickerten.

(Foto: UEFA via Getty Images)

Und während das Essen auf sich warten ließ, diskutierten die Männer in den weißen Trikots über die Aufstellung. Endlich kommt der Reus rein, der Schürrle ist auch besser als Poldi. Aber das mit Gomez, das ist schon hart.

Während draußen also noch die nordpolnischen Wälder zwischen den Stationen Ciechanow bis Malbork vorbeisausten, konnten drinnen die deutschen Anhänger schon über das Für und Wider von Joachim Löws Neuerungen debattieren. Die ganze Welt konnte das. Und das führt beim Bundestrainer und seinen Mitarbeitern zu erheblichem Missmut.

Schon kurz nach der Mittagszeit berichteten die Internetseiten der Bild, der Sport-Bild und des Kicker von der deutschen Aufstellung am Abend im Viertelfinale der EM gegen Griechenland. Thomas Müller, Lukas Podolski und Mario Gomez raus, dafür André Schürrle, Marco Reus und Miroslav Klose rein. Der Plan sei schon länger in seinem Kopf herumgegeistert, berichtete Löw.

"Es ist nicht nachzuvollziehen, wie das passiert ist"

Gegen die sehr mannbezogen verteidigenden Griechen, "die uns sehr gut kennen, wollte ich andere Spielertypen bringen, die zwischen den Linien spielen können". Die sich also der strengen Manndeckung entziehen können. Der Plan ging auf. Doch es ärgerte Löw, dass der Plan schon mittags auf dem Markt war.

"Das ist nicht in meinem Sinne, wenn das passiert", sagte er. Griechenland-Trainer Fernando Santos erklärte: "Wir wussten seit heute Morgen, es gibt Wechsel." Das war leicht übertrieben, auch wenn der Morgen in südlichen Ländern bisweilen etwas später beginnt als nördlich der Alpen. Dennoch verdeutlichte Santos´ Aussage, dass es für die Deutschen ein Problem ist, wenn ihre Aufstellung Stunden vor dem Anpfiff übers Internet erhältlich ist.

Doch wie gelangt die Information überhaupt dorthin? "Ich kann mir das auch nicht genau erklären, woher das kommt", rätselte Löw. Er gibt die Startformation an Spieltagen in der Teamsitzung vor dem Mittagessen bekannt. Manche Spieler wissen aber auch schon vorher, ob sie auflaufen werden oder nicht.

Dann "telefonieren die Spieler mittags vielleicht mit ihren Beratern, mit ihren Freunden, sei es aus Freude, dass sie spielen, sei es aus Enttäuschung." Einer oder mehrere dieser Gesprächspartner gaben die Informationen dann offenbar an die Medien weiter. Denn für Löw ist klar: "Von den Spielern kommt es auf jeden Fall nicht, diese Rückversicherung habe ich."

Löw dürfte sich auf der richtigen Fährte befinden. Gerade Spielerberater schmieden häufig enge Bande zu Medien, Bild und Sport-Bild sind bevorzugte Meinungsmacher in der deutschen Fußballszene.

Der umkämpfte Markt der Nachrichtenseiten im Internet veranlasst die Medien nun dazu, ihre Informationen sofort in die Welt zu setzten. Der Erste beweist, dass er am nächsten dran ist am deutschen Team, das sich ja so gerne abschotten würde.

Bundestrainer Joachim Löw wirkte angesichts dessen ein wenig frustriert. Gegen Italien oder England im Halbfinale kann auch eine Änderung in der Startelf ein kleiner, vielleicht entscheidende Überraschungseffekt sein.

Doch er kennt gerade die Springer-Medien und weiß, dass sie darauf keine Rücksicht nehmen werden. "Es ist nicht nachzuvollziehen, wie das passiert ist. Letztendlich wird man das auch nicht herausfinden", sagte Löw.

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